Hamburgs Ex Senator Kusch hatte am Montag in Hamburg mitgeteilt, dass er einer 79-jährigen Frau Sterbehilfe geleistet habe. Die Rentnerin, die nicht schwer krank gewesen sei, aber Angst vor einem Leben im Pflegeheim gehabt habe, sei am Samstag gestorben. Sie habe ein Malaria-Medikament und ein Beruhigungsmittel eingenommen. Um den freien Willen der Frau für den "begleiteten Suizid" zu demonstrieren, zeigte Kusch auf Video aufgezeichnete Interviews mit der früheren Röntgenassistentin. Seine umstrittene "Selbsttötungsmaschine" sei dabei aber nicht zum Einsatz gekommen.
Sowohl die Würzburger als auch die Hamburger Staatsanwaltschaft leiteten Ermittlungen ein.
Mehrere Bundesländer wollen nun die organisierte Sterbehilfe unter Strafe stellen. Ein entsprechender Gesetzentwurf solle am Freitag im Bundesrat beschlossen werden, berichtet die "Berliner Zeitung". Neben Baden-Württemberg ständen auch Bayern, Thüringen, das Saarland und Hessen hinter dem Entwurf.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, griff Kusch scharf an: "Es ist abscheulich und zutiefst empörend, wie hier ein selbstgefälliger Zyniker die Einsamkeit einer alten Frau ausgenutzt hat, um seine Geltungssucht zu befriedigen", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Wenn ein einfacher Medikamentencocktail funktioniert, dann muss man ja nichts mehr 'organisieren'. Im Internet lässt sich doch sicher die Rezeptur finden, und wer unbedingt will, kann sie sich ja unter das Kopfkissen legen.
Die Aktion war sicher etwas fragwürdig. Nichtsdestotrotz ist (oder sollte es zumindest sein) es das gute Recht dieser Frau mit ihrem Leben zu tun, was sie selbst für richtig hält.
Das jetzt aber die Chefmoralisten das als Anlass nehmen, verschärfte Gesetze durchzudrücken war zu erwarten.
Das es eine THEORETISCHE Möglichkeit des Missbrauchs der Sterbehilfe gibt, will ich ja gar nicht verneinen. Aber dem gegenüber steht die viel dringendere Frage, ob Menschen, die immer älter und damit immer hilfsbedürftiger werden, über ihr Lebensende selbst bestimmen dürfen.
Ich halte den Feldzug gegen die Sterbehilfe für moralisch höchst fragwürdig. Mit der THEORETISCHEN Möglichkeit des Missbrauchs wird GANZ REAL Menschen ein selbstbestimmter und würdiger Tod verweigert. Es gibt kein bekanntes Beispiel, bei dem unter dem Deckmantel der Sterbehilfe ein Mord verübt wurde. Es gibt aber DUTZENDE Beispiele, dass Menschen jämmerlich -zum Teil sogar unter brutalen körperlichen und seelischen Schmerzen - gegen ihren Willen verrecken mussten. Anstatt friedlich und bewusst einzuschlafen.
Wenn es mal so weit ist, dann würde ich den Tag meines Todes auch gerne selbst wählen, anstatt mir das von Pseudo-Moralisten vorschreiben zu lassen. MfG Frank
Die Sache mit der Sterbehilfe ist durchaus zweischneidig.
Gerade in diesem Fall halte ich das Vorgehen für sehr fragwürdig. Schließlich hatte die Frau keine Schmerzen oder Qualen, sondern 'nur' Angst. Der hätte man durchaus begegnen können, der Frau wieder Lebensfreude und ein oder zwei Jahrzehnte glückliches Leben bringen können - in dem sie dann ihre frühere Entscheidung zum Freitod als Fehler erkennt.
Die Fälle von todkranken Patienten, die ohne Chance auf Heilung dahinsiechen oder gar Qualen erleiden sind klarer Fürsprecher für die Möglichkeit zur Sterbehilfe - aber in Ausnahmen, nicht generell.
Vielleicht sollte man das so machen wie bei Abtreibungen.
Kodo schrieb am 01.07.2008 21:47
Die Frau war doch gar nicht krank; nur alt.
Diesen diktatorischen, um nicht zu sagen kommunistischen Spruch hat der Express gestern auch in fetten Lettern auf das Titelblatt gedruckt. Das hast du aber fein gelesen.
