Die Grosse Koalition hat ein Beispiel von Pfusch im Regierungshandeln abgeliefert.
Die Pläne, die Biosprit-Beimischung zu Verbrennungskraftstoffen auf 10% zu erhöhen führt zu technischen Unveträglichkeiten bei vielen Automotoren, was deren Nutzer zum Tanken SuperPlus zwingen würde – Mehrkosten ca. 15 Ct./Liter.
Umweltminister Gabriel will die Pläne stoppen, wenn mehr als 1 Mio. PKW von den Plänen betroffen sein sollten. „Diese sozialen und wirtschaftlichen Folgen seien für uns wichtig“ – so Regierungssprecher Steeg.
Der parlm. Staatssekretär im Umweltministerium Müller geht davon aus, dass der Plan vom Tisch ist.
Der ADAC rechnet mit bis zu 3 Mio betroffenen PKW.
Für die deutsche Biospritbranche hat das alles keine besonderen Auswirkungen. Bereits durch die volle Versteuerung des Biosprits ist sie quasi in die Pleite getrieben worden. Viele Betriebe haben die Produktion eingestellt, andere stehen vor der Pleite. Die Mineralölkonzerne hätten die Beimischung auf jeden Fall mit billigerem importierten Biosprit verwirklicht.
Wenn diese Fakten den Ministralen vor Verabschiedung der Verordnung nicht bekannt gewesen sein sollten, dann handelt es sich um ein bemerkenswertes Versagen. Oder wollte man das riskieren und ist nur von dem extremen Preisanstieg für Kraftstoffe überrachst worden?
Bemerkenswert fand ich die Reaktion aus dem Ökolager, die das Aus für Biosprit eher begrüßt als beklagt haben. Da fragt man sich: wer wollte das eigentlich? Von wem kam diese Schnapsidee? Die Autofahrer wollten nicht, das Ökolager wollte nicht, die Industrie wollte nicht.
Für mich riecht das schwer nach Lobbyarbeit, um nicht zu sagen: es stinkt nach versuchter Vorteilsnahme.
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat die Automobilindustrie zunächst Beifall geklatscht und die Möglichkeit der Verwendung weitestgehend bestätigt. Ich vermute, man hat sich damit Erleichterungen bei der CO2 Ausstossdiskussion erwartet. Wenn man böse wäre, könnte man auch den Verdacht äussern, dass die gerne neue Autos verkaufen wollten, wenn die alten nun den teuren Sprit tanken müssten.
Als es dann aber ernst wurde und die Käufer die entsprechenden Bescheinigungen haben wollten, mit denen die Hersteller dann natürlich in der Pflicht gewesen wären, haben die gekniffen.
kater_5 schrieb am 03.04.2008 15:22
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat die Automobilindustrie zunächst Beifall geklatscht ...
Kann schon sein, die Ökodiskussion hat ja inzwischen ziemlich absurde Züge angenommen. Aber die Autoindustrie hat diesen Vorschlag nicht GEMACHT. Wenn man sich die aktuelle, schon fast panikartige Absetzbewegung von diesem Thema ansieht, kann man sich schon die Frage bringen, wer das eigentlich auf den Tisch gebracht hat.
Kann schon sein, die Ökodiskussion hat ja inzwischen ziemlich absurde Züge angenommen.
Das kann man wohl sagen, gerade auch, was die Biotreibstoffe der sog. 1. Generation betrifft. Das sind Treibstoffe wie Ethanol oder Biodiesel, die aus Pflanzen gewonnen werden, die zu diesem Zweck angebaut werden. (Treibstoffe der 2. Generation werden aus allen möglichen Bioabfällen gewonnen, sie stehen noch nicht marktfähig zur Verfügung.)
Die Klima- und Umweltschützer sind sich ja selbst über den Sinn dieser Treibstoffe nicht einig.
Die wichtigsten Gegenargumente:
CO2-Bilanz unklar wegen des hohen Einsatzes von Düngern und Treibstoffen sowie des hohen Energieverbrauchs bei der Raffinierung.
