Demnächst steht das traditionelle liberale Dreikönigstreffen an, Zeit für eine kurze Klausur wie es um die FDP steht.
Es steht schlecht.
Anzeichen dafür gibt es viele. FDP Generalsekretär Niebel wurde gerade für seine Instinktlosigkeit aus den eigenen Reihen gerügt und der Stern watscht ihn dafür dermassen ab, wie ich das selten erlebt habe. Ex Chef Wolfgang Gerhardt meldet sich mit einem Grundsatzpapier zu Wort, das eine einzige Abrechnung ist mit Westerwelles Führungsstil. Natürlich ist das eine Retourkutsche dafür, dass Westerwelle Gerhardt aus den wichtigsten Ämtern verdrängt hat, aber seine Spitzen sitzen; die FDP als one man show ohne weitere Führungspersönlichkeiten, die Wähler werden emotional nicht erreicht und in den liberalen Kernthemen herrscht repräsentative Eiszeit. Das liberale Urgestein Gerhard Baum stellt fest, dass es einfach keine umfassende liberale Philosophie unter dem Vorsitzenden Westerwelle gäbe. 'Wie denke die Partei daran, mit dem Verarmungsproblem der Bundesrepublik umzugehen? Wo diskutiere die FDP die Frage der globalen Gerechtigkeit? Wo stehe sie denn in der Klimapolitik, einem Thema, bei dem die Liberalen einmal führende Kraft gewesen sind?'
Noch ist die Attacke Gerhardts keine Personaldiskussion. Der stern fragt: wer soll Westerwelle im Augenblick schon ersetzen? Aber die kommenden Landtagswahlen und das Abschneiden der FDP dabei werden seinen künftigen Stellenwert beziffern.
Gerhard liegt richtig mit seinem Papier.
Er sagt aber nichts Neues.
Westerwelle war noch nie überzeugend, außer darin, in die Regierung zu wollen.
Das Beliebige an ihm wurde besonders deutlich, als er sich Mümmelmanns 18 %-Kampagne aufschwatzen ließ.
Allerdings war Gerhard auch nicht gerade ein Shootingstar.
Trotzdem war es ein Fehler von Westerwelle, Gerhard aufs Altenteil zu schicken.
Die FDP-Politiker stehen schon ziemlich lange für nichts.
Das haben sie allerdings auch mit anderen Politikern gemeinsam.
Zum Beispiel mit der Kanzlerin.
Insoweit würde die jetzige FDP gut zur Union passen.
Wenn solche Leute wie bspw. Baum bloß ein wenig jünger wären und in der Partei mehr zu sagen hätten, Leutheusser-Schnarrenberger ist ja auch durchaus akzeptabel...
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
DP schrieb am 05.01.2008 13:48
FDP Generalsekretär Niebel wurde gerade für seine Instinktlosigkeit aus den eigenen Reihen gerügt
Freche Vergleiche sind kein Beinbruch. Die Gutmensch-Reaktionen verlaufen schnell wieder im Sand...
Zitat:
das eine einzige Abrechnung ist mit Westerwelles Führungsstil
Das ist schon eher ein Problem für die FDP. Dieser laute Phrasendrescher wäre als dritte Geige viel werbewirksamer gewesen.
Zitat:
die FDP als one man show ohne weitere Führungspersönlichkeiten
Naja, so gehts der FDP schon lange und anderen Parteien ähnlich (Merkel/Union, Schröder/Un-äh-SPD).
Schlimmer ist dagegen eher sowas:
Zitat:
...und in den liberalen Kernthemen herrscht repräsentative Eiszeit. Das liberale Urgestein Gerhard Baum stellt fest, dass es einfach keine umfassende liberale Philosophie unter dem Vorsitzenden Westerwelle gäbe...
So richtig liberal waren die Scheinliberalen doch schon lange nicht mehr (das wurde wohl für die Posten unter Kohl geopfert).
Zitat:
Wie denke die Partei daran, mit dem Verarmungsproblem der Bundesrepublik umzugehen?
Das hat die FDP zuletzt interessiert, als es da noch Sozialliberale gab...
Zitat:
Wo stehe sie denn in der Klimapolitik, einem Thema, bei dem die Liberalen einmal führende Kraft gewesen sind?
Hä? Wann und inwiefern hat das je die FDP interessiert???
