"noch dazu vor dem Hintergrund, dass die reichsten Menschen in Deutschland gerade die Eigentümer dieser Einzelhandelsketten sind."
Da kannst Du eigentlich nur die Gebrüder "Aldi" meinen.
Da triffst Du zumindest für Aldi-Süd den Falschen. Ich habe mir mal vor etwa 2 Jahren die Gehälter bei Aldi-Süd angeschaut - einer 40-Stunden-Kraft wurden da € 2.600 geboten. Finde ich jetzt schon jenseits der Mindestlohn-Diskussion angesiedelt.
Gruß WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat Nein, nicht Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftliche Gegebenheiten. Im Klartext: Ein befristeter Vertrag ist zum Beispiel dann gerechtfertigt, wenn für eine überdurchschnittlich gute Auftragslage Zusatzkapazitäten (an Arbeitskraft) gebraucht werden. Oder wenn als Vertretung eingestellt wird. Oder wenn für ein zeitlich befristetes Projekt oder Auftrag eingestellt wird.
Wenn befristete Verträge aber als Ersatz für reguläre Stellen geschlossen werden, damit der Arbeitgeber mehr Macht über den Arbeitnehmer hat, dann steht der gesellschaftliche Nutzen ggf. in Frage.
Und genau hier kommt man wieder zur Quote zurück. Stehen der gewachsenen Zahl an Fristverträgen entsprechende wirtschaftliche Unsicherheiten und/oder Schwankungen zugrunde? Oder spiegelt der Trend eine wachsende Wirtschaftsrationalität (= Gewinnmaximierung ohne Tabus) wider?
Das war uns ist von Anfang an als offene Frage gemeint, nicht als rhetorische.
Lexx, ich weiß nicht, was ich da noch schreiben soll. Martin und ich haben dir Denkansätze gegeben. Den Rest mit Gewinn ohne Tabu und so musst du besser mit dem Chefredakteur von der Jungen Welt diskutieren, vielleicht kann Mirk da was vermitteln.
Zitat Zusammengefasst: Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, müssen nicht in die Sozialauswahl einbezogen werden. Der ArbeitNEHMER muss ansonsten das Gegenteil BEWEISEN. Faktisch ist das fast unmöglich, es sei denn, der AG hat sich wirklich dämlich angestellt.
Kater, ich weiß nicht auf welchem Planeten du da lebst, aber man geht im Arbeitsrecht davon aus, dass Mitglieder derselben Abteilung oder desselben Bereichs mit denselben Aufgaben auch dieselbe Qualifikation haben. Das ist auch völlig logisch, führt aber dazu, dass keine dedizierten Kündigungen möglich sind, sondern die Sozialauswahl zuschlägt. So funktioniert das bei Kündigungsrunden, ich selber erlebt habe. Schön, wenn es bei dir anders war. Nur dann verstehe ich das ganze Gezerre in der Öffentlichkeit nicht, wenn wieder mal ein größeres Unternehmen Stellen abbaut und die Feilscherei bis in die Presse getragen wird. Wäre ja nach deiner Lesart alles nicht nötig. Halbes Monatsgehalt und Tschüss. Scheint aber doch nicht so einfach zu sein.
Mit derselben Regelung hätte man ja auch die Bulettendiebin kostengünstig loswerden können, wurde man aber nicht. Komisch, komisch,
Spock: Ich hatte mir Bewertungen als Antwort erhofft (ganz im Sinn des Threadtitels "schlecht?!"). Bewertungen dazu, wie die Situation in Deutschland aussieht. Ist die hohe Zahl an Fristverträgen ein Fortschritt oder ein Rückschritt, gut oder schlecht, wichtig oder irrelevant, begrüßenswert oder bedenklich, eine Folge geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen oder eine Folge geänderter Mentalität, ein Unterstützer von Flexibilität oder die Aushöhlung des Kündigungsschutzes? Oder eine Mischung aus beidem? Mit welcher Gewichtung?
