Zitat von DPSomit reagieren die Piraten auf die aktuellen Umfrageergebnisse wie jede andere Partei auch, willkommen im Mainstream. Schlimmer noch, bar jeder Grundüberzeugung besteht hier die Gefahr der totalen Beliebigkeit; heute isdt man für den Atomausstieg, morgen gegen Braunkohle und übermorgen gegen Wind- und Sonnenenergie. Nächste Woche ist man dann wieder pro Atom, je nach neuester Twitterabstimmung. Oder wie muss man sich das vorstellen?
DP,
wie bekommt die Schweiz das auf die Reihe? Die können ja auch heute für und morgen gegen Atomkraft abstimmen. Warum passiert das aber nicht in der Praxis?
Kleine Frage nebenbei: Wie lange dauert in der Schweiz eine Volksabstimmung in etwa, von Anfang der Initiative bis zur Abstimmung? Und wie lange darf dann noch die Umsetzung dauern?
Also grundsätzlich sind das ja zwei verschiedene paar Schuhe; eine Abstimmung ist der Volkswille, also so etwas wie ein Bundestagsbeschluss, während die Piraten ja eine politische Partei oder Bewegung sind, die den Beschluss beeinflussen soll. Wie soll man etwas beeinflussen was unklar oder ständig neu formiert wird?
Abstimmungen können jederzeit neu lanciert werden, es gibt kein Gesetz, dass es einer Partei oder einem Interessensverband verbietet, umgehend nach der Abstimmung grad eine neue Abstimmung in die Wege zu leiten. Mal so ein kurioses Beispiel; die verschiedenen Interessensgruppen um die steuerliche Begünstigung des Bausparens haben sich bei der Definition zerstritten. Deshalb wurde das Referendum geteilt. Im März 2012 stand deshalb die "Volksinitiative vom 29.09.2008 'für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (Bauspar-Initiative)'" zur Abstimmung (abgelehnt) und am 17. Juni stimmen wir ab über die "1.Volksinitiative vom 23. Januar 2009 «Eigene vier Wände dank Bausparen»"
Zwei Punkte sprechen gegen allzu frühe Wahlwiederholungsübungen, 1. wird der Volkswille von allen Parteien respektiert. Eine schnelle Wiederholung würde man als Gängelung empfinden und dann wol gerade dagegen stimmen. Der Wahlverlierer würde hier keine gute Figur machen. 2. Ist so ein Referendum doch ziemlich aufwändig. Man muss nicht nur formell die Kriterien erfüllen wie das Sammeln von Unterschriften (es sei denn das Referendum ist vorgeschrieben) sondern auch Interessensgruppen suchen und Gelder für Werbung einsammeln. Der Aufwand sollte sich doch lohnen in zumindest einer Chance auf ein positives Resultat.
Die Dauer der Entscheide sind unterschiedlich und die Ausführung ebenfalls. Als die Schweiz das Minarettverbot beschloss war es vom nächsten Tag an gültig, die Umsetzung galt per sofort. Andererseits die Verwahrungsinitiative ist bis heute Streitthema zwischen der Justiz und den Urhebern der Initiative. Der Streit dauert jetzt schon 10 Jahre. Der Gesetzgeber hat Umsetzungen generell zügig angemahnt. Aber was heisst das schon. Initiativen dauern solange wie sich Helfer finden, die Unterschriften gesammelt sind, die Abstimmung administrativ eingereicht wird. Im allgemeinen würde ich sagen 2-3 Jahre. Kantonale Abstimmungen gehen fixer, lokale per Hand ohne Aufwand auf der Gemeindeversammlung.
das gibt schon ein bisschen Orientierung über die Schweizer Erfahrungswerte.
Zu den Piraten: Die haben sicher eigene Themen (Urheberrecht, u.a.) die sie vorantreiben wollen, ich habe aber den Eindruck, dass sie bei Volksabstimmungen ganz einfach das Ergebnis für ihre Fraktion bindend machen wollen. Wie ich schon mal vermutet habe: Piraten haben nur wenig eigenes Programm, sie spielen nur das trojansiche Pferd der direkten Demokratie.
