Martin: Es ist das Wesen jeder Theorie, dass sie ein System idealisiert darstellt und reale Widrigkeiten ggf. ignoriert. Wo genau siehst du das praktische Problem dabei, die Neuverschuldung auf 1% zu begrenzen?
In Antwort auf:Und wessen Version war dann die Senkung des Spitzensteuersatzes um 20% bei gleichzeitiger Anhebung der Mehrwertsteuer ? Also, wenn das nicht die liberale Version war, was ist dann die liberale Version ?
Kater, erstens ist der Wahlkampf vorbei und zweitens bist du nicht Lafontaine, oder liege ich da falsch?
Du könntest ja auch ganz sachlich meine Frage beantworten.
Martin hatte sinngemäss daruf hingewiesen, dass jetzt mal die "liberale" Version eines Steuersystems dran wäre.
Ich habe lediglich gefragt, was diese denn, von den Änderungen der letzten Jahre (die ich übrigends für fatal halte) unterscheidet.
Wenn ich mir die Mitteilungen auf der FDP Seite zu dem Thema ansehe, sehe ich nämlich nicht so viele substantielle Unterschiede, diese Dreistufengeschichte ist ja lediglich eine andere Kalkulationsformel. Davon abgesehen kann man die Sozialabgaben absetzen, was sowieso schon beschlossen ist. Und Freibeträge gibt es ja jetzt auch schon. Alles nichts, was auf einen Bierdeckel passt.
Bleibt die erhebliche Senkung der Steuern. Aber das ist jetzt nichts, was nicht seir 10 Jahren kontinuierlich gemacht wurde und kaum das Etikett "liberal" verdient. Mal davon abgesehen, dass die Frage der Finanzierung ja nicht komplett bescheuert ist.
Zitat von KaterSpock: Du könntest ja auch ganz sachlich meine Frage beantworten. Martin hatte sinngemäss daruf hingewiesen, dass jetzt mal die "liberale" Version eines Steuersystems dran wäre. Ich habe lediglich gefragt, was diese denn, von den Änderungen der letzten Jahre (die ich übrigends für fatal halte) unterscheidet.
Gruss Kater
Kater,
während schwarz-gelb nun noch ihren Vertrag ausbaldowern, hier die Nebendiskussion:
Ich meinte mit 'liberaler Version' eigentlich nicht die konkrete Lösung, sondern die Art und Weise, wie der 'homo oeconimicus' interpretiert wird.
Zu dem Punkt Mehrwertsteuer: Ich selbst war in Diskussionen hier vor Jahren der klaren Meinung, dass die Steuern weg von der Einkommenssteuer hin zu Konsumsteuern gehen müsse. Die vordergründige Ungerechtigkeitsdiskussion offenbart dabei eben das unterschiedliche Verständnis vom homo oeconomicus, und dem zugehörigen Denkansatz:
Geht man davon aus, dass wer viel Einkommen hat auch viel ausgibt, dann findet der sogenannte Gerechtigkeitsausgleich hierüber ganz automatisch statt (wird Geld gehortet holt sich das das FA spätestens über die Erbschaftssteuer), und zwar ohne Einkommenslimit. Warum also soll das unsozial sein? Der Privatier, der von Ersparnissen lebt, wäre genauso eingebunden, ohne dass man gleich an Vermögenssteuer denken müsste.
Natürlich sollte bei steuerneutraler Umstellung irgendwie ein Ausgleich stattfinden. Über die Einkommenssteuer geht das natürlich nicht, bei uns müsste dann eher die Sozialversicherung zum Ausgleich gekürzt werden. Da diese heute eh schon aus Steuereinkommen querfinanziert ist, müsste man dies halt entsprechend erweitern. Ich hätte auch kein Problem mit einer einmaligen jährlichen Direktzahlung an jeden Bürger.
Die Mwst. hat möglicherweise praktische Probleme, die bei ihrer Anwendung eine Rolle spielen: - Bisher hat man die länderübergreifenden Betrügereien nicht im Griff (Milliardenverluste) - Wir sollten uns mit dem MwstSatz nicht zu weit von den Nachbarländern entfernen - andere?