Das sind die Fragen, die mich interessieren. Denn ich sehe über meine Bekanntschaften nur einen kleinen Ausschnitt aus der Gesamtwirtschaft. Ich sehe z. B. die Forschung, das Handwerk und Marketing-/Medien-/Modeberufe. Wie es in anderen Teilen der Wirtschaft mit befristeten Verträgen läuft, entzieht sich meiner direkten Kenntnis. Das heißt in letzter Konsequenz, meine Meinung und Wertung zu befristeten Verträgen KANN nicht endgültig feststehen, auch wenn ich vielleicht diesen Eindruck erweckt haben sollte.
verstehe, dann gehört das Thema aber eher in die Galeria. :)
Die Vorteile dieser Modelle aus unternehmerischer Sicht habe ich schon angedeutet. Wobei damit natürlich ein Wandel in den Unternehmenskulturen einhergeht, dessen Folgen wir erst später sehen. Die US-Amerikaner haben beispielsweise ein viel unemotionaleres pragmatischeres Verhältnis zu ihrem Job und ihrem Arbeitgeber, was nicht nur Vorteile für letzteren haben muss.
Was die Arbeitnehmerseite angeht, habe ich in den letzten zehn Jahren als externer Berater so einiges gesehen. Man hat da Leute, die mehrere Jahrzehnte am selben Schreibtisch gesessen haben. Die kennen jede Schraube in den Produkten und jedes Gesicht auf dem Flur und sind damit sicher auf gewisse Weise wertvoll fürs Unternehmen. Aber sie kennen eben auch nichts anderes. Lernfähigkeit und Horizont laufen Gefahr eingeschränkt zu werden. Die deutschen Unternehmen versuchen anscheinend in jüngerer Zeit, mit einem Mix an Stammbelegschaft und einer Schicht an externen oder befristeten Arbeitskräften zu fahren. Der Stamm trägt das Know-How und gibt die Richtung vor, die Externen schaffen Flexibilität und sorgen für etwas 'frischen Wind' von außen. Der Wechsel in die eine oder andere Richtung ist für den einzelnen durchaus möglich, wenn er will. Wer sich gut vermarkten kann, gewinnt dabei logischerweise.
Für Hochqualifizierte ist das Arbeiten als Externer durchaus lukrativ. Dass man in der Kantine nicht vergünstigt essen kann oder nicht zum Massagetermin beim Betriebsarzt gehen darf, kratzt einen da herzlich wenig. Bei normalen Angestellten oder Arbeitern mag das anders sein, die sind wohl schnell die zweite Klasse. Nach meiner Erfahrung tun die cleveren Arbeitgeber aber auch einiges, um keine Kluft in ihren Teams entstehen zu lassen, die wäre letztlich nur kontraproduktiv.
Was die Sicherheit in der Lebensplanung angeht, so ist die m.E. nur das Echo einer Illusion aus Deutschlands fetten Jahren. Mit dem Abbau der Staatsbetriebe wie der Post und der Modernisierung der Konzerne und Großbanken gibt es den sicheren Job auf Lebenszeit schon seit den 90er Jahren nicht mehr. Wie das zusammenpasst mit der klassischen bürgerlichen Existenz mit Eigenheim im Vorort, weiß ich nicht. Sicher gibt es auch in diese Richtung Auswirkungen. Die müssen aber nicht alle negativ sein.
"Kater, ich weiß nicht auf welchem Planeten du da lebst, aber man geht im Arbeitsrecht davon aus, dass Mitglieder derselben Abteilung oder desselben Bereichs mit denselben Aufgaben auch dieselbe Qualifikation haben. Das ist auch völlig logisch, führt aber dazu, dass keine dedizierten Kündigungen möglich sind, sondern die Sozialauswahl zuschlägt." Hab ja nichts anderes geschrieben. Allerdings kann der Unternehmer dann durchaus einzelne von dieser Sozialauswahl ausnehmen. Allerdings kann man sich die MA, die da gekündigt werden sollen, nur eingeschränkt selbst aussuchen.
" So funktioniert das bei Kündigungsrunden, ich selber erlebt habe. Schön, wenn es bei dir anders war. Nur dann verstehe ich das ganze Gezerre in der Öffentlichkeit nicht, wenn wieder mal ein größeres Unternehmen Stellen abbaut und die Feilscherei bis in die Presse getragen wird. Wäre ja nach deiner Lesart alles nicht nötig. Halbes Monatsgehalt und Tschüss. Scheint aber doch nicht so einfach zu sein." Das Problem ist bei diesen Unternehmen meistens, dass sie freiwillig Tarifverträge abgeschlossen haben, die solche Kündigungen verhindern. Wenn ein Unternehmen im Gegenzug zu Gehaltskürzungen oder Mehrarbeit Arbeitsplatzgarantien abgeben, müssen sie die natürlich wieder freikaufen. Ansonsten haben die Unternehmen durchaus ein Interesse daran, nicht als völlige Zombies dazustehen. Nokia hat die Übergangsgesellschaft in Bochum ja finanziert, obwohl sie dazu nicht verpflichtet waren. Aber sie hatten wohl Angst vor dem noch negativeren Image. Und nicht zuletzt kann es natürlich passieren, dass die Gewerkschaften mit Streiks den Laden einfach mal stilllegen.