Zitat heute isdt man für den Atomausstieg, morgen gegen Braunkohle und übermorgen gegen Wind- und Sonnenenergie. Nächste Woche ist man dann wieder pro Atom, je nach neuester Twitterabstimmung. Oder wie muss man sich das vorstellen?
Das hat man doch bei anderen Parteien/Politikern auch... siehe Merkel - gestern pro Atom - heute, kaum dass ein Sack Reis in Japan weggespült wird, gegen Atom - morgen wahrscheinlich dank schlapper Netze wieder pro Atom...
das gibt schon ein bisschen Orientierung über die Schweizer Erfahrungswerte.
Zu den Piraten: Die haben sicher eigene Themen (Urheberrecht, u.a.) die sie vorantreiben wollen, ich habe aber den Eindruck, dass sie bei Volksabstimmungen ganz einfach das Ergebnis für ihre Fraktion bindend machen wollen. Wie ich schon mal vermutet habe: Piraten haben nur wenig eigenes Programm, sie spielen nur das trojansiche Pferd der direkten Demokratie.
Gruß, Martin
Wenn sie das tun wäre das ein guter Programmersatz und damit ein Ansatz, mal wiedergewählt zu werden.
Die Ergebnisse der LTW sind raus, falls das hier noch niemand bemerkt hat!
Die SPD unter Kraft hat einen grandiosen Sieg hingelegt, stärker als man erwarten konnte. Die CDU ihr schlechtestes NRW-Erbebnis aller Zeiten. Die Linken sind raus und die FDP hat völlig überraschend stärker abgeschnitten als die Piraten.
Insgesamt war die Wahl m. E. stark beeinflusst von den Spitzenkandidaten. Röttgen hat in allen Belangen haushoch gegen Kraft verloren und die CDU runter gerissen. Lindner dafür hat die FDP von zwei auf über acht Prozentpunkte vervierfacht. Beim Lesen der Regionalergebnisse sind mir zu den Piraten zwei Dinge aufgefallen: 1. Sie haben fast überall 7-9 % und damit im Vergleich zu den übrigen Parteien sehr gleichmäßige Ergenisse erzielt (zum Vergleich: Die FDP liegt zwischen 6 und 17%). 2. die Piraten haben (ein wenig) mehr Erst- als Zweitstimmen bekommen. Das zeigt, dass deren Wähler sich offenbar nur selten auch noch mit einer anderen Partei identifizieren können. Warum, die Erststimmen sogar mehr sind, kann ich allerdings bis dato nicht erklären. Von mir kommt das nicht ;)
DP: "Oder wie muss man sich das vorstellen?"
Das fragst du am besten die Piraten selbst. Ich gehe mal schwer davon aus, dass nicht jeden Tag eine Sitzung stattfindet, bei der über den Kurs der Partei entschieden wird. "Live" ist in erster Linie die fließende Rückmeldung (um einen Anglizismus an dieser Stelle zu vermeiden), jedenfalls soweit ich das verstanden habe.
Im übrigen gefällt mir Martins Begriff des "trojanischen Pferds der direkten Demokratie" ziemlich gut. Genau so nehme ich die Piraten im Moment in erster Linie wahr.
Entschieden werden Wahlen eigrentlich immer durch ihre Repräsentanten, die Programme sind nicht nur mehr oder weniger austauschbar, dass sie auch tatsächlich umgesetzt werden glaubt eh kein Mensch mehr.
