"Bildungsfernsehen" bezieht sich nicht darauf, wer es guckt, sondern welche Wirkung es auf die Zuschauer hat! Der Gegensatz ist nicht "Unterschichtenprogramm", sondern "Verdummungsfernsehen". Ob man "Hart aber Fair" zu ersterem zählen kann, lasse ich mal dahingestellt. Big Brother zählt auf jeden Fall zu letzterem.
Was denn nun? Gibt es ein generelles Verdummungsfernsehen oder kommt es darauf an, welche Wirkung es hat? Wenn man sich vom Geschnatter des Polit-Talk beeinflussen lässt, verdummt man? Oder ist man schon dumm, weil man sich den Kram überhaupt anschaut?
Spock: "Trotzdem ist es bezeichnend, dass die Gebildeten sich schon teilweise vom selbsternannten Qualitätsfernsehen abwenden."
Ja, bezeichnend für den Zustand dieser Gesellschaft.
"Sogenanntes Bildungsfernsehen ist ohnehin eine Mär."
Das sehe ich anders. Es gibt bzw. gab genug Fernsehsendungen, die Wissen vermitteln. Ich erspare mir jetzt, die dir sicher bereits bekannte Liste von 3Sat- und WDR-Sendungen runter zu leiern. Infolge des sich immer weiter durchsetzenden Unterhaltungsanspruches wird aus Informations- und Wissenssendungen heutzutage leider allzu häufig "Infotainment", dessen Niveau einer echten Wissenssendung allzu oft hinterher hinkt.
Lexx, Vermittlung von Wissen ist nicht äquivalent mit dem Entstehen höherer Bildung beim Zuschauer.
Ich kenne und schätze sicher einige der Sendungen, die du aufzählen willst. Die Verwässerung sehe ich auch als großes Problem bei den Öffis. Sie verwässern ja nicht nur die Sendungen selbst, sondern auch ihr gesamtes Programm in der Fläche. In dem ganzen Wust an Schmonz und seichter Unterhaltung bei ARD und ZDF erwarte ich als Zuschauer ja gar nichts seriöses mehr. Da helfen auch die Spartenkanäle nicht, die außerdem ebenfalls schon vom Krebsgeschwür befallen sind (ZDF_neo).
Ich wundere mich, wie die Öffentlich-Rechtlichen ihr größtes Kapital, nämlich ihr Image der seriösen Information anscheinend mit Vollgas gegen die Wand fahren wollen.
Zitat Fernsehberieselung für sich genommen bildet in keinem Fall.
Berieseln lassen kann man sich doch von jeder Sendung und für die Bildung etwas aufschnappen. Das kann man doch in jeder Sendung, egal, ob es sich um Quarks&Co, Big-Brother oder ein Quiz handelt, in der man die Informationen aufschnappt.
Anonymous1: Ich hab nie bestritten, dass das Programm des ÖR zu wünschen übrig lässt. Ich verweise auf einen Thread hier im Forum, wo ich eine Reform des ÖR inklusive der Abschaffung des kompletten ZDF-Blocks selbst vorgeschlagen habe.
Ich wehre mich nur dagegen, wie der ÖR von immer anderen Seiten teils doppelmoralisch angegangen wird. Produziert er Sendungen, die beliebt sind, wird gemäkelt, dass er seinen Seriositätsanspruch aufgibt. Sendet er hochwertige Sendungen, wird gelästert, dass den ÖR kaum einer guckt ("Die Privaten erreichen mit weniger Geld mehr Zuschauer").
Wenn Qualität und Quote sich ausschließen, hat der ÖR sich m.E. im Zweifel für die Qualität zu entscheiden, denn das ist sein Privileg.
Anonymous2: "Das kann man doch in jeder Sendung, egal, ob es sich um Quarks&Co, Big-Brother oder ein Quiz handelt, in der man die Informationen aufschnappt."
Das ist reichlich naiv. Sicher kann man in jeder Sendung mal etwas "für die Bildung" aufschnappen. Das haben alle Sendungen gemeinsam. Unterscheiden tun sie sich durch die Fülle an Informationen "für die Bildung". Die dürfte bei einem Quiz wesentlich höher sein als bei Big Brother. Und bei Quarks & Co noch wesentlich höher als beim Quiz. Letztere Sendung hat sogar noch einen Vorzug: Die Informationen sind systematisch miteinander vernetzt, weil es die Sendung darauf anlegt, dem Zuschauer Wissen im Gesamtzusammenhang zu vermitteln. Das ist an "Bildung" wesentlich näher dran als die Wissensflicken und Fetzen, die die anderen Sendungen eventuell (oder auch nicht) dem Zuschauer bringen.
Zitat Ich wehre mich nur dagegen, wie der ÖR von immer anderen Seiten teils doppelmoralisch angegangen wird. Produziert er Sendungen, die beliebt sind, wird gemäkelt, dass er seinen Seriositätsanspruch aufgibt. Sendet er hochwertige Sendungen, wird gelästert, dass den ÖR kaum einer guckt ("Die Privaten erreichen mit weniger Geld mehr Zuschauer").