Übrigends ist das auch in den USA anscheinend durchaus nicht so unüblich. Bei meinem Schwager in den USA haben die Leute bei der letzten Kündigungswelle ein Monatsgehalt/Jahr Abfindung bekommen.
"Mit derselben Regelung hätte man ja auch die Bulettendiebin kostengünstig loswerden können, wurde man aber nicht. Komisch, komisch," Man wollte wohl die Abfindung nicht zahlen. Bei Leuten, die 20 Jahre im Betrieb waren, kostet das ja schon richtig Geld. Es gibt aber auch tarifvertragliche Regelungen, die Kündigungen einschränken. So einen Fall habe ich auch schon erlebt, wo einem ältern MA gekündigt werden sollte. Dúmmerweise hatte man dem freiwillig die Bindung an den Tarifvertrag in den Arbeitsvertrag geschrieben, und der hat eine solche Kündigung an bestimmte Kriterien geknüpft, die nicht erfüllt waren. Da wurde natürlich auch heftig geschimpft, aber letzlich hat sich der AG die Suppe selbst eingebrockt.
Zitat "Ein funktionierendes Unternehmen wird immer seinen Gewinn maximieren. "
Dass jedes Unternehmen seinen Gewinn um jeden Preis steigern will halte ich für ein Ammenmärchen.
Er sprach ja auch vom funktionierenden Unternehmen und nicht von jedem Unternehmen ;)
Wer die "Hamwaschonimmasojemacht"-Strategie fährt, ist u.U. ebenso schnell unfunktionierend, wie jener, der sein soziales Herzchen entdeckt.
Ist halt so. Deshalb sind ja auch gesetzliche Rahmenbedingungen so wichtig (wäre Sklaverei nicht verboten, gäbs die Branche immer noch) - die man aber sinnvoll und dann knallhart realisieren muss.
Kater, das unterschreibe ich alles sehr gern. Wobei du nun deine ursprüngliche Aussage, betriebsbedingte Kündigungen seien in Deutschland kein Problem mehr, ganz schön untergraben hast. :)
Zitat Und ich sehe es auch nicht als Aufgabe der Gesellschaft an, dass man über die Hartz4 Zuschüsse die Gehälter im Einzelhandel subventioniert, noch dazu vor dem Hintergrund, dass die reichsten Menschen in Deutschland gerade die Eigentümer dieser Einzelhandelsketten sind. Somit kommen diese Hartz4 Zuschüsse faktisch direkt den reichsten Menschen in Deutschland zu Gute, die mit teilweise illegalen Methoden diese niedrigen Gehälter weiter sicherstellen.
Das ist im Prinzip schon der viel diskutierte Mindestlohn auf H4-Niveau. Realisiert, soll er dann etwas darüber liegen - und angeblich(!) voll vom AG bezahlt werden. Wird es aber sicher nicht, denn das wird einige Arbeitsplätze kosten und die AG jammern eh - also wird man einknicken und den bezuschussten Mindestlohn einführen - und dann sind wir wieder beim jetzigen Zustand.
Zitat von SpockKater, das unterschreibe ich alles sehr gern. Wobei du nun deine ursprüngliche Aussage, betriebsbedingte Kündigungen seien in Deutschland kein Problem mehr, ganz schön untergraben hast. :)
Dazu kommt, dass 'betriebsbedingt' ggf. vor Gericht dargelegt werden muss. Das kostet Unsicherheit, Geld und Zeit, was in einer kritischen wirtschaftlichen Lage lieber investiert wird. Das spart man sich bei befristeteten Einstellungen.
Zitat von SpockKater, das unterschreibe ich alles sehr gern. Wobei du nun deine ursprüngliche Aussage, betriebsbedingte Kündigungen seien in Deutschland kein Problem mehr, ganz schön untergraben hast. :)
Ich würde eher sagen, willkürliche Kündigungen sind ein Problem. Das finde ich auch grundsätzlich in Ordnung.
Und bei einer sauberen betriebsbedingten Kündigung wird keine Abfindung fällig.
