Lexx schrieb am 05.04.2008 17:37
Ich bin mir nichtmal sicher, ob es wirklich einen Werteverfall gibt, oder ob die Werte sich nicht "nur" verschieben (hin zu weniger gesellschaftstauglichen, indivudialistischen statt kollektiven Werten, also etwa von Solidarität und Pflichterfüllung hin zu persönlichem Wohlergehen und Karriere).
"also etwa von Solidarität und Pflichterfüllung hin zu persönlichem Wohlergehen und Karriere"
Das würde ich aber nicht als klassischen "Wert" ansehen. Diese moralischen Werte sind doch eigentlich gerade Dinge, bei denen der Egoismus (also das eigene Wohlergehen) zugunsten eines "höheren Wertes" im Sinne der Gemeinschaft geopfert wird.
"Atheismus ist erstmal genauso eine Ideologie (ein "-ismus") wie die Religionen auch."
Nein, das sehe ich nicht so. Dafür sind Atheisten viel zu vielfältig. Den meisten ist das Thema eigentlich schlicht egal. Das passt aber so gar nicht zu einer Ideologie, die ja per Definition sehr engagierte Anhänger hat.
Das allerdings Atheisten weniger Werte haben als religiöse Menschen, glaube ich nicht. Sie haben nur andere, die auch überhaupt nichts mit Egoismus zu tun haben müssen. Wer in der freiwilligen Feuerwehr mitmacht, muss nicht religiös sein. Im Gegenteil sind manche Werte wie z. B. Gleichberechtigung durchaus den religiösen Werten konträr.
Kater, das ist natürlich eine Fangfrage gewesen....
Ich habe nie von Egozentrik als Wert gesprochen.
Der Wert nach persönlichem Wohlergehen und Karriere wird z.B. von der FDP vertreten unter dem Begriff Liberalismus. Während etwa kurz nach dem Krieg viel auf Zusammenhalt in der Bevölkerung gegeben wurde, stehen heute Begriffe wie "Eigenverantwortung", "Leistungsgesellschaft" oder "Sozialschmarotzer" hoch im Kurs.
Im Klartext:
Früher sollte das Kollektiv die Schwachen stützen - Solidarität. Heute soll jeder einzelne sich selbst helfen - Eigenverantwortung.
Heute werden die hohen Einkommen als Leistungsträger gesehen, unabhängig davon, was diese Leute tun - Karriere. Früher hätte man dafür vielleicht auch einen Ehrenamtler in Betracht gezogen - Pflichterfüllung.
DAS ist die Werteverschiebung, von der ich spreche (und die in verschiedenen Milieus unterschiedlich weit fortgeschritten ist). Egozentrisch sind die Leute, die als "Leistungsträger" "in Eigenverantwortung" diese Wertung (öffentlich) für sich in Anspruch nehmen. Das wiederum ist kein Wert, sondern eine (schlechte) Charaktereigenschaft.
"Den meisten ist das Thema eigentlich schlicht egal. Das passt aber so gar nicht zu einer Ideologie, die ja per Definition sehr engagierte Anhänger hat."
Damit gibst du mir eine schöne Vorlage, um meine Ausführungen zu präzisieren: Atheismus ist nicht keine Ideologie, weil vielen sogenannten Atheisten das Thema egal ist. Sondern viele, denen das Thema eigentlich egal ist, werden einfach als Atheisten bezeichnet.
Ich selbst spreche mich dagegen aus, Atheismus als Synonym für Religionslosigkeit zu verwenden (so wie Kodo das m.E. getan hat), denn auch Buddhisten und Konfuzianisten haben keine göttlichen Wesen und sind demzufolge einer atheistischen Philosophie anhängig, also Atheisten.
Aber nicht jene Leute, die die Existenz eines (oder mehrerer) göttlicher Wesen aktiv ablehnen (was ich als Ideologie bezeichnet habe) sind diejenigen, bei denen der vermeintliche Werteverfall eintritt, sondern diejenigen, die eigentlich an garnichts so richtig glauben, oder wie ich geschrieben habe "pragmatisch werden statt "höhere Ziele", Ideale bzw. Ideologien zu verfolgen". Und bei denen ist es dann egal, ob sie U-Boot-Christen sind, junge Alibi-Muslime oder tatsächlich religionslos.