Für Sozis ist das Konzept natürlich schwer zu 'verkaufen', weil dann die Abschöpfung nur noch indirekt erfolgt, der Atem des Staates im Nacken des 'Besserverdienenden' nicht so offensichtlich ist.
Zitat von KaterBleibt die erhebliche Senkung der Steuern. Aber das ist jetzt nichts, was nicht seir 10 Jahren kontinuierlich gemacht wurde und kaum das Etikett "liberal" verdient.
Was? Die Steuern wurden gesenkt? Wann soll denn das mal passiert sein? Gut, Mitte/Ende der 80er mal unter Stoltenberg, aber das war auch ein laues Lüftchen, nur im Einkommensteuerbereich und schon nach wenigen Jahren von der kalten Progression aufgezehrt.
"Gut, Mitte/Ende der 80er mal unter Stoltenberg.."
Nein, es war Ende der 80er Jahre unter Waigl. Aber bevor wir das richtig mitgekriegt haben kam die Wiedervereinigung..
Ich weiß, dass mein Netto im Jan 89 (so in meiner Erinnerung!) richtig fühlbar mehr war als im Dez 88.
Gute Nacht WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat von LexxMartin: Es ist das Wesen jeder Theorie, dass sie ein System idealisiert darstellt und reale Widrigkeiten ggf. ignoriert. Wo genau siehst du das praktische Problem dabei, die Neuverschuldung auf 1% zu begrenzen?
Lexx,
das praktische Problem sind Staatsausgaben, die steigen werden, und Steuereinnahmen, die dieser Steigerung nicht folgen werden.
Die Regierungen können - ohne soziale Verwerfungen zu provozieren - ihre Haushaltsentwicklung ausgabenseitig nur in Nuancen beeinflussen. Der Versuch, bestimmte Posten in Schattenhaushalte / Sondervermögen zu verlagern, ist der beste Indikator dafür, wie groß die Schwierigkeiten sind, den eigentlich steigenden Finanzbedarf in einen gesetzlich konformen Rahmen zu packen (der Vollständigkeit halber will ich erwähnen, dass die EU bei den Defizitkriterien die deutschen Verschleierungsversuche ignoriert).
Auf der Einnahmeseite werden die Folgen der Finanzkrise noch lange zu spüren sein. Seit einem Jahr wird heftig daran gearbeitet, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, heute wertloses Eigenkapital bei Banken, Versicherungen, u.a. aus den Bilanzen zu nehmen und (hoffentlich) á la long aussitzen zu können. Das wird auf Dauer den Steuerbeitrag, die Investitionsbereitschaft, usw. dieser Firmen reduzieren. Das lockere Geld einer Finanzblase, das Daimler / Audi / BMW Aufträge beschert hat, wird einige Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Das alles und mehr hat Folgen für den Arbeitsmarkt, und letztlich für die Einnahmen von Bund, Länder und Kommunen.
Ich will nicht das Szenario zu Ende führen. Unterm Strich wird die Neuverschuldung nicht auf 1% begrenzt werden können, sondern deutlich darüber liegen.
Zitat von MartiS2 Es ist ja durchaus möglich, dass der langfristige Wohlstandseffekt für alle und vor allem auch für die Jüngeren durch andere Lastenverteilung besser ist. Dahinter steckt der Denkansatz, dass die Besserverdienenden durch ihre Nachfrage die besseren langfristigen Impulse liefern. Es gibt kein standardisiertes und validiertes Modell des homo oekonomicus, aber irgendwie haben unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen so eine eigene Vorstellung. Jetzt wollen die Liberalen mal ihre Version einbringen.
Dumm nur, dass die liberale Version gar nicht in die Zeit passt. Westerwelles Job ist es, die Welt so hinzubiegen, dass sie auf sein Konzept passt. Und weil der Wähler das so gewollt hat müssen alle so tun, als ob sie die Welt wirklich so hinbiegen könnten. Dass das nicht ganz so nach Schwachsinn aussieht müssen dann die Marketingleute der Regierungsparteien darlegen. Der Schattenhaushalt, der offensichtlich wieder verworfen wurde, war so ein Modell. Dass das dahinterliegende Konzept damit starb glaube ich nicht. Es wird dann nur anders betitelt.
