An einem Dezembertag 2006 zieht Markus von Stetten* die Notbremse in seinem Leben. Er überwindet seinen Stolz und geht, 54 Jahre, fast zwei Meter groß, im guten grauen Anzug ins Neuperlacher Sozialbürgerhaus.
Dort steht er, Diplom-Ingenieur, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Unternehmensberater und Rhetorik-Trainer, Existenzgründerberater und gelegentlich Dozent einer Wirtschaftsschule, etwas verloren im Flur herum, bis ihn eine schwarzhaarige, kleinere Dame fröhlich fragt, wie sie ihm helfen könne. Von Stetten druckst herum. »Ich glaube, ich habe irgendwas von Hartz IV genuschelt, ich habe mich geschämt«, sagt er. Zu diesem Zeitpunkt ist er seit vier Jahren arbeitslos.
Auf dem Papier gilt er als selbstständiger Berater und Trainer, aber niemand will sich von ihm beraten oder trainieren lassen. Sein erspartes Geld versickert jahrelang in Wohnung, Auto, Essen, Versicherungen.
Solche melancholischen Stories geistern nun seit mehreren Jahren durch den deutschen Blätterwald. Ob Stern, SZ, FR, alle heben immer wieder auf Hartz IV ab.
Ich frage mich beim Lesen nur, ob der frühere Sozialhilfeeempfänger nicht exakt dieselben Probleme (und meist sogar noch weniger Geld zur Verfügung) hatte.
So wird dem Leser suggeriert, Hartz IV sei das Problem. In Wahrheit ist aber das Problem, für die Helden dieser Geschichten Arbeit zu finden, was mit Hartz IV gar nichts zu tun hat.
Im stern war letztens eine Geschichte von einem Maschinenbauer aus Brandenburg. Arbeitslos. Er wollte aus Brandenburg nicht weg, so das erste (sehr große) Problem. Auf Anfrage spezieller Qualifikationen sagte er, er sei Generalist. Wenn ich (als Ingenieur) sowas schon höre. Jemand der mit 25 Jahren Berufserfahrung sagt, er sei Generalist, der kann gar nix. Irgendwelche speziellen Qualifikationen muss man sich als Akademiker aneignen, sonst lebt man in einer Traumwelt. In dieser Traumwelt grasen dann offenbar gerne die Journalisten vom Stern oder der SZ und schreiben ihre traurigen Stories.
Im stern war letztens eine Geschichte von einem Maschinenbauer aus Brandenburg. Arbeitslos. Er wollte aus Brandenburg nicht weg, so das erste (sehr große) Problem. Auf Anfrage spezieller Qualifikationen sagte er, er sei Generalist. Wenn ich (als Ingenieur) sowas schon höre. Jemand der mit 25 Jahren Berufserfahrung sagt, er sei Generalist, der kann gar nix.
Genau. Außerdem muss er asozial sein, schließlich ist er ja arbeitslos.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Kodo schrieb am 09.12.2007 21:14 An einem Dezembertag 2006 zieht Markus von Stetten* die Notbremse in seinem Leben. Er überwindet seinen Stolz und geht, 54 Jahre, fast zwei Meter groß, im guten grauen Anzug ins Neuperlacher Sozialbürgerhaus.
Dort steht er, Diplom-Ingenieur, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Unternehmensberater und Rhetorik-Trainer, Existenzgründerberater und gelegentlich Dozent einer Wirtschaftsschule, etwas verloren im Flur herum, bis ihn eine schwarzhaarige, kleinere Dame fröhlich fragt, wie sie ihm helfen könne. Von Stetten druckst herum. »Ich glaube, ich habe irgendwas von Hartz IV genuschelt, ich habe mich geschämt«, sagt er. Zu diesem Zeitpunkt ist er seit vier Jahren arbeitslos.
Auf dem Papier gilt er als selbstständiger Berater und Trainer, aber niemand will sich von ihm beraten oder trainieren lassen. Sein erspartes Geld versickert jahrelang in Wohnung, Auto, Essen, Versicherungen.
Lässt sich leider nicht anders verlinken.
Auf den Titel "Einer von uns" klicken.
Mal was Praktisches.
Was die immer so an Geschichten haben...einer der bis 50 gearbeitet hat und dann nur drei Jahre von seinen angesparten Reserven leben kann, da kann ich sehr wenig Mitleid empfinden - hat offenbar sein Leben lang rumgeprasst und hat jetzt ein Prolem, seine Ansprüche runterzuschrauben. Einen, der mit dieser Qualifikation keinen Job findet, kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen. In den entsprechenden Regionen und bei entsprechenden Gehaltsvorstellungen wird so jemand mit Kusshand eingestellt.
Beim Satz "Aber aus meiner Wohnung muss ich raus, die ist ›unangemessen teuer‹ für einen Hartz-IV-Empfänger." musste ich schon ein Tränchen verdrücken...der Arme...sind doch nur 673,91 EUR pro Monat, wie kann denn der Staat da kein Einsehen haben...