Natur-/Artenschutz. Es werden weiter grosse Flächen Tropenwaldes abgeholzt um Flächen für die Anpflanzung von Biotreibstoffen zu gewinnen. Das trifft vor allem auf Brasilien und Indonesien zu. Neben den negativen Auswirkungen auf das Weltklima gehen dabei wertvolle Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten verloren. Das trifft auch für die heimische Produktion zu. Die Landschaftsdiversität nimmt wegen Biomonokulturen ab. Zusätzlich werden bisher brachliegende oder für die extensive Weidewirtschaft genutzte Flächen für Raps umgepflügt. Auch dadurch gehen wertvolle Lebensräume für gefährdete Arten verloren.
Konkurrenz für Nahrungsmittelanbau. Die höheren Subventionen und Erträge machen vielfach die Produktion von Nahrungsmitteln unattraktiv. Sie wird zurückgehen und dadurch werden die Preise steigen. Das trifft nicht nur die Industrieländer, sondern mittelfristig verstärkt auch die Entwicklungsländer. Gerade durch die Erfolge bei der Armutsbekämpfung in den ärmsten Ländern wird die Nahrungsmittelnachfrage überproportional ansteigen. Wenn diese auf durch Energiepflnazen noch zusätzlich verstärkte Flächenknappheit trifft, könnte das die Erfolge bei der Armutsbekämpfung zunichte machen.
Die wie immer merkwürdige Subventionspraxis hierzulande. Das Landwirtschaftsministerium propagiert und exekutiert zwar noch fröhlich die unsinnige Subvention von Energiepflanzen, aber selbst sein eigener Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik hat die Subventionspraxis gerade erst heftig kritisiert. Das Ministerium selbst hat die Erstellung des Gutachtens in Auftrag gegeben und die Veröffentlichung im Internet zugesagt. Nachdem es derart negativ ausfiel, hat man es in den Untiefen des Internets versenkt, damit es niemand findet. Auf der HP wird es verschwiegen. Hier der Link für die Zusammenfassung, das komplette Gutachten kann dort auch heruntergeladen werden.
All das wird den Verantwortlichen nun seit Monaten und Jahren vorgebetet. Vielleicht fällt es Gabriel auch deswegen so leicht, seine Verordnung zu kassieren.
Biodiesel und Bioethanol sind in der Tat von der Ökobilanz her suboptimal, obwohl unterm Strich noch eine CO2-Ersparnis ggü. Benzin oder Diesel aus Erdöl herauskommt.
BtL hingegen gehört IMHO die Zukunft. Bei der Prozesstechnik gibt es da noch einiges an Luft. Man spricht von Herstellungskosten unter 50ct/l bei der neuesten Generation.
Größter Vorteil von BtL ist - neben der besseren Ausnutzung der Biomasse - die Qualität des resultierenden Sprits. Wenn man die Motoren darauf abstimmt, liegen hier locker 10% Minderverbrauch nebst unkritischerer Abgasreinigung drin.
Was die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau angeht: in vielen Entwicklungsländern gibt es reichlich potenzielle Ackerfläche, und anspruchslose Energiepflanzen gibt es genug. Heute bitterarme Länder könnten dadurch einen echten Aufstieg organisieren und die Ölländer von morgen werden. Vor allem im Angesicht der Hürden, die Nahrungsmittelimporte überall verhindern.
Fraglich bleibt nur, wie lange wir noch signifikante Mengen an Öl wollen und/oder benötigen. Vielleicht fahren wir in 10 Jahren alle elektrifiziert, dann ist Biosprit eine Lösung auf der Suche nach dem Problem.
Amüsant finde ich, wie die Ökos die Nachteile von Biosprit durch die größere Anbaufläche anprangern, denn genau das ist ja auch der ökologische Nachteil von Bioanbau.
Was die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau angeht: in vielen Entwicklungsländern gibt es reichlich potenzielle Ackerfläche, und anspruchslose Energiepflanzen gibt es genug. Heute bitterarme Länder könnten dadurch einen echten Aufstieg organisieren und die Ölländer von morgen werden. Vor allem im Angesicht der Hürden, die Nahrungsmittelimporte überall verhindern.
Das ist doch etwas optimistisch. Was hindert denn diese Ländern heute daran, Nahrungsmittel-, Futtermittel-, oder Gebrauchspflanzen anzubauen? Achso ja, Korruption, Misswirtschaft, Diktatur...
Gabriel hat heute Morgen im Radio: das ganze wäre eine Entscheidung des Kabinetts gewesen, als "Hilfestellung für die Autoindustrie, ihre CO2-Ziele zu erreichen". Ich bin immer wieder beeindruckt, dass Leute einen vrutalen Zwang (gesetzliche Verpflichtung) zur "gut gemeinten Hilfe" umdeklarieren können. Doppeldenk vom feinsten.