Zu Röttgen fällt mir nicht mehr viel ein, ausser dass er wohl den beschissensten Wahlkampf aller Zeiten hingelegt hat. Sein Winden um die Frage was er denn in Düsseldorf macht nach der verlorenen Wahl war irgendwie das zentrale Programm der CDU. Der Typ ist eine echte Null und wurde zurecht auch von seinem Absicherungsposten entfernt. Hanni und Nanni zeigen, dass die CDU im Bund wieder unbedingt auf Merkel setzen muss. Die Wähler wollen kuscheln und nicht denken. Insofern war der Wahlkampf von SPD und Grün astrein. Thema; wir haben auch keine Konzepte und machen weiter Schulden, schlimmer noch als je zuvor, aber wir sind netter als der doofe Röttgen und bleiben auch als Verlierer hier und zwar auf ewig solange bis wir gewählt werden. Da hatte der Wähler dann doch ein Einsehen. Die Krönung des SPD Wahlprogramms: Ja, wir wissen um die prekäre Finanzlage, deshalb machen wir jetzt "vorsorgende Schulden". Das sind Schulden, die besser sind als Sparen, weil sie spätere Ausgaben verhindern und somit nachhaltig sind. Und das geniale ist: Die Wähler haben denen das abgenommen. Da hat keiner nachgefragt. Die Nahles fand das so gut, die will das als Vorbild für den Bund nehmen. Das erinnert sehr an den Wahlkampf in Frankreich, da haben auch die vorsorgenden Schulden gewonnen, die ja angeblich auch noch für Wachstum sorgen. Aber eben, wenn man das den Leuten tatsächlich auftischen kann dann muss man sagen; Hut ab.
Jo, LP muss man glaube ich nicht mehr viel sagen, Piraten waren in den Umfragen mal bei 13%, jetzt zum zweiten Mal hintereinander hinter der FDP. Gehts schon los mit der Dämmerung? Immerhin zeigt diese Entwicklung, dass die FDP mit Inhalt punkten kann, die Piraten nur mit der Form. Da muss jetzt bald mal was kommen.
Zitat von LexxDie Ergebnisse der LTW sind raus, falls das hier noch niemand bemerkt hat!
Die SPD unter Kraft hat einen grandiosen Sieg hingelegt, stärker als man erwarten konnte.
Stimmt doch gar nicht. Kraft hat weniger Stimmen bekommen als der Wahlverlierer Steinbrück.
Die Wahlen haben eines gezeigt: mit charasmatischen Spitzenkandidaten, die sich von Rösler und Co. abgrenzen und bei gleichzeitig farblosen Spitzenkandidaten der CDU kann die FDP noch deutlich über die 5% kommen. Und um die 5%-Hürde müsste sie sich eigentlich auch keine Sorgen machen, weil 5% Asoziale und Sozialdarwinisten gibt es in diesem Land allemal.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
In Ergänzung: Große Teile der Presse heulen, wie brutal Merkel den Röttgen kaltgestellt hat und wie sehr sie damit ihrer Partei geschadet hätte. Ich meine, das Gegenteil ist der Fall: Sie stärkt damit ihre eigene Position sowohl intern als auch beim Wähler. Der findet es nämlich richtig, dass Waschlappen Röttgen abgestraft wird. An der Front Energiewende wird es zudem auch immer gefährlicher, um das zu stellem, reicht Intellekt (den er zweifelsohne hat) allein nicht mehr aus. Insofern war der verpatzte NRW-Wahlkampf eine willkommene Chance, an der Position auszuwechseln.
Außerdem ist Merkel ja nicht blöd. Den soften Abgang hätte man je leicht inszenieren können. Aber man wollte eben nicht.
Es ist ja hier verboten etwas zu verlinken ohne eigene Stellungnahme dazu, also: Ich lese die Kolumnen im SPON so gut wie nie weil speziell die von Augstein junior schlecht für meine Gesundheit sind, aber diesmal ist sie absolut lesenswert und auch völlig richtig (ist ja auch von Fleischhauer..). Ich war jetzt während der Wahlkampfwochen nicht in NRW so dass ich nicht sagen kann wie die CDU oder die FDP ihren Wahlkampf vor Ort geführt haben, aber ich vermute dass das Finanzgebaren nicht Thema Nr. 1 war - oder doch? Wenn ja weiß ich nicht über was ich mich mehr wundere - das Wahlergebnis oder das nach wie vor mitleidige Herabsehen auf die bösen Griechen.
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat weil 5% Asoziale und Sozialdarwinisten gibt es in diesem Land allemal.
Ja mit Asozialen meinst du die Leute, die von den Steuern und Sozialabgaben auf ihre tägliche Arbeit unter anderem deine jämmerliche Existenz finanzieren. Schon klar.
