Bei diesen 203 untersuchten Sachverhalten wurde 50mal U-Haft angeordnet. In 5 Fällen (10%) dauerte die U-Haft länger als 200 Tage (3 davon waren Ausländer - auch wenn das hier nichts zur Sache tut). Die längste U-Haft dauerte 497 Tage, die zweitlängste 490 Tage - mehr als doppelt so lang wie die U-Haft von Marco.
rw
Hi Redwolf,
danke für diese Information. Das wusste ich nicht und ich lehne eine so lange U-Haft Jugendlicher ab. Zu mal die Haftentschädigungen im Falle eines Freispruchs ja lächerlich gering sind.
MfG Frank
Jetzt möchte ich nurnoch eine Angabe, wo da drin steht, dass die so lange einsitzenden auch minderjährig waren. Das habe ich nicht finden können. Das Durchschnittsalter der Inhaftierten betrug 18,7 bzw. 18,9 Jahre, über die Hälfte war also volljährig und würde uns hier garnicht beschäftigen.
Zitat:
"§ 121
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet."
Hierzulande muss also jede Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus extra angeordnet werden. Ob es eine Sonderregelung für Minderjährige gibt, suche ich gerade.... erfolgslos.
Jetzt möchte ich nurnoch eine Angabe, wo da drin steht, dass die so lange einsitzenden auch minderjährig waren. Das habe ich nicht finden können. Das Durchschnittsalter der Inhaftierten betrug 18,7 bzw. 18,9 Jahre, über die Hälfte war also volljährig und würde uns hier garnicht beschäftigen.
Es ist mir leider zu lästig, Dir alles zu erklären.
Nur so viel: In Deutschland werden 19-21jährige wie Minderjährige behandelt, wenn ihnen die sittliche Reife fehlt. Deshalb sind auch über 18jährige Gegenstand der Untersuchung. Nichtsdestotrotz zeigt die Untersuchung, daß auch Minderjährige bei uns länger als 6 Monate in U-Haft sitzen können.
Ich weiß, daß das so ist, weil ich lesen kann. Ob Du das nun glaubst oder nicht, obwohl Du eine solche Untersuchung vor Dir hast, ist mir wirklich ziemlich egal. Quatsch einfach weiter, was Du in den Medien liest.
Lexx schrieb am 18.12.2007 17:11
Zitat:
"§ 121
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet."
Hierzulande muss also jede Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus extra angeordnet werden. Ob es eine Sonderregelung für Minderjährige gibt, suche ich gerade.... erfolgslos.
Das Gericht in der Türkei hat die Fortdauer auch immer wieder angeordnet.
Wo ist eigentlich Dein Problem? Es ging mir um die Tatsache, daß in Deutschland Jugendliche länger als 6 Monate in U-Haft sitzen können und dies auch tun.
Deshalb zurück zu meiner Frage: Gegen welchen obskuren europäischen Wertemaßstab verstößt die Türkei, wenn sie einen Jugendlichen aufgrund richterlicher Anordnung für 8 Monate in U-Haft sitzen lässt?
Anonymer User schrieb am 18.12.2007 17:21
Deshalb zurück zu meiner Frage: Gegen welchen obskuren europäischen Wertemaßstab verstößt die Türkei, wenn sie einen Jugendlichen aufgrund richterlicher Anordnung für 8 Monate in U-Haft sitzen lässt?
Entweder du stellst dich dämlich oder du bist die mit Abstand bescheuertste Person im deutschen Rechtsdienst die mir bisher vorgekommen ist.
Aber ich werde dir mal wieder helfen, obwohl mir für solchen Quatsch eigentlich die Zeit zu schade ist; schau dir mal die Grundrechtcharta der Europäischen Konvention an, KAPITEL VI JUSTIZIELLE RECHTE. Ich zitiere: Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Ich denke wir sind uns alle einig, dass die angemessene Frist längst verstrichen ist. Und genau das hat das türkische Gericht ja nun auch eingesehen. Es ist ja wegen fehlender Unterlagen immer noch nicht in der Lage hier einen Prozess auszurichten und nur deshalb ist Marco auf freiem Fuss.
Anonymer: "Nichtsdestotrotz zeigt die Untersuchung, daß auch Minderjährige bei uns länger als 6 Monate in U-Haft sitzen können."
Es gibt Volljährige, die über 6 Monate in Untersuchungshaft gesessen haben, das steht da. Das sind nach der Untersuchung vermutlich Härtefälle mit mehrfachen Vorstrafen. Dass darunter auch Minderjährige sind, habe ich dagegen nirgendwo entdecken können. Zwar wurden alle Häftlinge nach Jugendstrafrecht behandelt, aber auch das unterscheidet formal wie praktisch zwischen Jugendlichen (14-17 J) und Heranwachsenden (18-20 J), weswegen das Argument 'Jugendstrafrecht' einer 6-Montags-Grenze für Minderjährige nicht entgegen steht.
