da hast du vermutlich nur die Stellungnahmen von Automobilherstellern gelesen. Wäre ich Mineralölchef, so würde ich mich aber freuen über ein erhöhtes Agrospritangebot. Sowohl, um ein bissel Unabhängigkeit von fossilen Zulieferern zu generieren, als auch in der Hoffnung auf Subventionen, wenn, wie geschehen, "Agro"="Bio" gesetzt wird.
Daimler & Co. wollen sich natürlich vor beliebigem Gepansche bei Shell & Co. schützen und könnten sich dazu mit denen an einen Tisch setzen. Wer aber gleichzeitig auf Förderung vom Staat hofft, muss zum Minister, und da bezeichnenderweise nicht zum Glos, sondern zum Gabriel. Also hat Gabriel mit der Verordnung eine Höchstgrenze für die Beimischung festlegen wollen. Shell & Co. bliebe es unbenommen, weniger als 10% in unsere Tanks zu rühren.
Das Thema bekommen wir nun von Brüssel aufgetischt, und da, wieder bezeichnenderweise, von der Abteilung Landwirtschaft. Die wollen den Bauern neue Absatzmärkte generieren.
Na ja, dass Millionen von Autos E10 nicht vetragen, stand angeblich schon im November in der ADAC Motorwelt. Wenn das keiner von den Entscheidern zur Kenntnis nimmt, selbst schuld. Da kann man schlecht den Beratern alles in die Schuhe schieben.
FW:
Nicht jeder "Entscheider" kann alle Fachzeitschriften lesen, die es zu dem Thema gibt. Gabriel ist zwar ab und zu ne rechte Doofnuss, aber generell braucht ein Minister seine Berater. Und wenn die Lobbyisten heißen und aus der entsprechenden Wirtschaft kommen, dann kann schonmal sowas dabei rauskommen wie jetzt.
Der ADAC ist die mächtigste Autofahrerlobby im Lande, wer den als Verkehrspolitiker oder aus einem anderen Fachressort, das autofahrerrelevante Themen bearbeitet ignoriert, muss einen an der Waffel haben. Aber vielleicht liest man bei Gabriel vielleicht tatsächlich nur das Blättchen vom ACE. Der hat zwar nur einen Bruchteil der Mitglieder des ADAC, betet dafür als SPD/Gerwerkschaftsladen brav die Parteilinie nach.
FW:
Die Frage ist nicht, ob der ADAC gelesen werden sollte, sondern von wem!
Aber das führt an dieser Stelle vielleicht vom Thema weg. Der Wegfall der (höheren) Beimischung ist auf jeden Fall gut, weil das Zeug okölogisch und okönomisch Unsinn ist.
Steffen:
Ganz so einfach ist das nicht mit den Entwicklungsländern. Zwar könnten - theoretisch - Cash Crops profitabel angebaut werden, dafür braucht man aber Fläche. D.h. die Biomasse-Plantagen konkurrieren sowohl mit Acker- und Weidefläche für den Eigenbedarf bzw. den heimischen Markt als auch mit der Erhaltung etwa des Urwaldes. Wenn diese Cash Crops so wahnsinnig profitabel sind, dann würde es dort zum einen die gleiche Verteuerung der Grundnahrungsmittel geben wie in Amerika, als auch verstärkte illegale Rodungen. Beides dient nicht unbedingt dem Wohl des Landes, zumal bekanntermaßen Rohstoffe zum Weltmarktpreis verkauft werden - Afrika konkurriert dann mit Südost-Asien und Südamerika -> der Preis geht runter.
Außerdem besteht wie immer bei solchen Dingen die Spezialisierungsfalle. Wenn es also darum geht, das Entwicklungsland zu entwickeln, dann ist der Anbau von Cash Crops niemals der richtige Weg, sondern es muss weiter verarbeiten und die höherwertigen Fertigwaren verkaufen statt der Rohstoffe.
Das gilt für Agrosprit-Biomasse wie für Bananen, Diamanten oder Bauxit.
Na ja, die Erhöhung der Preise für Agrargüter hätte für die Entwicklungsländer auch was Gutes. Das würde zuerst mal den Einkommen der Landbevölkerung zugute kommen, etwas, was die Entwicklungshilfe bisher nirgendwo nachhaltig geschafft hat. Das könnte sogar auf lange Sicht Einfluss auf die Landflucht haben, eines der grössten Probleme der Entwicklungsländer.