Habe übrigends mal ein bischen zu dem Thema gegoogelt. Nur bei 10% der Kündigungen wird überhaupt geklagt, bei 60% der Kündigungen stimmt der Betriebsrat ausdrücklich zu (was dann eine Kündigungsschutzklage aussichtslos macht). Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen. Das sieht in den USA übrigends nicht viel anders aus. Zwar gibt es keinen formalen Kündigungsschutz, aber eben die Anti-Rassismus Gesetze und wohl zunehmend Case Law Entscheidungen zu dem Thema. Und eine Klage wegen Rassisimus kostet den AG ca. 80.000 US$ an Anwaltskosten.
Und bei allen Betrieben mit weniger als 10 MA gibt es gar keinen Kündigungsschutz.
Von daher finde ich die Aussage, dass der Kündigungsschutz in Deutschland zu scharf ist, nach wie vor übertrieben. Sicher würden die Unternehmen gerne beliebiger agieren, aber irgendwo muss man da auch Grenzen setzen. Und auch das Traumland USA hat da seine Grenzen.
Das könnte für die Diskussion hier vielleicht auch interessant sein: "Arbeit macht öfter seelisch krank - keine Arbeit auch
(...)Psychische Leiden waren 2008 für knapp elf Prozent aller Fehltage verantwortlich. (...) Demnach haben sich diese Krankschreibungen seit 1990 fast verdoppelt und verursachten überdurchschnittlich lange Fehlzeiten. Und hohe Kosten: Die Behandlungskosten für depressive Störungen lägen inzwischen bei mehr als vier Milliarden Euro im Jahr. (...) Als eine Ursache für die langen Fehlzeiten sehen die Psychotherapeuten wachsenden Leistungs- und Zeitdruck im Job in Verbindung mit verantwortlichen Aufgaben. Psychische Beschwerden häuften sich, wenn dazu noch schlechter Lohn, wenig Anerkennung für die Arbeit, kaum persönliche Wertschätzung und minimale Aufstiegschancen kämen." http://www.tagesschau.de/inland/jobkrank100.html
Zitat von SpockKater, das unterschreibe ich alles sehr gern. Wobei du nun deine ursprüngliche Aussage, betriebsbedingte Kündigungen seien in Deutschland kein Problem mehr, ganz schön untergraben hast. :)
Ich würde eher sagen, willkürliche Kündigungen sind ein Problem. Das finde ich auch grundsätzlich in Ordnung.
Wie definiert sich denn hier "Willkür"?
Zitat Und bei einer sauberen betriebsbedingten Kündigung wird keine Abfindung fällig.
Ich bin mir nicht sicher, ob es eine solche "saubere" Kündigung geben kann. Die gängige Rechtssprechung ist extrem arbeitnehmerfreundlich, und da der Arbeitgeber ein immenses Prozessrisiko trägt, wird er immer einer Abfindung zustimmen.
Zitat Habe übrigends mal ein bischen zu dem Thema gegoogelt. Nur bei 10% der Kündigungen wird überhaupt geklagt,
Ja klar, weil meistens eine Abfindnung gezahlt wird.
Zitat bei 60% der Kündigungen stimmt der Betriebsrat ausdrücklich zu (was dann eine Kündigungsschutzklage aussichtslos macht).
Das ist Quatsch. Gerichtsentscheidungen gegen den Arbeitnehmer haben Seltenheitswert, egal wie der Betriebsrat dazu steht. Übrigens ist das Vorhandensein eines Betriebsrates auch nicht die Regel.
Zitat Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen.
Ich nicht. Die allermeisten Arbeitgeber scheuen aus guten Gründen das Arbeitsgericht, deshalb zahlen sie in fast allen Fällen "freiwillig" eine Abfindung.
Aber wenn der Kündigungsschutz sowieso so zahnlos ist wie Du es scheinbar glaubst, können wir ihn ja abschaffen.
Zitat von LexxDas könnte für die Diskussion hier vielleicht auch interessant sein: "Arbeit macht öfter seelisch krank - keine Arbeit auch"
"Die Macht der Arbeit hängt vor allem von der Schwäche und der Selbstverachtung ab, die sie verewigt – aber welch furchterregende Macht und welch verheerende Wirkung auf jene soziale Schicht, die als »arbeitslos« bezeichnet wird! Welches Manko, dessen beraubt zu sein, was einem das Leben raubt!" --Raoul Vaneigem, An die Lebenden! Streitschrift gegen die Welt der Ökonomie.
"Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen. Wer nicht einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen - der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schusshöhe." ~André Breton