Kodo schrieb am 14.09.2008 12:22
Nur die Verteilung muss gerecht sein.
Was schwierig ist.
Nicht schwierig; unmöglich. Es gibt keine gerechte Verteilung, nur den status quo und davon abweichende Entscheidungen, die wiederum selber kleine neue Ungerechtigkeiten generieren.
... weil es keine objektive Gerechtigkeit gibt.
Was z.b. ist eine "gleiche" Belastung? Absolut gleich (Kopfpauschale), relativ gleich (Flat Tax) oder so, dass es gleich stark spürbar ist (progressive Belastung)?
Richtig und man darf auch nicht die zeitliche Komponente der sogenannten Gerechtigkeitsverteilung vergessen; wer 10 Jahre der Ausbildung hinter sich bringt mit Abi, Studium und Traineezeit hat meist 10 Jahre Rückstand im Verdienst. Warum es dann "gerecht" ist, wenn im Jahr 11, wenn sich die Früchte im Verdienst bezahlt machen, diese Früchte an diejenigen verteilt werden, die 10 Jahre vielleicht nichtmal normal gearbeitet haben, versteht wohl nicht mal Lafontaine, wenn er ehrlich wäre.
Vielleicht etwas übertrieben; aber grundsätzlich hat Schmidt recht.
Seine Übertreibung wird verständlich im Hinblick auf Lafontaines Vergleich 1982:
"Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. [...] Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben." - 15. Juli 1982 im STERN zur Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss
Lexx schrieb am 14.09.2008 15:29 "Es gibt keine gerechte Verteilung"
... weil es keine objektive Gerechtigkeit gibt.
Was z.b. ist eine "gleiche" Belastung? Absolut gleich (Kopfpauschale), relativ gleich (Flat Tax) oder so, dass es gleich stark spürbar ist (progressive Belastung)?
Gerechtigkeit ist immer eine Annäherung, Auseinandersetzung und Verhandlung.
Aber ohne Gerechtigkeit funktioniert das menschliche Zusammenleben nicht oder mangelhaft.
Niemand ist autonom.
DP schrieb am 14.09.2008 15:45
Richtig und man darf auch nicht die zeitliche Komponente der sogenannten Gerechtigkeitsverteilung vergessen; wer 10 Jahre der Ausbildung hinter sich bringt mit Abi, Studium und Traineezeit hat meist 10 Jahre Rückstand im Verdienst. Warum es dann "gerecht" ist, wenn im Jahr 11, wenn sich die Früchte im Verdienst bezahlt machen, diese Früchte an diejenigen verteilt werden, die 10 Jahre vielleicht nichtmal normal gearbeitet haben, versteht wohl nicht mal Lafontaine, wenn er ehrlich wäre.
Die 10 Jahre Ausbildung sind das Ergebnis des Mittuns vieler Mitmenschen.
Es sei denn, man bildet sich selbst aus und erfindet die Welt für sich alleine ohne Hilfe Anderer.
Das sehe ich nicht. Er hat nur darauf hingewiesen, dass eine Facette des Diamanten Lafontaine einer Facette des Diamanten Hitler ähnlich ist. Das ist die Nazikeule, um seiner Argumentation Gewicht zu verleihen, aber kein Vergleich von Personen.
"Gerechtigkeit ist immer eine Annäherung, Auseinandersetzung und Verhandlung.
Aber ohne Gerechtigkeit funktioniert das menschliche Zusammenleben nicht oder mangelhaft.
Niemand ist autonom. "
Gerechtigkeit entsteht aber immer im Diskurs zwischen Menschen. "Etwas ist gerecht" ist keine Feststellung, sondern eine Meinung und die Wertung "gerecht" oder "nicht gerecht" unterliegt den eigenen Präferenzen, Moral- und Wertvorstellungen.
Deswegen werden Begriffe wie "soziale Gerechtigkeit" auch so kontrovers diskutiert, weil "sozial gerecht" für jeden einzelnen etwas anderes bedeuten kann.
Die 10 Jahre Ausbildung sind das Ergebnis des Mittuns vieler Mitmenschen.
Ja, das sind 1:1 die Phrasen, die man sich als angehender Akademiker in der DDR vom Abi bis in den Beruf bis zum Erbrechen anhören durfte. Man hatte dem Arbeiter- und Bauernstaat dankbar zu sein dafür, dass man studieren durfte. So richtig tragfähig war diese Art der Kanalisierung der Intelligenz nicht wirklich. Die DDR hatte etwa ab Anfang der 80er technologisch den Anschluss an die Welt verloren.
Aus meiner Sicht kann ich nur davor warnen, ein neues Verteilungsfass auf Kosten der gut ausgebildeten aufzumachen. Die müssen heute schon in Deutschland mit ihren Kollegen in Osteuropa und Asien konkurrieren, werden also lange nicht mehr so üppig bezahlt wie in den fetten 70ern, haben dann aber noch locker 50% Steuern und Abgaben auf ihr Brutto, sind also ohnehin schon die, die den ganzen Verteilungsapparat im wesentlichen finanzieren.