"Der Wert nach persönlichem Wohlergehen und Karriere wird z.B. von der FDP vertreten unter dem Begriff Liberalismus. Während etwa kurz nach dem Krieg viel auf Zusammenhalt in der Bevölkerung gegeben wurde, stehen heute Begriffe wie "Eigenverantwortung", "Leistungsgesellschaft" oder "Sozialschmarotzer" hoch im Kurs. "
Ich glaube, der "Wert" der dahinter steht, ist "Freiheit". Daraus ergibt sich natürlich so manches, wie auch Eigenverantwortung.
Allerdings kann ich diese Werteverschiebung tatsächlich nicht erkennen. Freiheit hat als Wert sogar tendentiell eher verloren, seitdem die sichtbare Bedrohung in Form der Mauer weg ist.
"Ich selbst spreche mich dagegen aus, Atheismus als Synonym für Religionslosigkeit zu verwenden (so wie Kodo das m.E. getan hat), denn auch Buddhisten und Konfuzianisten haben keine göttlichen Wesen und sind demzufolge einer atheistischen Philosophie anhängig, also Atheisten."
Ok, damit bin ich einverstanden. Wenn man allerdings die Definition so stark einschränkt, kann ich der Eingangsthese gar nicht mehr zustimmen, die Zahl dieser Leute wächst zwar vielleicht aber von einer extrem niedrigen Basis heraus.
"Aber nicht jene Leute, die die Existenz eines (oder mehrerer) göttlicher Wesen aktiv ablehnen (was ich als Ideologie bezeichnet habe) sind diejenigen, bei denen der vermeintliche Werteverfall eintritt, sondern diejenigen, die eigentlich an garnichts so richtig glauben, oder wie ich geschrieben habe "pragmatisch werden statt "höhere Ziele", Ideale bzw. Ideologien zu verfolgen". Und bei denen ist es dann egal, ob sie U-Boot-Christen sind, junge Alibi-Muslime oder tatsächlich religionslos."
Ich wehre mich dagegen, den Wunsch nach mehr Freiheit als Werteverfall zu sehen.
Früher sollte das Kollektiv die Schwachen stützen - Solidarität. Heute soll jeder einzelne sich selbst helfen - Eigenverantwortung.
Heute werden die hohen Einkommen als Leistungsträger gesehen, unabhängig davon, was diese Leute tun - Karriere. Früher hätte man dafür vielleicht auch einen Ehrenamtler in Betracht gezogen - Pflichterfüllung.
DAS ist die Werteverschiebung, von der ich spreche (und die in verschiedenen Milieus unterschiedlich weit fortgeschritten ist). Egozentrisch sind die Leute, die als "Leistungsträger" "in Eigenverantwortung" diese Wertung (öffentlich) für sich in Anspruch nehmen.
Lexx, du bist ja noch ein paar Jahre jünger, daher blaff ich dich jetzt nicht an, obwohl ich es vorhatte.
Ich habe den gegenteiligen subjektiven Eindruck: Es wird in Deutschland 2008 soviel über Solidarität, soziale Gerechtigkeit, etc. geredet oder besser geschwafelt wie nie zuvor. Ich sehe eine Werteverschiebung in die entgegengesetzte Richtung.
Während etwa kurz nach dem Krieg viel auf Zusammenhalt in der Bevölkerung gegeben wurde, stehen heute Begriffe wie "Eigenverantwortung", "Leistungsgesellschaft" oder "Sozialschmarotzer" hoch im Kurs.
Ich denke da verklärst du einiges, was natürlich mangels eigenem Erleben nachzusehen ist.
Der besagte Zusammenhalt spielte sich keinesfalls innerhalb der "Bevölkerung" als homogener Gruppe ab, sondern in viel kleineren sozialen Zusammenhängen - auch wenn sich das im offiziellen Politsprech ganz anders anhörte. So stiessen die vielen Flüchtlinge keineswegs auf offene Arme. Wie auch, wenn die Probleme der Ansässigen selbst alles andere als klein waren? Die Integration wurde mit erheblichem Druck von oben wie Zwangseinquartierungen durchgezogen.