Der Zwang zur Weiterverabeitung der Energiepflanzen im Lande um sie transportfähig zu machen ist uneingeschränkt positiv zu sehen. Er induziert Investitionen, schafft Arbeitsplätze und schafft so eine erhöhte Wertschöpfung im Lande. Ganz anders als bei anderen Cash-Crops wie Kaffee.
Ein weiterer Vorteil könnte die geringere Volatilität der Preise sein. So krasse Preisausschläge wie bai Kako oder Kaffee sind bei dem anhaltenden Energiehunger der Welt nicht zu erwarten. Zudem haben die Weltenergiemärkte ein viel grösseres Volumen, was die Preisausschläge dämpft und so die Einkommen verstetigt.
Und nicht zuletzt ist die Eigennutzung der Energie zu beachten. Biodieselanlagen sind keine grosstechnischen Milliardeninvestitionen, sie können auch in armen Entwicklungsländern aus eigener Kraft gestemmt werden. Wegen der kleinen Produktionskapazität können sie auch in kleinen Märkten im Gegensatz zu Erdölraffinerien voll ausgelastet werden.
Die Deviseneinsparungen wären beachtlich, gerade wenn ich an die Binnenländer Afrikas denke, die zu den ärmsten der Welt gehören und bei denen sich zu den Weltmarktpreisen für Erdöl noch enorme Transportkosten addieren. Dort könnte Biodiesel auch ohne die hier üblichen staatlichen Subventionen konkurrenzfähig werden.
FW:
Sollen die Entwicklungsländern das Zeug denn jetzt exportieren oder damit importe substituieren?
Es ging ja darum, dass der Biosprit den Entwicklungsländern Reichtum bringt, weil WIR ihn kaufen. Wenn damit dagegen Ölimporte reduziert werden, geht das wieder in eine andere Richtung.
Den Folgen stehe ich skeptischer gegenüber. Du sagt, es käme den Einkommen der Landbevölkerung zugute. Das ist zu oberflächlich gedacht. In erster Linie mal kommt es den (reichen) Großgrundbesitzern zugute, die sich eine solche Plantage und und Weiterverarbeitung leisten können. Die traditionellen Viehhirten oder Ackerbauern Afrikas haben dagegen erstmal garnichts davon.
Wenn ich mir überlege, was so ein Plantagenarbeiter verdient und dann vermutlich steigende Nahrungsmittelpreise dagegenhalte sehe ich es ebenfalls fraglich, ob sich die Einkommen tatsächlich real erhöhen. Dass es durchaus anders laufen kann zeigt etwa Mittelamerika mit den Maispreisen.
Als Importsubstitution könnte Biodiesel dagegen tatsächlich nützlich sein - aber auch wieder nur den Ländern, die keine Nahrungsmittel importieren müssen (ansonsten stünde dem eingsparten Erdöl ein erhöhter Getreideimport gegenüber), zu denen die Ärmsten der Armen wiederum nicht gehören.
Alles in Allem sehe ich das daher eher als Perspektive für Schwellenländer wie etwa Brasilien, die jetzt schon mit Alkohol Ölimporte ersetzen, als als Chance für Entwicklungsländer.
Wenn die Bundesregierung ihre Gesetze von Uschi Glas relevanten Informationen abhängig machen sollte müsste sie auch die Bunte lesen.
Das ist ja nun keine Staatsaffäre. Gabriel und sein Ministerium haben nun eben die wichtigen Informationen ignoriert und Pfusch abgeliefert. Nichts anderes hat FW in seinem Eingangsbeitrag dargestellt.
Lexx schrieb am 05.04.2008 14:38
FW:
Sollen die Entwicklungsländern das Zeug denn jetzt exportieren oder damit importe substituieren?
Es ging ja darum, dass der Biosprit den Entwicklungsländern Reichtum bringt, weil WIR ihn kaufen. Wenn damit dagegen Ölimporte reduziert werden, geht das wieder in eine andere Richtung.
Das ist doch vollkommen egal. Der Effekt in der Devisenbilanz ist immer der gleiche. Die Verwendung vor Ort erspart zusätzlich Transportkosten.