Spock schrieb am 09.12.2007 23:31
Auf Anfrage spezieller Qualifikationen sagte er, er sei Generalist. Wenn ich (als Ingenieur) sowas schon höre. Jemand der mit 25 Jahren Berufserfahrung sagt, er sei Generalist, der kann gar nix.
Arbeitslosen wird oft antrainiert, "anzugeben" - sich aufzuwerten, zu verkaufen, usw.
Der Begriff "Generalist" klingt jedenfalls sehr nach solchen Maßnahmen.
Kodo schrieb am 09.12.2007 21:14 An einem Dezembertag 2006 zieht Markus von Stetten* die Notbremse in seinem Leben. Er überwindet seinen Stolz und geht, 54 Jahre, fast zwei Meter groß, im guten grauen Anzug ins Neuperlacher Sozialbürgerhaus.
Dort steht er, Diplom-Ingenieur, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Unternehmensberater und Rhetorik-Trainer, Existenzgründerberater und gelegentlich Dozent einer Wirtschaftsschule, etwas verloren im Flur herum, bis ihn eine schwarzhaarige, kleinere Dame fröhlich fragt, wie
einer der bis 50 gearbeitet hat und dann nur drei Jahre von seinen angesparten Reserven leben kann, da kann ich sehr wenig Mitleid empfinden - hat offenbar sein Leben lang rumgeprasst und hat jetzt ein Prolem, seine Ansprüche runterzuschrauben.
Meinst du den speziell wegen seines Einkommens? Denn pauschal kann man sowas nicht behaupten. Ok, behaupten schon, aber es stimmt eben nicht. Die meisten Leute, die Jahrzehnte gearbeitet haben, hätten schon Probleme, auch nur ein paar Monate von Angespartem leben zu können - und die haben nichts verprasst, weil sie nichts zum Verprassen hatten.
Zitat:
Einen, der mit dieser Qualifikation keinen Job findet, kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen.
Zwei Diplome in satten Berufsmärkten schützen nicht vor Arbeitslosigkeit.
Zitat:
Beim Satz "Aber aus meiner Wohnung muss ich raus, die ist ›unangemessen teuer‹ für einen Hartz-IV-Empfänger." musste ich schon ein Tränchen verdrücken...der Arme...sind doch nur 673,91 EUR pro Monat, wie kann denn der Staat da kein Einsehen haben...
Was wäre denn "angemessen"? Und wer zahlt den Umzug?
I.Ü. galt das für eine kleine 60m2-Wohnung.
Zehn Euro "warm" pro Quadratmeter in hiesigen Plattenbauten sind Standard. Wäre das hier unangemessen, müssten alle Betroffenen in meiner Region deportiert werden (wohin auch immer).
Naja, generell empfinde ich 600€ für eine Wohnung nicht als "herumprassen".
Wobei natürlich schon die Frage ist, wo das ganze Geld hin ist. Als Single mit einem Ing Gehalt sollte mehr übrigbleiben. Andererseits mag der auch schon eine Scheidung hinter sich haben.
Die Frage ist natürlich, warum der keinen Job bekommt, manches wird ja auch gerne verschwiegen.
Aber die Kernaussage kam wohl von Spock: Das Problem ist nicht Hartz 4, das Problem ist, dass der keinen Job bekommt.
Arbeitslosen wird oft antrainiert, "anzugeben" - sich aufzuwerten, zu verkaufen, usw.
Der Begriff "Generalist" klingt jedenfalls sehr nach solchen Maßnahmen.
Dann wären das sehr sinnlose kontraproduktive Trainings. Jeder Personalchef und allerspätestens jeder Fachabteilungschef weiß, dass so ein Generalist in der Regel vom allem etwas kann, also von allem fast nix.
Anonymer User schrieb am 10.12.2007 15:18
Meinst du den speziell wegen seines Einkommens? Denn pauschal kann man sowas nicht behaupten. Ok, behaupten schon, aber es stimmt eben nicht. Die meisten Leute, die Jahrzehnte gearbeitet haben, hätten schon Probleme, auch nur ein paar Monate von Angespartem leben zu können - und die haben nichts verprasst, weil sie nichts zum Verprassen hatten.
Der Job, den der gute Mann hatte war kein 'meiste Leute' Job. Angenommen, der war bei IBM oder Konkurrenten, dann hatte der schon vor zehn Jahren umgerechnet über 80.000€ pro Jahr. Der Mann hat die Kurve nicht gekriegt, das kommt vor. Wenn die SZ daraus eine Story machen will, dann muss sie schon alle Scheuklappen aktivieren.
Kodo schrieb am 09.12.2007 21:14 An einem Dezembertag 2006 zieht Markus von Stetten* die Notbremse in seinem Leben. Er überwindet seinen Stolz und geht, 54 Jahre, fast zwei Meter groß, im guten grauen Anzug ins Neuperlacher Sozialbürgerhaus.