Zitat von KaterBleibt die erhebliche Senkung der Steuern. Aber das ist jetzt nichts, was nicht seir 10 Jahren kontinuierlich gemacht wurde und kaum das Etikett "liberal" verdient.
Was? Die Steuern wurden gesenkt? Wann soll denn das mal passiert sein? Gut, Mitte/Ende der 80er mal unter Stoltenberg, aber das war auch ein laues Lüftchen, nur im Einkommensteuerbereich und schon nach wenigen Jahren von der kalten Progression aufgezehrt. Steffen
Also wenn ich mich recht erinnere, gab es zum 1.1.2004 eine Senkung der Einkommenssteuern. Ich habe damals nicht unerheblich davon profitiert. Zumindest gab es damals eine Absenkung des Eingangssteuersatzes und eine Anhebung des steuerfreien Minimums, ausserdem werden relativ oft Freibeträge angehoben. All das sind Änderungen, von denen auch Besserverdienende profitieren weil das am Ende der Progression das zum persönlichen Höchstsatz zu versteuernde Einkommen verringert.
Ist natürlich gut möglich, dass das alles inzwischen durch die kalte Progression wieder aufgrefressen wurde.
Ansonsten ist der FDP-Stufentarif für mich prinzipielle Augenwischerei. Auch die gegenwärtige Progressionslinie setzt sich aus vielen kleinen Stufen zusammen (pro 100€ eine Stufe). Die optische Vereinfachung ist keine wirkliche, weil heute sowieso jeder (oder sein Steuerberater) seine Steuererklärung am PC ausfüllt.
Dass das liberale Modell eine kräftige Steuersenkung bedeutet ist schön und auch wichtig, aber keine steuersystematische Sache sondern eine Frage der Wahl des Steuersatzes für die einzelnen Stufen. Nicht einmal die kalte Progression wird dadurch abgeschafft.
Zitat von KaterBleibt die erhebliche Senkung der Steuern. Aber das ist jetzt nichts, was nicht seir 10 Jahren kontinuierlich gemacht wurde und kaum das Etikett "liberal" verdient.
Was? Die Steuern wurden gesenkt? Wann soll denn das mal passiert sein? Gut, Mitte/Ende der 80er mal unter Stoltenberg, aber das war auch ein laues Lüftchen, nur im Einkommensteuerbereich und schon nach wenigen Jahren von der kalten Progression aufgezehrt. Steffen
Also wenn ich mich recht erinnere, gab es zum 1.1.2004 eine Senkung der Einkommenssteuern. Ich habe damals nicht unerheblich davon profitiert.
Ja, diese leichte Senkung der Sätze gab es, gleichzeitig wurde aber zwischen 1999 und 2007 der Sparerfreibetrag von rund 3100 EUR auf 750 EUR gesenkt. Das hat mich auf jeden Fall mehr gekostet als die leichte Senkung der Sätze und Erhöhung der Freibeträge gebracht hat.
In Antwort auf: Zumindest gab es damals eine Absenkung des Eingangssteuersatzes und eine Anhebung des steuerfreien Minimums, ausserdem werden relativ oft Freibeträge angehoben. All das sind Änderungen, von denen auch Besserverdienende profitieren weil das am Ende der Progression das zum persönlichen Höchstsatz zu versteuernde Einkommen verringert.
Leider profitierten die Besserverdienenden nicht davon, dass gleichzeitig die Grenze, ab dem der Höchststeuersatz gilt, beständig reduziert (!) wurde: von rund 60000 EUR in 1999 auf rund 52000 EUR durch die Steuerreform 2004.
In Antwort auf: Ist natürlich gut möglich, dass das alles inzwischen durch die kalte Progression wieder aufgrefressen wurde.