Wenn Biotreibstoffe sinnvoll sind (also: preislich konkurrenzfähig; qualitativ hochwertig und in ausreichender Quantität herstellbar), dann braucht die Industrie keinen Zwang zur Vermarktung. Das machen die dann von ganz allein.
Frank2000 schrieb am 04.04.2008 09:24
Gabriel hat heute Morgen im Radio: das ganze wäre eine Entscheidung des Kabinetts gewesen, als "Hilfestellung für die Autoindustrie, ihre CO2-Ziele zu erreichen". Ich bin immer wieder beeindruckt, dass Leute einen vrutalen Zwang (gesetzliche Verpflichtung) zur "gut gemeinten Hilfe" umdeklarieren können. Doppeldenk vom feinsten.
Und er hat vergessen zu erwähnen, dass sein Ministerium wieder und wieder betont hat, dass zum Erreichen des geplanten CO2-Grenzwerts die Biokraftstoffbeimischung *nicht* verrechnet wird.
Was die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau angeht: in vielen Entwicklungsländern gibt es reichlich potenzielle Ackerfläche, und anspruchslose Energiepflanzen gibt es genug. Heute bitterarme Länder könnten dadurch einen echten Aufstieg organisieren und die Ölländer von morgen werden. Vor allem im Angesicht der Hürden, die Nahrungsmittelimporte überall verhindern.
Das ist doch etwas optimistisch. Was hindert denn diese Ländern heute daran, Nahrungsmittel-, Futtermittel-, oder Gebrauchspflanzen anzubauen? Achso ja, Korruption, Misswirtschaft, Diktatur...
Sie können das Zeugs nur schwerlich exportieren, weil die EU und die USA ungefähr den abgeschottetsten Agrarmarkt haben, den man sich vorstellen kann. Demzufolge bleiben sie bettelarm (das ist natürlich nicht der einzige Grund).
Wenn man hingegen mit dem fertigen Kraftstoff ankommen kann...man kann sich schwerlich ein besseres Szenario für Joint-Ventures vorstellen als dieses: wir liefern das High-Tech für BtL, das Entwicklungsland liefert die Biomasse.
Heut morgen gab es im TV einen Interviewausschnitt mit einem recht zerknirschten Gabriel.
Er wies darauf hin, dass man bereits jahrelang mit der Industrie im Gespräch gewesen sei und es von dort keine Widersprüceh gab. Er nannte auch namentlich den ADAC, der wohl sich im Rahmen der Gespräche wohl ausdrücklich nicht zu diesem Thema äußern wollte.
Das stützt zumindest Katers Vermutung, dass Industrie und auch Automobilclubs die Politik zum eigenen Vorteil gewähren ließen - nach dem Motto: Wenn's schiefgeht, können wir immer noch die Entrüsteten spielen und haben die öffentliche Meinung auf unserer Seite.
Ach so. Die böse Industrie, die einen ehrenhaften Politiker nicht davor bewahrt haben, sich lächerlich zu machen. Was kommt als nächstes? Das die Industrie Po-Abputzer für Politiker sponsert?
Wenn man nicht mal mehr weiß, wozu eine geplante Maßnahme (hier Biospritbeimischung) gut sein sollte, dann hat das Beratergeschmeiß unserer Regierung ganze Arbeit geleistet. Da muss ich Siggi G. aus G. mal in Schutz nehmen, auch wenn es mir Schmerz bis in die Chromosomen bereitet.
Spock schrieb am 04.04.2008 11:04
Heut morgen gab es im TV einen Interviewausschnitt mit einem recht zerknirschten Gabriel.
Er wies darauf hin, dass man bereits jahrelang mit der Industrie im Gespräch gewesen sei und es von dort keine Widersprüceh gab. Er nannte auch namentlich den ADAC, der wohl sich im Rahmen der Gespräche wohl ausdrücklich nicht zu diesem Thema äußern wollte.
Ich würde sagen: er lügt schlicht. Der Standpunkt der Industrie war schon immer "nicht mehr als 5%, sonst gibts Probleme mit den älteren Fahrzeugen". Ich habe einige der Stellungnahmen damals selbst gelesen.
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