Spock schrieb am 07.12.2008 19:27
Aber warum haben sie dieses böse Detail nicht öffentlich gemacht?
Weil sie ja sonst als gemeine Meuchelmörder dastünden; als Heckenschützen, die Ypsilanti in der Dunkelheit der geheimen Abstimmung nicht wählen wollen. So konnten sie das Ganze als Gewissensentscheid verkaufen. Aber man darf wohl annehmen, dass sie bei der Möglichkeit einer tatsächlich geheimen Wahl von dieser auch Gebrauch gemacht hätten.
"Zwei Tage vor der Wahl wird bestimmt, dass die Stimmabgabe jedes Abgeordneten der SPD Fraktion per Fotohandy dokumentiert werden muss (oder es droht der Ausschluss)."
Wo steht das eigentlich ?
In dem verlinkten Artikel steht da nämlich nichts von, aber vielleicht gibt es ja noch eine andere Quelle.
Ist doch logisch; Wenn man 10 potenzielle Abweichkandidaten hat und diese bedrängt ihr Wahlverhalten zu dokumentieren und 6 machen das und 4 nicht und am Ende hat man 4 Nein Stimmen über Gebühr dann sind die Abweichler bekannt und dann folgt das Szenario, das wir jetzt sehen; Mobbing, Ausschluss, Verunmöglichung der Neukandidatur.
Na die offizielle und gar nicht so unglaubwürdige Lesart ist nun, man habe derartiges diskutiert, aber es gab keine verbindliche Anweisung. Eine verbindliche Anweisung wäre auch zu gefährlich gewesen, dessen war man sich bewusst und hat den Plan vielleicht sogar fallengelassen.
Es ist doch aber fast egal, wie formell oder verbindlich der Plan war. Allein die Existenz solcher Ideen wirft einen neuen dunklen Schatten auf die Hessen-SPD. Das Bild von der angeblichen Einheitsfront hinter Y und der bösen Überraschung durch die Abweichler ist nun gar nicht mehr glaubhaft.
Spock: "Allein die Existenz solcher Ideen wirft einen neuen dunklen Schatten auf die Hessen-SPD."
Ich will garnicht wissen, welche Ideen einem Herrn Schäuble in so mancher dunkler Stunde kommen. Die Existenz von Ideen sagt garnichts. Wenn sie auch geäußert und diskutiert werden ist das schon eine andere Sache.
Naja Lexx, das hier ist schon weit mehr als nur eine Idee: Zwar hatte der Landtagspräsident eigens laminierte Stimmzettel drucken lassen, die mit einem Dorn perforiert werden sollten, um zu verhindern, dass Abgeordnete durch Markierungen als Abweichler identifiziert werden könnten. Mehrere sozialdemokratische Abgeordnete haben jedoch der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet, dass sie von Kollegen mal „wohlwollend“, mal „drängend“ aufgefordert worden seien, mit einem Handyfoto zu beweisen, dass sie bei der bevorstehenden Ministerpräsidentenwahl ihre Stimme Andrea Ypsilanti gegeben hätten.
Schon der Eingang legt nahe (oder gabs da gar eine Absprache zwischen Union und SPD Abweichlern?), dass hier arge Zweifel an der tatsächlichen Geheimhaltung der Wahl bestehen. Wie "drängend" letztlich die Aufforderungen waren werden wir wohl nie wissen aber wenn man in dem Zusammenhang die Manipulationen um die Ypsilanti/Walter und andere SPD interne Wahlen betrachtet scheint das schon System zu haben.
Ich will das nicht direkt vergleichen (wie Frank), aber das System der "freien und geheimen Wahlen", bei dem der tatsächliche Gang zur Wahlkabine beobachtet, notiert und später Konsequenzen für die Karriere hat ist mir wohlbekannt.
Aber machen wir uns mal nichts vor, an dem Punkt nehmen sich die Parteien nichts. Kohl war auch ganz gross darin, missliebige Parteigenossen kaltzustellen, dazu brauchte es nicht mal ein fehlendes Handyphoto. Es reichte schon, nicht offen für ihn zu sein.
So gesehen ist die "Idee" einzelner SPD Genossen sogar ein Fortschritt, die schlagen den Leuten wenigstens im vorhineien vor, wie sie ihre Unschuld beweisen können. Die Regel ist doch eigentlich, dass alle potentiellen Kandidaten für "Fehlverhalten" in so einer Situation in jeder Partei politisch tot wären.
Die Idee als solche ist jetzt offiziell vom SPD-Sprecher bestätigt worden:
"Partei- und Fraktionssprecher Frank Steibli sagte hr-online, dass er von der Handyfoto-Diskussion bereits vor der Veröffentlichung des FAS-Berichts gehört habe. Die Idee sei aber in Gremien von Partei und Fraktion - also "offiziell" - nie vorgeschlagen oder offen angesprochen worden."
Anonymer User schrieb am 08.12.2008 10:03
Ich will das jetzt nicht schönreden.
Aber machen wir uns mal nichts vor, an dem Punkt nehmen sich die Parteien nichts. Kohl war auch ganz gross darin, missliebige Parteigenossen kaltzustellen, dazu brauchte es nicht mal ein fehlendes Handyphoto. Es reichte schon, nicht offen für ihn zu sein.