Der Express und du - ihr wolt damit ausdrücken, dass das Leben dieser Frau nicht ihr selbst sondern der "Volksgemeinschaft" gehört. Diese Volksgemeinschaft, vertreten durch die revolutionären Vertreter der Arbeiterklasse, entscheiden dann, wer sterben darf und wer nicht. Habe ich das so weit richtig verstanden?
Dann will ich dir mal die gegenteilige Position erläutern:
ES IST SCHEISS EGAL, OB DIE FRAU KRANK WAR ODER NICHT. ES GIBT NUR EINE INSTANZ, DIE ZÄHLT: IHR EIGENER WILLE ZU STERBEN.
Wenn ich mal so weit sein sollte, dass ich sterben möchte - und ein Pharisäer wie du versucht mich daran zu hindern, weil du der Meinung bist, du wüsstest besser als ich selbst, was mit meinem Leben anzustellen wäre - dann, Kodo, musst du leider damit rechnen, dass ich dich schlicht mitnehmen auf den Trip ohne Wiederkehr.
Dann will ich dir mal die gegenteilige Position erläutern:
ES IST SCHEISS EGAL, OB DIE FRAU KRANK WAR ODER NICHT. ES GIBT NUR EINE INSTANZ, DIE ZÄHLT: IHR EIGENER WILLE ZU STERBEN.
Wenn ich mal so weit sein sollte, dass ich sterben möchte - und ein Pharisäer wie du versucht mich daran zu hindern, weil du der Meinung bist, du wüsstest besser als ich selbst, was mit meinem Leben anzustellen wäre - dann, Kodo, musst du leider damit rechnen, dass ich dich schlicht mitnehmen auf den Trip ohne Wiederkehr.
MEIN LEBEN GEHÖRT MIR - BIS ZUM SCHLUSS
MfG Frank
Es gibt genausoviel "nur einen Willen" wie es die totale Objektivität gibt, nämlich nie. Der Mensch ist immer Einflüssen ausgesetzt und diese bewirken die Veränderungen, die das Leben am Ende ja so spannend machen. In diesem Falle wirkt das ganze Arrangement mit dem Video wie eine Inszenierung, in der die alte Frau noch einmal eine letzte Hauptrolle spielen darf. Eine letzte Zuwendung von einem netten Herrn im Anzug, der mal hoher Politiker war. In solch einer Umgebung ist es eher wahrscheinlich, dass der eigene Wille der Frau durchmisch wurde vom Willen des Sterbebegleiters, der sich aktiv für die Sterbehilfe einsetzt und dies durchaus im eigenen wirtschaftlichen wie öffentlichkeitstechnischen Sinne.
Jetzt wäre mal interessant, die alte Frau zu befragen, wie sie das Medienecho sieht und ob sie heute immer noch so handeln würde.
Ich bin mir sicher; die Musikszene in Seattle, die neuesten Bilder von Curney Love oder der letzte Film von Tarantino hätten heute Kurt Cobain wieder interessiert.
Wenn er die Wahl hätte.
"Jetzt wäre mal interessant, die alte Frau zu befragen, wie sie das Medienecho sieht und ob sie heute immer noch so handeln würde."
Es ist ihr jetzt egal. Da kann man wohl ziemlich gesichert von ausgehen.
Solche Diskussionen kann man auch bei vielen Anderen Dingen führen, z. B. dem Abschliessen einer Kreditvgertrages, eines Hauskaufs oder der Hochzeit die alle sehr einschneidende Änderungen des eigenen Wohlbefindens mit sich bringen können. Man kann das übrigends auch beim Essen fragen. Darf oder muss man Dicke vor sich selbst schützen und evtl. gegen deren Willen die Essensaufnahme verhindern ? Das Gleiche gilt bei Rauchern. Bei denen hat man entschieden, dass man sich durch übermässiges Essen oder Tabakkonsum durchaus selbst umbringen darf, wobei es erst seit gestern Konsen in Deutschland ist, dass man keine anderen damit umbringen darf.
Anders entschieden hat man das bei Rauschmitteln, mit denen man sich nicht selber schaden darf.
Letzlich stellt sich die Frage, wo man die Grenze zieht, bei der man Menschen zwangsweise ihren Willen nimmt, sich selbst zu schaden.
Ich bin ja ein klarer Befürworter der Ansicht, dass ein volljähriger sich im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten befindlicher Mensch diese Dinge selbst entscheiden sollte.