Vielleicht etwas übertrieben; aber grundsätzlich hat Schmidt recht.
Seine Übertreibung wird verständlich im Hinblick auf Lafontaines Vergleich 1982:
"Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. [...] Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben." - 15. Juli 1982 im STERN zur Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss
"Liebe Freunde, 1982 hat Euch Herbert Wehner zugerufen, es werde 15 Jahre brauchen, ehe wir Sozis die Bundesregierung wieder übernehmen könnten. Heute, bald 16 Jahre später, sind endlich die Chancen gut und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, daß wir im Herbst die Verantwortung übernehmen. Wem verdanken wir diese hohe Wahrscheinlichkeit? Zum einen der politischen Vernunft und der Selbstdisziplin, welche unsere Partei wiedergefunden hat – nicht zuletzt das Verdienst von Oskar Lafontaine."
-Helmut Schmidt auf dem SPD-Parteitag in Leipzig am 17. April 1998
Ja, da kannst du mal sehen, was Selbstdisziplin und das Zurücknehmen eigener Befindlichkeiten sind. So etwas kann der Egomane Lafontaine nicht. Kaum hatte er den Machtkampf mit Schröder verloren, schmiss er die Brocken hin.
Ich kann es den Sozen nicht verdenken, wenn sie den miesen Charakter, die persönliche Labilität und Unzuverlässigkeit Lafos zum Wahlkampfthema machen.
Trotzdem verbietet sich eigentlich der Vergleich mit Adolf Nazi. Irgendwie komisch, dass unsere Altvorderen (Kohl verglich ja Gorbi und Thierse mit Goebbels und die Däubler rückte Bush in die Nähe vom Führer) mit solchen Vergleichen weit schludriger umgehen als die Generation der um die 50jährigen, die das doch hätte befreiter machen können.
DP schrieb am 15.09.2008 07:56
Trotzdem verbietet sich eigentlich der Vergleich mit Adolf Nazi. Irgendwie komisch, dass unsere Altvorderen (Kohl verglich ja Gorbi und Thierse mit Goebbels und die Däubler rückte Bush in die Nähe vom Führer) mit solchen Vergleichen weit schludriger umgehen als die Generation der um die 50jährigen, die das doch hätte befreiter machen können.
Gar nicht komisch.
Die "Altvorderen" haben sich offensichtlich durch die bescheuerte "Political Correctness" und das allenthalben vorherrschende Pussyfooting nicht so verbiegen lassen, daß sie sich scheuen würden, auch mal einen grobschlächtigen Vergleich zu bemühen, um ihre Nachricht "rüberzubringen".
Natürlich erschallt jetzt prompt das Wehgeschrei der politisch korrekten Weicheier und Turnbeutelvergesser, und ich erwarte auch, daß Margarete Schreinemakers wieder ihr empörtes "...geht gar nicht" in die Mirkrophone heult, aber schlimm fand ich Schmidt-Schnauzes Spruch überhaupt nicht.
Es kommt halt immer darauf an, wer in welcher Situation die Adolf-Keule schwingt und wie dünn das Eis ist, auf dem er selber steht.
Schmidt kann die Empörung ziemlich wurscht sein. Sie wird seiner Popularität nicht schaden. Zumal das Geheul des getroffenen Hundes am lautesten ist. Er kann die Pfeile so auf sich ziehen und die aktiven SPD-Granden brauchen sich durch solche Vergleiche nicht in Gefahr bringen.
Kohls Gorbi-Adolf Vergleich war unbedacht und ein Fehler. Es dauerte eine Weile, die erzeugte Verstimmung zu reparieren - aber letztlich wurde doch noch eine Männerfreundschaft daraus.
Herta Däubler-Dingsbums hatte mit ihrem Bush-Adolf Vergleich ein klassisches Eigentor geschossen. Die Empörung der damaligen Opposition war natürlich nicht echt, sondern ein Instrument um die Dame aus dem Amt zu prügeln. Und Schröder war vielleicht ganz froh, dass er die ungeliebte Genossin auf diese Weise los wurde.
Ich denke, die Politakteuere sollten mit der Adolf-Keule vorsichtig umgehen, damit sie ihre Durchschlagskraft behält. Wäre schade drum, wenn sie durch Inflationierung stumpf würde, und ein gleichwertiger Ersatz wäre schwer zu finden.
So abwegig scheint Schmidts Lafo-Vergleich auch abseits der Polemik gar nicht zu sein. Wie ich gerade in Spiegel Online lese, fordert Lafo die Enteignung großer deutscher Privatvermögen und stellt sich damit ganz von selbst in die Reihe großer deutscher extremistischer Führer.
Interessant ist für mich dabei die Frage, ob auch dies gut kalkulierter Populismus ist oder ob er mit solchen Forderungen den Bogen überspannt und für so etwas nur noch von den Mirks der Nation Beifall bekommt.