Zitat:
Lexx schrieb am 05.04.2008 14:38
Den Folgen stehe ich skeptischer gegenüber. Du sagt, es käme den Einkommen der Landbevölkerung zugute. Das ist zu oberflächlich gedacht. In erster Linie mal kommt es den (reichen) Großgrundbesitzern zugute, die sich eine solche Plantage und und Weiterverarbeitung leisten können. Die traditionellen Viehhirten oder Ackerbauern Afrikas haben dagegen erstmal garnichts davon.
Das trifft vielleicht auf Länder mit ausgeprägten Grossbesitzen wie Südamerkia und Südostasien zu. In Schwarzafrika spielt Grossgrundbesitz in den allermeisten Ländern keine Rolle, auch die Zahl der bezahlten Landarbeiter ist gering. Der Grossteil der Landw. spielt sich auf bäuerlichen Kleinstexistenzen ab. Die können genauso gut Mais anbauen wie Grossplantagen und über den örtlichen Handel an die Weiterverarbeiter abgeben.
FW:
Die beiden Aussagen sollten besser getrennt gesehen werden.
In Südamerika profitieren davon vor allem die Großgrundbesitzer und in Afrika haben die traditionellen Bauern nichts davon.
Die Viehhirten mal sowieso nicht. Und die anderen können nicht einfach Mais anbauen, wenn er da garnicht wächst. Die meisten dürften regionale Früchte anbauen wie Kassava oder Hirse und zwar zunächst für den Eigenbedarf. Wenn dann noch ein Überschuss bleibt wird der verkauft. Wie man da speziell auf Cash Crops umstellen können sollte, ohne den Eigenbedarf zu vernachlässigen, sehe ich nicht.
Auch in Afrika würden also zuerst die großen Plantagen und Kooperationen umstellen, die zur Zeit Kakao, Kaffee oder Baumwolle anbauen. Die hätten dann womöglich höhere und sicherere Einkommen, wenn der Gewinn nicht genauso von den Händlern abgeschöpft wird wie bei anderen Cash Crops (es gibt da ja die berühmten Aufstellungen, wer wieviel von dem hier gezahlten Kaffeepreis erhält). Die Kleinbauern dagegen hätten nach wie vor nichts.
DP schrieb am 05.04.2008 16:52
Wenn die Bundesregierung ihre Gesetze von Uschi Glas relevanten Informationen abhängig machen sollte müsste sie auch die Bunte lesen.
Das ist ja nun keine Staatsaffäre. Gabriel und sein Ministerium haben nun eben die wichtigen Informationen ignoriert und Pfusch abgeliefert. Nichts anderes hat FW in seinem Eingangsbeitrag dargestellt.
Quatsch mit Soße. Wer eine Entscheidungsfindung beeinflussen soll oder möchte, der muss nun mal seine relevanten Kenntnisse an die Entscheider bringen. Fünf oder sechs PowerPoint-Folien in's Ministerium schicken und zwei Tage später Telefonkonferenz sind das Minimum, damit der Berater gegrillt werden kann. Kein Management trifft Entscheidungen, indem es sich Infos aus der Zeitung sucht und gefundene Daten fraglos anerkennt wie einen Kometeneinschlag.
Flecki5 schrieb am 05.04.2008 22:27
Kein Management trifft Entscheidungen, indem es sich Infos aus der Zeitung sucht und gefundene Daten fraglos anerkennt wie einen Kometeneinschlag.
MfG, Flecki
Kein Management lässt sich die relevanten Informationen von aussen hinterhertragen, sondern lässt erst mal von den eigenen Experten recherchieren. Die Durchsicht der Tages- und relevanten Fachpresse gehört dabei zum kleinen 1x1.
Na Moment, als das Thema in der Presse lanciert wurde, hatte das Gesetz ja schon konkrete Züge angenommen, das heißt, ein gutes Stück der Gremienarbeit war da schon lange gemacht.
Ich bin der letzte, der sich vor einen Umweltminister Gabriel stellen würde, aber der Hauptvorwuf muss Naivität sein. Ein guter Teil der Drecksarbeit steckt für mich bei Industrieverbänden, Lobbyisten und damit auch dem ADAC.
Das Schlimme ist halt, dass wir eine Regierung haben, die offenbar gar keine Entscheidungen mehr ohne den Einfluss dieser Verbände treffen kann und von ihnen regelrecht unterwandert ist. Das wird bestens beim grassierenden Gesetzesmurks auf Feldern wie Gesundheit, elektronische Medien /Urheberrecht, u.a. deutlich.