"im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten befindlicher Mensch"
Genau das ist bei solchen Angelegenheiten aber eine heikle Sache! Ein Mensch kann so beeinflusst werden, dass er Dinge will, die er eigentlich nicht will (Verführung, nicht erotisch gemeint). Ist er dann noch im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten?
Ich bin ja ein klarer Befürworter der Ansicht, dass ein volljähriger sich im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten befindlicher Mensch diese Dinge selbst entscheiden sollte.
Und dazu würdest du auch noch stehen, wenn ein dir nahestehender Mensch plötzlich tot ist und ein dir fremder Mensch kommt und sagt Hallo, ich bin Sterbebegleiter, und ihr Verwandter wollte das ja so!? Ach und übrigens hier ist noch ein Abschiedsvideo, welches ich auch der Bild Zeitung zur Verfügung stellte. Das Honorar wurde übrigens bereits vom Erbe abgebucht.
Also ich hätte da ehrlich gesagt mehr Mühe als wenn ich denjenigen erhängt im Keller finden würde. Diesen Entscheid hat ja jeder zurechnungsfähige Mensch frei.
Das ist eine endlose Diskussion. Letzlich muss man sich irgendwann mal darüber einigen, ob man Leuten zugesteht, selbst zu entscheiden oder eben nicht. Was da letztlich für Einflüsse wirksam wurden, kann ich doch nicht beurteilen.
DP:
"Und dazu würdest du auch noch stehen, wenn ein dir nahestehender Mensch plötzlich tot ist und ein dir fremder Mensch kommt und sagt Hallo, ich bin Sterbebegleiter, und ihr Verwandter wollte das ja so!? Ach und übrigens hier ist noch ein Abschiedsvideo, welches ich auch der Bild Zeitung zur Verfügung stellte. Das Honorar wurde übrigens bereits vom Erbe abgebucht. "
Ich will es mal so schreiben: Ich fände das ziemlich schlimm, aber letzlich ist das die Entscheidung desjenigen selber. Ich müsste ja auch damit leben, wenn die ihr Erbe der katholischen Kirche vermachen würde. Da würde ICH dann wiederum am Geisteszustand derjenigen zweifeln, obwohl andere das wohl völlig normal fänden.
Ich bin da vollkommen Franks Meinung: Ich will nicht, dass andere entscheiden, wie und wann ich mein Leben beenden darf oder nicht. Und ich maße mir nicht an, das für andere zu Entscheiden.
Und da sehe ich die Kernfrage: Wer von Euch würde denn wollen, dass andere für ihn entscheiden, wann und wie lange man wie starke Schmerzen oder Ängste ertragen muss ?
kater_5 schrieb am 02.07.2008 14:07
Ich will nicht, dass andere entscheiden, wie und wann ich mein Leben beenden darf oder nicht.
Du kannst ja jederzeit dein Leben beenden, nur andere dürfen das eben nicht. Dazu zählen Mörder genauso wie schlampig arbeitende Ärzte, faulen Krankenschwestern oder öffentlichkeitsgeile Sterbehelfer. Der Grad bei letzteren beiden ist übrigens schon sehr schmal. Vor allem deshalb und wegen der Irreversibilität des Geschehens hat der Gesetzgeber ein Interesse hier erst gar keine Willkür aufkommen zu lassen.
DP schrieb am 01.07.2008 11:44
Die Rentnerin, die nicht schwer krank gewesen sei, aber Angst vor einem Leben im Pflegeheim gehabt habe
Wenn wir alle, die Angst vor dem Alter haben, "ueberreden", sich wegzuspritzen o.ae., freuts zumindest den Rentenkassenwart...
Das "Leben im Pflegeheim" und die Angst davor zu thematisieren, entspricht halt nicht dem Zeitgeist...
kater_5 schrieb am 02.07.2008 14:07
Und ich maße mir nicht an, das für andere zu Entscheiden.
Das taugt leider auch oft als Ausrede, sich nicht mit unangenehmen Dingen auseinandersetzen zu muessen...
Zitat:
Und da sehe ich die Kernfrage: Wer von Euch würde denn wollen, dass andere für ihn entscheiden, wann und wie lange man wie starke Schmerzen oder Ängste ertragen muss ?
Gegenkernfrage: Wer moechte denn, wenn er ueber Schmerzen oder auch nur Aengste jammern moechte, dass seine Lieben dazu nur schulterzuckend meinen "Sag, wenn wir dich wegspritzen sollen"?
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