„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Die FDP hat wie Grüne und Linke ein Problem überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Und das um so mehr, je mehr der Zoff in der gK zunimmt und die öffentliche Aufmerksamkeit absorbiert.
Da muss man starke Worte wählen wie Niebel um überhaupt noch aufzufallen. Und unangenehm aufzufallen ist immer noch besser als gar nicht. Genschers Abmahnung kann ich deshalb nicht nachvollziehen. Was die Illustrierte Stern dazu meint, interessiert mich nicht, habs deshalb auch nicht angeklickt.
Wer Leuten wie Hirsch oder Baum nachweint meint linksliberal. Noch mehr Gedränge in der linken Ecke?
Und solche Leute mit dem Zusatz "ur-" zu adeln ist eine Frage, wo man auf der Zeitleiste aufsetzt. Da gab es auch ganz andere. Mein Urgestein-Favorit ist da immer noch der olle Marktgraf.
Wer Leuten wie Hirsch oder Baum nachweint meint linksliberal. Noch mehr Gedränge in der linken Ecke?
Man kann doch Bürgerrechte verteidigen und gleichzeitig wirtschaftspolitisch mehr Markt fordern. Alternativ kann man natürlich auch einen auf Pym Fortyn machen und das aufgeklärte, hedonistische Abendland gegen die bösen Terror-Moslems verteidigen.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Neulich bei Kerner: Kati Witt, die Eisheilige der Nation, ist mit ihren Eltern da. Kerner fragt, ob die Eltern damals die Welterfolge ihrer Tochter „bei Oertel“ gesehen hätten. Mutter Witt ahnt die Falle. Sie sagt verschmitzt: „Das wurde doch international übertragen“. Vater Witt rückt gerade, dass selbstverständlich der DDR-Kanal Bild und Ton nach Chemnitz brachte. Nach der DDR sei’s aber auch schön gewesen, doch mal mit dabei sein zu können im nichtsozialistischen Ausland – allerdings musste man sich in Lillehammer selbst um die Karten für die Kür kümmern.
Die Freiheit ist kein Himmelreich, kann sogar gefährlich sein. Auch wenn man sich wie Mutter Witt nachträglich beim Ostfernsehen ertappt fühlt. Was denken jetzt die Leute über mich? Ist die Ängstlichkeit gesamtdeutsch? Ist eine Offenherzigkeit für den Marktwert ebenso unheilvoll, wie es einst eine Unbedachtheit gegenüber dem Denunzianten für die Karriere war?
Ist in diesem Sinne Angela Merkel eine besonders bürgernahe und gesamtdeutsche Politikerin? Sich nicht regen bringt Segen. Kein Wort zu viel. Nur nicht anecken. „Kinder mit ’nem Willen bekomm’ eins auf die Brillen.“ Das hat Margot Honecker gedacht. Gesagt hat es mir aber mal eine Hamburger Lehrerin. Angela Merkel hat ihre Lektionen nicht vergessen. Doch welche war wofür? War der Wahlabend 2005 die Strafe für den Mut des Professors aus Heidelberg oder für den Unmut über den Mut in den eigenen Reihen? Dann ist doch am sichersten, man lässt weder Mut noch Unmut aufkeimen. Gedacht, getan.
So mufft es bei der großen Koalition wie einst bei der Nationalen Front der DDR. Umfragen sollen den Weg des Fortschritts weisen wie einst Politbürobeschlüsse. Wahlen muss man nicht fürchten, solange Umfragen Machterhalt im Block der Parteien und Massenorganisationen versprechen. Die Oppositionsrechte im Parlament sind koalitionsfreundlich gering ausgestattet. Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände sind domestiziert: Tarife werden im Kanzleramt ausgehandelt. Im Gesundheitswesen herrscht Planwirtschaft. Das Weltgeschenk der Konjunktur wird genommen wie einst der Strauß-Honecker-Kredit. Wozu dann noch heikle Strukturreformen beim Steuersystem oder am überregulierten Arbeitsmarkt?
Mit dem tiefen Griff in Steuerzahlers Tasche wird die große Umverteilungsmaschine versorgt. Leistung und mehr Netto als gesellschaftlicher Antrieb werden missachtet; schließlich soll der Staat die Segnungen spenden. Und für die internationale Anerkennung der demokratischen Republik der Deutschen hat sich die Bundeskanzlerin aufgerieben, auch nicht hier und da den erhobenen Zeigefinger gescheut, wenn’s nötig war. Das kam an. Die Neujahrsansprache aus dem Bundeskanzleramt lobte folgerichtig die eigene Bilanz wie dereinst ein Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees die Erfolge seit dem letzten Plenum.