Deswegen bezweifle ich wie vor und bis zum Beweis des Gegenteils, dass es in Deutschland (in der EU) gängige Praxis ist, Minderjährige (nach dem Gesetz: Jugendliche!) länger als 6 Monate in U-Haft zu bringen.
"Gegen welchen obskuren europäischen Wertemaßstab verstößt die Türkei, wenn sie einen Jugendlichen aufgrund richterlicher Anordnung für 8 Monate in U-Haft sitzen lässt?"
Wenn du mich nach einem Obskuren Wertmaßstab fragst....gegen keinen.
Wenn du mich nach einem Wertemaßstab fragst..... dann den, der sich im EMRK niederschlägt, insbesondere Artikel 5 und 6. Wenn dir das nicht reicht, ergänze ich ganz allgemein die gängige Rechtspraxis in der EU, womit wir wieder zum ersten Absatz kommen und der Frage, ob in der EU (in Deutschland) Minderjährige länger als 6 Monate in U-Haft sitzen.
Wo du die richterliche Anordnung erwähnst: In Deutschland muss eine Verlängerung der U-Haft vom OLG geprüft werden, also nicht dem Gericht, das sich mit dem Fall beschäftigt. Ein nicht ganz unwichtiger Unterschied zum Marco-Verfahren in der Türkei, findest du nicht?
edit: Sehe gerade Parteis Antwort und stimme ihr zu.
Lexx schrieb am 18.12.2007 19:14
Wo du die richterliche Anordnung erwähnst: In Deutschland muss eine Verlängerung der U-Haft vom OLG geprüft werden, also nicht dem Gericht, das sich mit dem Fall beschäftigt. Ein nicht ganz unwichtiger Unterschied zum Marco-Verfahren in der Türkei, findest du nicht?
edit: Sehe gerade Parteis Antwort und stimme ihr zu.
Lexx,
da wird Dein Anliegen langsam schwachsinnig. Wenn Du meinst, Verfahrensunterschiede im Detail vergleichen zu müssen, dann kannst Du ja gleich die Frage stellen, warum die geographischen Koordinaten der Türkei nicht denen Deutschlands identisch sind.
Lexx schrieb am 18.12.2007 19:14
Deswegen bezweifle ich wie vor und bis zum Beweis des Gegenteils, dass es in Deutschland (in der EU) gängige Praxis ist, Minderjährige (nach dem Gesetz: Jugendliche!) länger als 6 Monate in U-Haft zu bringen.
Gängige Praxis ist es nicht, es ist eine Ausnahme.
Wäre es nicht sinnvoller, einfach mal selbst nach einer Regelung zu suchen, nach der eine Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten bei Jugendlichen per se ausgeschlossen ist.
Wenn Du der Meinung bist, daß die "angemessene Frist" der EMRK bei Jugendlichen unter keinen Umständen länger als 6 Monate sein kann, wäre es doch eingentlich der richtige Weg einfach mal zu zeigen, wo das steht. Wann genau hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das denn mit diesem Absolutheitsanspruch entschieden?
Wenn es nach Deiner Meinung so elementar wichtig ist, daß Jugendliche anders zu behandeln sind als Erwachsene, obwohl die EMRK diese Unterscheidung nicht vornimmt - warum steht das dann nirgends? Warum hat man das nicht in das JGG reingeschrieben?
Lexx schrieb am 18.12.2007 19:14
Wenn du mich nach einem Wertemaßstab fragst..... dann den, der sich im EMRK niederschlägt, insbesondere Artikel 5 und 6. Wenn dir das nicht reicht, ergänze ich ganz allgemein die gängige Rechtspraxis in der EU, womit wir wieder zum ersten Absatz kommen und der Frage, ob in der EU (in Deutschland) Minderjährige länger als 6 Monate in U-Haft sitzen.
Auch wenn Du nach 2 Std. googeln nach eigener Einschätzung wohl kurz vor der Doktorwürde in Jurisprudenz stehst, empfehle ich die Lektüre eines Interviews des Sterns vom 22.11., also zu einem Zeitpunkt als Marco schon länger als 6 Monate in U-Haft saß.
Der Interviewte hat vermutlich nicht ganz Deine Erfahrung und sicher nicht so eine intime Kenntnis der EMRK und der "gängigen Rechtspraxis in der EU". Aber immerhin hat er es ja doch zum Professor der Rechtswissenschaften gebracht.