Dort steht er, Diplom-Ingenieur, Diplom-Wirtschaftsingenieur, Unternehmensberater und Rhetorik-Trainer, Existenzgründerberater und gelegentlich Dozent einer Wirtschaftsschule, etwas verloren im Flur herum, bis ihn eine schwarzhaarige, kleinere Dame fröhlich fragt, wie
einer der bis 50 gearbeitet hat und dann nur drei Jahre von seinen angesparten Reserven leben kann, da kann ich sehr wenig Mitleid empfinden - hat offenbar sein Leben lang rumgeprasst und hat jetzt ein Prolem, seine Ansprüche runterzuschrauben.
Meinst du den speziell wegen seines Einkommens? Denn pauschal kann man sowas nicht behaupten. Ok, behaupten schon, aber es stimmt eben nicht. Die meisten Leute, die Jahrzehnte gearbeitet haben, hätten schon Probleme, auch nur ein paar Monate von Angespartem leben zu können - und die haben nichts verprasst, weil sie nichts zum Verprassen hatten.
Nun, es kommt halt darauf an, was man unter "prassen" versteht. Ich verstehe darunter alles, was Luxus ist. Urlaubsreisen, teure Wohnung, teures Auto, ständig essen gehen, teure Veranstaltungen besuchen...die Liste ist endlos.
Wie auch immer, er konnte drei Jahre von seinen Ersparnissen leben. Ohne obig angedeuteten Luxus kommt man im Monat bequem mit 1000 EUR aus. Er hatte also (nominell betrachtet, will jetzt keine Kapitalverzehrrechnung aufstellen) die wahrhaft majestätische Summe von 36000 EUR angespart. Mit 50 ist er arbeitslos geworden, hat studiert, hat also vermutlich 25 Jahre lang gearbeitet. Laut SZ hatte er so um die 3000 EUR netto. Davon hat er also (wieder nominell) satte 120 EUR im Monat weggespart...sorry, ich bin nicht beeindruckt. 120 EUR im Monat kann praktisch jeder berufstätige Single in Deutschland sparen, sogar Postausträger.
Was ich halt nicht verstehe: wenn ich arbeitslos werde und Gefahr laufe, es länger als 12 Monate zu bleiben (und das ist man außerhalb der Boomjobs bei entsprechenden Voraussetzungen oft), muss ich radikal die Notbremse ziehen. Als Single ist das sehr einfach: kleine Einzimmerwohnung abseits der Ballungsräume, Auto abschaffen, regelmäßige Ausgaben von der unnützen Versicherung bis zum Zeitschriftenabo gnadenlos zusammenstreichen.
Zitat:
Zitat:
Einen, der mit dieser Qualifikation keinen Job findet, kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen.
Zwei Diplome in satten Berufsmärkten schützen nicht vor Arbeitslosigkeit.
Doch, eigentlich schon. Arbeitslose Akademiker mit Berufserfahrung außerhalb der Geisteswissenschaften sind extrem selten. Da muss man schon viel verbocken. Insbesondere als Dipl.Ing.
Zitat:
Zitat:
Beim Satz "Aber aus meiner Wohnung muss ich raus, die ist ›unangemessen teuer‹ für einen Hartz-IV-Empfänger." musste ich schon ein Tränchen verdrücken...der Arme...sind doch nur 673,91 EUR pro Monat, wie kann denn der Staat da kein Einsehen haben...
Was wäre denn "angemessen"? Und wer zahlt den Umzug?
I.Ü. galt das für eine kleine 60m2-Wohnung.
Zehn Euro "warm" pro Quadratmeter in hiesigen Plattenbauten sind Standard. Wäre das hier unangemessen, müssten alle Betroffenen in meiner Region deportiert werden (wohin auch immer).
Ja, so ein Umzug, das ist natürlich von einem normalen Menschen kaum zu leisten. Und die teuren Miettransporter - bei Sixt verlangen die doch tatsächlich 63 EUR pro Tag für einen einfachen Sprinter! Nicht zu fassen. Wie soll sich das jemand leisten...
Und dann die Mieten. 10 EUR pro qm warm? Da sag' ich: umziehen! Ich empfehle den Rems-Murr-Kreis. Nähe Stuttgart, da gibt es Jobs in rauhen Mengen. Der Ballungsraum ist phantastisch per S-Bahn angebunden, und da gibt es - ich hab's gerade mal recherchiert - z.B. im wunderschönen Schwaikheim eine 3-Zimmer-Wohnung mit 75qm für 450 EUR warm. Mit Balkon, Garten und Einbauküche.
Schönes neutrales Wort übrigens, "deportieren". Beruhigt mich, dass man Dich auch als Anonymous problemlos erkennen kann.
SteffenHuber schrieb am 11.12.2007 00:26
Ja, so ein Umzug, das ist natürlich von einem normalen Menschen kaum zu leisten. Und die teuren Miettransporter - bei Sixt verlangen die doch tatsächlich 63 EUR pro Tag für einen einfachen Sprinter! Nicht zu fassen. Wie soll sich das jemand leisten...
Gar nicht nötig. Wenn das Sozialamt den Umzug in eine andere (angemessene) Wohnung verlangt, bezahlt es auch den Umzug.