„Mehr Freiheit wagen“ wollte die Kanzlerin am Start. Sie ist zurückgetreten von diesem Anspruch. Gewollt oder ungewollt: Aus der Politik der kleinen Schritte ist eine Politik des Rückschritts geworden. Mehr Misstrauen üben, heißt die tatsächliche innenpolitische Devise. Neugieriger und allwissender war der Staat nie. Der Bürger wird so gläsern wie die Kuh im Dresdner Hygienemuseum. Vorratsdatenspeicherung bedeutet Generalverdacht, Fingerabdruck im Pass nicht weniger. Steueridentifikationsnummer hieß in der DDR Personenkennzahl. Die Balance von Bürger- und Freiheitsrechten gelingt immer weniger. Ein „unsichtbares Überwachungsnetz“ moniert der Bundesdatenschutzbeauftragte. Das BKA will nach dem Lausch- auch den Spähangriff. Autokennzeichen werden schon automatisch mit Fahndungslisten verglichen. Online-Durchsuchungen nehmen Gestalt an.
Terrorabwehr ist eine wichtige Aufgabe unseres Staates, und er erfüllt sie gut. Dafür braucht er die Aufmerksamkeit der Bürger. Horrorszenarien, wie sie dem Innenminister der großen Koalition ab und an entschlüpfen, sind kontraproduktiv. Weil in der DDR tagein, tagaus die Gefahr durch die „Bonner Ultras“ ausgemalt wurde, hat schließlich keiner daran geglaubt. Der große Unterschied: Die Terrorgefahr ist real.
Der Sozialismus ist von gestern und überall komplett gescheitert. Doch Marx hatte recht: Ein Gespenst geht um in Europa. Es lässt sich nicht nur in Parteiprogrammen nieder, gern auch im Alltag. Ganz leise, mit kleinen Schritten. Es ist ein gesamtdeutscher Glaube, dass das nicht schaden kann. Noch weit weg von Honecker, aber schon nah bei Lafontaine. Bodo Ramelow, der für die Kommunisten Thüringen zurückgewinnen will, liegt nicht so falsch: „Mehr links war nie.“ Danke Angela. Danke Kurt.
Der Autor ist Generalsekretär der FDP.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 04.01.2008)
Ich kann mich mit dem Text auch anfreunden. Und für die Leutheuser-Dingsbums-Fans ist doch auch was dabei.
Auch in der FDP regt sich Widerstand gegen die Genscher-Watschen. Der BaWü-Landesverband hat sich demonstrativ hinter (oder vor?) Niebel und seinen Beitrag gestellt.
Ich hingegen bin doch immer wieder froh, wenn es jemandem auffällt, dass das diktatorische Regime der DDR, welches sich zum Schein mit gleichgeschalteten Blockparteien und Massenorganisationen umgeben hat, nichts gemein hat mit der grossen Koalition der Bundesregierung 2007. In Zeiten, in denen die SED wieder in der Hauptstadt herrscht und die Berliner Schüler wissen, dass Helmut Kohl als SED Generalsekretär die Mauer entfernte, finde ich es angebracht auf den Unterschied zwischen beiden Regierungsformen hinzuweisen. Es mag ja sein, dass der FDP die Themen ausgehen und ich habe auch volle Verständnis dafür, dass die kleineren Parteien sich von der gK erdrückt fühlen. Das heisst aber nicht, dass man nun wahllos Scheisse erzählen muss. Wahrscheinlich, mag sich Herr Niebel gedacht haben, existiert so etwas wie eine politische Kultur gar nicht mehr, und weil Politikern grundsätzlich gar nichts mehr geglaubt wird kann man eben historisch unerträglichen Müll erzählen, Hauptsache Aufmerksamkeit (FW). Vielleicht glaubt aber inzwischen auch schon die Mehrheit der FDP an die These und Niebel hat nur ausgesprochen was alle denken, dass die DDR auch nicht schlecht war und im Grunde so eine Art Schweiz mit einem Mehrparteiensystem, welches irgendwie aus unerfindlichen Gründen mal für undemokratisch erklärt wurde.
Ist mir eigentlich auch egal, in beiden Fällen bin ich froh, dass ich mit Deutschland nichts mehr am Hut habe.