Auszug:
"Wie bewerten Sie das Verhalten der türkischen Justiz im Fall Marco W.? Erkennen Sie offensichtliche Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien?
Ich erkenne derzeit noch keine offensichtlichen Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien. Das türkische Gericht beachtet die Grundsätze des Schutzes minderjähriger Angeklagter, die Regeln der Verteidigung und des rechtlichen Gehörs. "
Anonymer:
Du hast mich mit deinen unumstößlichen Fakten und schlagenden Argumenten erleuchtet!
Bitte verzeih', dass ich irrgläubig war. Ich werde von nun an dein Wort verbreiten und verteidigen, auf dass niemand dir mehr widerspreche!
Wäre es nicht sinnvoller, einfach mal selbst nach einer Regelung zu suchen, nach der eine Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten bei Jugendlichen per se ausgeschlossen ist.
Falsch, eine Regelung muss nicht expressis verbis ausgeschlossen werden, wenn sie ihrem Sinn widerspricht. Das versteht jeder Jura Erstsemestler, nur du nicht.
Was soll das werden, wenn es fertig ist? Redwolf hat seine Argumentation mit Fakten hinterlegt. Er hat gezeigt, dass ein solcher Fall auch in Deutschland möglich wäre. Er hat gezeigt, dass durch das Gericht keine grundsätzlichen Rechtsnormen verletzt worden sind. DP und Lexx, auf mich wirkt eure überzogene Reaktion ein wenig wie ein trotziges mit-dem-Fuß-auf-den-Boden-stampfen.
Was übrig bleibt, ist Verbitterung darüber, dass die englische Mutter den Prozess überhaupt ins Rollen gebracht hat - dafür kann das türkische Gericht nichts.
Übrig bleibt, dass von englischer Seite gemauert wurde, wo nur ging - dafür kann das türkische Gericht nichts.
Übrig bleibt, dass die realen Haftbedingungen in der Türkei nicht exakt den realen Haftbedingungen in Deutschland entsprechen. Das gilt aber für so ziemlich jedes andere Land auch - Deutschland hat nun mal einen sehr speziellen gehobenen Anspruch an die Unterbringung von Häftlingen.
Übrig bleibt, dass _möglicherweise_ bei einem anderen Richter die U-Haft etwas kürzer gedauert hätte. Das ist der Rest von Individualität im Justizwesen: Richter haben -gewollt- einen minimalen Spielraum zur Interpretation zur Verfügung.
Mich haben Redwolfs Erklärungen überzeugt und ich habe meine harsche Position zum türkischen Gericht revidiert.
die deutsche Öffentlichkeit hat ganz einfach in einer Art Reflex (wenn man so will, antitürkisch) erst mal die Rechtsstaatlickeit der Türkei in Frage gestellt und sich selbst disqualifiziert. Das Verfahren ist für das türkische Gericht genauso schwierig wie für ein deutsches, wenn Ausländer auf deutschem Boden in ein Verfahren verwickelt sind, und das Verfahren auf Daten aus dem Ausland angewiesen ist. Ungünstig kommt hier hinzu, dass der Angeklagte in der Türkei festgesetzt wurde, die Klägerin aber im Ausland lebt, und womöglich keinerlei großes Interesse an einer schnellen Aufklärung hat.
Dass die Mutter überhaupt den Fall der Polizei gemeldet hat, darf ihr eigentlich nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sonst sind wir an dem Punkt, dass Vorfälle totgeschwiegen werden sollen.
Ich frage mich eher, welche Hebel es gibt, das Interesse der Klageseite an einer schnellen Beweisaufnahme zu stimulieren. Wo ist die Grenze, dass ein Angeklagter in U-Haft gehalten werden kann, bis die eine oder andere Übersetzung endlich mal angefertigt ist, oder ein Gutachten erstellt ist?
Naja,
für mich persönlich stellen sich schon noch ein paar Fragen. Zum Beispiel, warum Haftentschädigungen so lächerlich gering sind - speziell auch in Deutschland. Danach stellt sich mir die Frage, ob es in der Türkei eigentlich keine eigenständigen Jugenhaftanstalten gibt. Oder ob es Hausarrest nicht auch getan hätte. Und alles in allem bleibt mir schon der Beigeschmack übrig, dass die U-Haft länger war, als nötig - aber eben doch im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit.
Und abseits des Rechtssystems bleibt bei mir der schale Geschmack zurück, dass man solche Typen wie diese englische Mutter leider nicht packen kann. Ich kann sie verabscheuen, aber mehr auch nicht.