Zitat von SpockAußerdem ist Merkel ja nicht blöd. Den soften Abgang hätte man je leicht inszenieren können. Aber man wollte eben nicht.
Falsch. Röttgen sollte von sich aus zurücktreten. Der wollte aber Merkel diesen Gefallen nicht tun. So musste Merkel zeigen, wie eiskalt und brutal sie tatsächlich ist.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Zitat von SpockAußerdem ist Merkel ja nicht blöd. Den soften Abgang hätte man je leicht inszenieren können. Aber man wollte eben nicht.
Falsch. Röttgen sollte von sich aus zurücktreten. Der wollte aber Merkel diesen Gefallen nicht tun. So musste Merkel zeigen, wie eiskalt und brutal sie tatsächlich ist.
Ja, ich weiß, die böse Eisprinzessin aus dem Andersen Märchen. Mit den Tugenden von Rotkäppchen oder Tiffi aus der Sesamstraße ist man leider sehr falsch auf dem Bundeskanzlerposten.
WRL: Da ich jeden Tag dem Wahlkampf in NRW ausgesetzt war, kann ich dir genau sagen, wer wie geworben hat, zumindest von den Plakaten her. Den medialen Wahlkampf habe ich nicht so verfolgt.
Die SPD hat auf ihren Plakaten hauptsächlich zwei Themen gehabt: Kraft und gehaltene Wahlversprechen. Der gewählte Spruch "Currywurst ist SPD" scheint mir eher ein Gag gewesen zu sein, denn zwischen Dortmund und Düsseldorf habe ich den nie gesehen. Dafür die Erinnerung an den erreichten Schulfrieden (abgehakt) und natürlich Kraft... "Klare Kante Kraft"
Die CDU hatte Sprüche wie Norbert Röttgen Wählen oder ein Bild mit ihm und Kindern. Ersteres ist zwar eine nette Idee, aber insgesamt wirkten die Plakate wenig pointiert, beliebig.
Die Grünen haben ihre Plakatwerbung sowohl auf die rot-grüne Koalition und das Tandem Kraft-Löhrmann ausgelegt ("Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen") als auch auf typisch grüne Umweltthemen.
Die FDP hat ihre Plakate voll und ganz auf Lindner konzentriert aber gleichzeitig Inhalte transportiert. Ein großes Bild von ihm im Anzug sitzend wie ein Versicherngsvertreter oder Finanzberater gestikulierend. Dazu ein Spruch (z. B. lieber neue Wahlen als neue Schulden) und "Das ist meine FDP"
Die Piraten hatten einfallsreiche Sprüche wie "Für dieses System ist ein Update verfügbar", natürlich keine personellen Inhalte.
Die Linke hat ihre alten Parolen wieder rausgeholt wie "Millionärssteuer als Schuldenbremse", "Löhne rauf", oder "Kita für alle".
Die Wahlergebnisse spiegeln m. E. die Qualität des Wahlkampfes sehr gut wieder. Die CDU und die Linke hatten Wahlplakate zum schnarchen; unspezifisch, einfallslos, distanziert. Auch der Wahlkampf der Grünen war nicht viel besser, aber immerhin konnten sie mit rot-grün punkten. Die SPD hat dagegen Themen angesprochen, die die Bevölkerung offenbar bewegen, und konnte auf ein kräftiges Zugpferd setzen. Den besten Wahlkampf hat m. E. die FDP gemacht - klare Ansagen, klare Positionierung Lindners als der starke Mann (meine FDP). Das hat die Zustimmung glatt vervierfacht (von zwei auf acht Prozent).
Achja: Mit einer Google-Suche kommst du relativ leicht zumindest an einige der Plakate.
DP: Nimms mir nicht übel, aber daran:
"Insofern war der Wahlkampf von SPD und Grün astrein. Thema; wir haben auch keine Konzepte und machen weiter Schulden, schlimmer noch als je zuvor, aber wir sind netter als der doofe Röttgen und bleiben auch als Verlierer hier und zwar auf ewig solange bis wir gewählt werden."
merkt man, dass du eine Ferndiagnose von Außerhalb abgibst, die den Kern des Wahlkampfs absolut verfehlt. Dazu siehe WRLs Antwort oben.