So gesehen ist die "Idee" einzelner SPD Genossen sogar ein Fortschritt, die schlagen den Leuten wenigstens im vorhineien vor, wie sie ihre Unschuld beweisen können. Die Regel ist doch eigentlich, dass alle potentiellen Kandidaten für "Fehlverhalten" in so einer Situation in jeder Partei politisch tot wären.
Gruss
Kater
Ich will das jetzt nicht aufbauschen. Fraktionsdisziplin, Abstimmungszwänge und fraktionale Probeabstimmungen gehören für jede Partei zum Alltag politischen Agierens. Und natürlich werden hin und wider Querschläger parteiübergreifend kalt gestellt, keine Frage. Aber: Es hat ja einen Sinn, dass mindestens eine Abstimmung in der Legislatur geheim vollzogen wird, die Wahl zum Regierungschef, damit offensichtlich ist für alle dass der Chef die Mehrheit des Parlamentes hinter sich hat. Ab dann darf ja gern gekungelt werden aber der Punkt muss einfach klar sein.
Mir war gestern schon 100% klar, dass Kater prompt mit der CDU angeschissen kommt.
Das mit Kohl sind ja nun wirklich alte Klamotten aber die Partei hatte auch gut an seinem Erbe zu verdauen. Kater, erinnere mich dran: Wenn es bei der CDU mal einen vergleichbaren Vorgang gibt, mache ich gerne mit beim Draufhauen, ans Herz gewachsen ist mir der Verein nicht. Im Moment ist es aber nunmal die SPD, die in ihrer Zerreißprobe ein desaströses Bild abgibt und sogar demokratische Institutionen wie die geheime Wahl angekratzt werden.
"Mir war gestern schon 100% klar, dass Kater prompt mit der CDU angeschissen kommt."
Nun, wenn ich jetzt schreibe, dass die SPD das schon mal gemacht hat, ist der Erkenntnisgewinn in diesem konkreten Zusammenhang ja eher gering
Es ging mir eher darum, dass das eben kein Einzelfall ist, es hat schon immer massiv Druck auf Abgeordnete gegeben, im Sinne der Fraktion zu stimmen. Dabei ist Y. noch nicht mal besonders schlimm.
Die Frage ist sogar, ob Politik ohne diesen Druck überhaupt funktionieren kann. Eine Regierung mit wechselnden Mehrheiten, wie sie ja sonst nötig wäre, gilt nicht zuletzt als extrem gefährlich.
Das Thema Geheimhaltung spielt doch dabei höchst selten eine wirkliche Rolle, die gefährlichen Personen sind doch sowieso vorher bekannt.
Persönlich sehe ich da im Politikbetrieb noch ganz andere Probleme, die angebliche Unabhängigkeit der Abgeordneten ist ja generell nur ein Witz. In den Fraktionen sind die Abgeordneten doch sowieso nur Stimmvieh, welches die Gedanken der hohen Funktionäre allenfalls abnicken darf.
Dabei ist dieser Fall eher eine Petitesse, die das allenfalls mal etwas konkreter sichtbar werden lässt.
kater_5 schrieb am 08.12.2008 11:44
Die Frage ist sogar, ob Politik ohne diesen Druck überhaupt funktionieren kann.
Gruss Kater
Ich bezweifle, dass US-amerikanische Abgeordnete dieser Aussage zustimmen würden.
OK, die haben dafür andere Macken.
Ansonsten stimme ich Spock zu: ich möchte das jetzt nicht so verstanden wissen, dass ich entsprechende Vorfälle bei der CDU schön reden würde. Wenn bei denen auch so etwas ans Tageslicht kommt, werde ich der erste sein, der das anprangert!
Im übrigen stehe ich kruz vor der Resignation: wenn ich in meinem Umfeld mit Verwandten und Kollegen spreche und als Ausweg aus dieser Miesere mehr direkte Demokratie vorschlage (Direktwahlen, Abschaffung der Listenwahl, Volksentscheid), ernte ich nur Ablehnung.
Der tumbe Pöbel wäre zu blöd für echte Entscheidungen, heisst es dann verklausuliert, schlimm genug, dass die alle paar Jahre wählen dürften. Nee, nee, die Politik sei bei den "Profis" schon besser aufgehoben.
Entsetzlich. Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.
MfG Frank
kater_5 schrieb am 08.12.2008 11:44
Es ging mir eher darum, dass das eben kein Einzelfall ist, es hat schon immer massiv Druck auf Abgeordnete gegeben, im Sinne der Fraktion zu stimmen. Dabei ist Y. noch nicht mal besonders schlimm.
Dabei ist dieser Fall eher eine Petitesse, die das allenfalls mal etwas konkreter sichtbar werden lässt.
Ja kenne ich alles diese Beschwichtigungs und Ausrederhetorik. Die Mauer musste schliesslich gebaut werden, weil der Westen die DDR sonst ausgeblutet hätte und die Stasi ist nur ein ganz normaler Dienst, wie ihn jeder Staat der Welt hat, da ist absolut nichts ungewöhnliches dran. Mit Deiner Prinzipienlosigkeit (sorry) hättest du das auch schnell drauf gehabt.
Zitat:
kater_5 schrieb am 08.12.2008 10:03
Ich will das jetzt nicht schönreden.