Aber locker. Die 2004er Reform hat nicht mal beim Grundfreibetrag den Inflationsausgleich geschafft.
In Antwort auf: Ansonsten ist der FDP-Stufentarif für mich prinzipielle Augenwischerei. Auch die gegenwärtige Progressionslinie setzt sich aus vielen kleinen Stufen zusammen (pro 100€ eine Stufe). Die optische Vereinfachung ist keine wirkliche, weil heute sowieso jeder (oder sein Steuerberater) seine Steuererklärung am PC ausfüllt.
Da stimme ich Dir zu. Ob Stufentarif oder gleitender Tarif oder Pauschaltarif, im Endeffekt ergibt sich immer eine Progressionskurve (im letzten Fall durch den Grundfreibetrag).
In Antwort auf: Dass das liberale Modell eine kräftige Steuersenkung bedeutet ist schön und auch wichtig, aber keine steuersystematische Sache sondern eine Frage der Wahl des Steuersatzes für die einzelnen Stufen. Nicht einmal die kalte Progression wird dadurch abgeschafft.
Naja, die kalte Progression wird ja hoffentlich durch ein einfaches Gesetz ausgehebelt werden - man hat ja alle Daten bereit, es braucht ja nur die Inflationsrate von Destatis, und fertig.
"gleichzeitig wurde aber zwischen 1999 und 2007 der Sparerfreibetrag von rund 3100 EUR auf 750 EUR gesenkt."
Stimmt, das war komplett unlogisch und unsystematisch. Egal, ob man das nun als Subvention oder als Ausnahmetatbestand, der die Steuergesetzgebung nur kompliziert macht, ansieht, gehört das Ding nicht auf 750€ gesenkt, sondern ganz abgeschafft.
Zitat von Kater"gleichzeitig wurde aber zwischen 1999 und 2007 der Sparerfreibetrag von rund 3100 EUR auf 750 EUR gesenkt." Stimmt, das war komplett unlogisch und unsystematisch. Egal, ob man das nun als Subvention oder als Ausnahmetatbestand, der die Steuergesetzgebung nur kompliziert macht, ansieht, gehört das Ding nicht auf 750€ gesenkt, sondern ganz abgeschafft. Da gebe ich Dir vollkommen recht.
Exakt so ist es. Dann muss nur noch die Inflationsrate steuerfrei gestellt werden bei Kapitaleinkünften (denn schließlich hat der Staat durch sein Geldmonopol hier ja alle Stellschrauben in der Hand), und gut is'.
Da sind wir völlig einer Meinung. Kluge Köpfe wie Manfred Rose mit seinem Einfachsteuersystem predigen das schon seit Jahren wenn nicht Jahrzehnten.
Der Sparerfreibetrag ... die Intention war wohl mal, dem Kleinsparer beim Aufbau eines bescheidenen Vermögens aus seinem versteuerten Einkommen nicht nochmal in die Tasche zu fassen, sondern ihn dabei zu unterstützen.
Nehmen wir mal 3% Rendite/Zinsen an, dann darf das zusammengekratzte Vermögen ja nur noch schlappe 25.000 Euro sein. Damit kommt selbst eine bescheiden lebende Oma Krause nicht besonders weit, wenn sie sich etwa in ein Altenstift einkaufen oder die gesetzlichen Pflegeleistungen aufpeppen will! Dieser Freibetrag ist ein Witz, man solle ihn tatsächlich besser abschaffen.
Der Sparerfreibetrag hat sich schon deshalb überlebt weil Ersparnisse für die Altersabsicherung auf andere Weise und viel höher entweder steuerlich und/oder über direkte Zuwendungen vom Staat gefördert werden. Riester, betriebliche Altersvorsorge, Wohneigentum usw. Und Ersparnisse mt kurz- oder mittelfristigem Anlagehorizont durch einen Freibetrag zu stützen ist Quatsch.
Und ich dachte immer, dass der verbliebene Sparerfreibetrag nur dazu da war, dass die Oma mit 5000€ auf dem Sparbuch keine Steuererklärung machen muss (Arbeitsüberlastung der Finanzämter).