Das mag man als die Öffi-Zwickmühle ansehen, aber:
Ich höre eher selten Kritik an Angeboten wie 3sat und Arte, die nun nicht gerade mit satt zweistelligen Einschalt-Prozenten protzen. Diese Sender sind auch vom Budget der Öffis gar nicht die dicksten Posten. Ich behaupte, der gemeine Zuschauer und Gebührenzahler verzeiht den Öffis eher ein experimentelles Werk mit weniger Zuschauererfolg als das ständige penetrante (und meist schlechte) Kopieren der Privaten.
Nehmen wir mal den Tatort: Die Filme, die in der Reihe laufen, sind beileibe nicht alle leichte Kost. Oft verschroben, irgendwie sozialkritisch, experimentell, was auch immer. Ich selber wende mich oft mit Grausen ab, finde es aber okay, dass zum Glück nicht jeder Krimi oder Fernsehfilm bei den Öffis aussieht wie Rosamunde Pilcher und Konsorten. Dies scheint mir auch Konsens in der Öffentlichkeit zu sein.
Das Eröffnen immer neuer Kanäle, die letztlich auch nur mit seichtem Schmonz gefüllt werden können, kann jedenfalls nicht die Lösung sein - im Gegenteil: Eine radikale Konsolidierung der Kanäle wäre der richtige Weg.
Lexx, theoretisch hast du nicht Unrecht. Praktisch ist es relativ.
Bei Quarks lernt man Physik, bei Big-Brother etwas über menschliches Verhalten, bei Polit-Talks lernt man das Lügen, Ausweichen, etc. Das Angebot ist vielfältig. Aber die Interessen auch.
Wenn jemand Quarks meidet, weil er Physik doof findet, aber bei Big-Brother etwas davon aufschnappt, ist das doch positiv zu bewerten. Derzeit leben zwei Aidskranke im Big-Brother-Haus - wer dort zuschaut, lernt etwas über Aids, auch wenn er sonst jede reine Informationssendung darüber mangels Interesse gemieden hat.
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Privaten und den Öffis - aber der Wert des Unterschieds ist eben rein theoretisch zu betrachten.
Spock: "Das Eröffnen immer neuer Kanäle, die letztlich auch nur mit seichtem Schmonz gefüllt werden können, kann jedenfalls nicht die Lösung sein - im Gegenteil: Eine radikale Konsolidierung der Kanäle wäre der richtige Weg."
Darin sind wir uns vollkommen einig, auch wenn ich das "radikal" etwas anders verstehen dürfte als du. Nach meiner Vorstellung überlebt ein (überregionaler) Senderblock von 4-5 Sendern + 3Sat und Arte. Diese Mehrländer-Sender kann man nicht in ein spezifisch deutsches Programmangebot integrieren. Immerhin, bisher sind es 11 + 3Sat und Arte.
Da es außerdem der ARD-Block ist, der überleben würde, flössen da Sendungen, die in den Dritten laufen mit ein. Man hätte also eine Menge Sendezeit eingespart, die "gefüllt" werden muss. Und statt drei Telenovelas und vier Soaps zu produzieren kann man sich mit jeweils 1-2 zufrieden geben....
Zitat Darin sind wir uns vollkommen einig, auch wenn ich das "radikal" etwas anders verstehen dürfte als du. Nach meiner Vorstellung überlebt ein (überregionaler) Senderblock von 4-5 Sendern + 3Sat und Arte. Diese Mehrländer-Sender kann man nicht in ein spezifisch deutsches Programmangebot integrieren. Immerhin, bisher sind es 11 + 3Sat und Arte.
Lexx, das hatten wir doch schon. Ich könnte mit deiner Variante leben, sie wäre um Längen besser als gar nix oder gar das Weiterwuchern des Geschwürs.
Nach meiner Vorstellung übernimmt der Staat N24 und schaltet seinen übrigen Gesamtbestand inklusive Dritten, Vierten und Achtundsiebzigsten Kanälen sowie das Onlineangebot plus Radiokanälen ab. Leider muss auch der Vorsitz, das Generalsekretariat, die Gleichstellungs- Gewerkschafts- und Umweltbeauftragte und alle Kommissionen dran glauben. Der Nachrichtenkanal wird mit dem kompetentesten was die Öffis derzeit zu bieten haben besetzt, das öffentliche Nachrichtengebot ist erfüllt. Die Gebühren werden heruntergefahren auf 1 Euro/Monat. Die ach so tollen und genialen Sender wie ZDF Dingsbums, Phönix und EinsExtra werden sich sicher spielend von selbst tragen, da alle Werbebeschränkungen fallen können die jetzt auch noch fett verdienen. Bei dem Bildungsfernsehen wird sicher viel gelernt werden, zum Beispiel wie man Gelder, die auf dem Markt erwirtschaftet werden, budgetiert und gezielt eingesetzt werden anstatt per Dekret ein paar Millionen oder Milliarden mehr einzunehmen und zu verballern.
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