Die Suche nach Arbeitsplätzen spielte sich mangels arbeitsamtlicher Möglichkeiten im privaten Dunstkreis ab. Nepotismus und Klüngel- bzw. Seilschaftwirtschaft würde man das heute nennen. Kriterien für einen Job waren kaum Bewerbungsunterlagen als gleiche Einheit im Krieg, gleiche schlagende Verbindung im Studium oder gleicher Wohnort vor der Vertreibung usw.
Und auch wenn die Soziologen die Begriffe dazu erst später erfunden haben, die Ellenbogengesellschaft und Selbstverwirklichung über Statussymbole gab es schon längst und waren gnadenlos. Der erste TV in der Nachbarschaft, das erste bzw. später das grösste Auto, Urlaub in Italien am Teutonengrill, die Kinder auf dem Gymnasium - das bestimmte die Welt damals wie heute.
Lexx schrieb am 09.04.2008 09:21
Im Klartext:
Früher sollte das Kollektiv die Schwachen stützen - Solidarität. Heute soll jeder einzelne sich selbst helfen - Eigenverantwortung.
Das macht doch Sinn; früher, also in den Mangelwirtschaften, kümmerte sich die breite Allgemeinheit, die auch nichts hat, um die ganz schwachen; Verarmten, Kranken. Die werden unterstützt nach dem Prinzip; kein Hunger, einfache Kleidung und ein Dach über den Kopf. Mehr nicht. In einer Wohlstandsgesellschaft weitet sich die Fürsorge entsprechend aus in gut essen, modisch kleiden, komfortabel wohnen; kurz: Teilhabe am Wohlstand. Wird der Sozialstaat so pervertiert hält sich freilich die Solidarität in engen Grenzen. Deshalb ist die Eigenverantwortung eine ferne, unerreichbare Utopie, denn der Bürger ist so fest in das System aus Steuern, Abgaben, Leistungsempfang eingebunden, dass an wirklicher eigenen Verantwortung gar nicht zu denken ist.
Lexx schrieb am 08.04.2008 14:37
Wer erzählt denn so einen Schwachsinn?
Du hast es angedeutet... Egozentrik mit Punkten definiert... und statt Werteverfall eine Werteverschiebung dorthin erwaehnt... und ich hab laut nachgedacht, ob Egozentrik ein Wert sein kann... (imho logischerweise schon, wenn man es als Wert definiert)...
kater_5 schrieb am 09.04.2008 09:31
"Der Wert nach persönlichem Wohlergehen und Karriere wird z.B. von der FDP vertreten unter dem Begriff Liberalismus. Während etwa kurz nach dem Krieg viel auf Zusammenhalt in der Bevölkerung gegeben wurde, stehen heute Begriffe wie "Eigenverantwortung", "Leistungsgesellschaft" oder "Sozialschmarotzer" hoch im Kurs. "
Ich glaube, der "Wert" der dahinter steht, ist "Freiheit". Daraus ergibt sich natürlich so manches, wie auch Eigenverantwortung.
...
Ich wehre mich dagegen, den Wunsch nach mehr Freiheit als Werteverfall zu sehen.
Kommt drauf an, ob und inwiefern andere dann fuer diesen Freiheitswunsch bluten bzw. ihrerseits mit Freiheitseinschraenkung/-beraubung zahlen muessen, oder?!
Wobei natuerlich in einer Gesellschaft, in der der Ellenbogen vergoettert wird, so ein Verhalten positiver als Wert angesehen werden koennte, als in einer gegenteiligen, solidarischen Gesellschaft...?!
Spock schrieb am 09.04.2008 09:38
Ich habe den gegenteiligen subjektiven Eindruck: Es wird in Deutschland 2008 soviel über Solidarität, soziale Gerechtigkeit, etc. geredet oder besser geschwafelt wie nie zuvor. Ich sehe eine Werteverschiebung in die entgegengesetzte Richtung.
Naja, du sagst es doch selbst: es wird von Gerechtigkeit, Solidaritaet, usw. eben nur geredet oder gar nur geschwafelt...
Während etwa kurz nach dem Krieg viel auf Zusammenhalt in der Bevölkerung gegeben wurde, stehen heute Begriffe wie "Eigenverantwortung", "Leistungsgesellschaft" oder "Sozialschmarotzer" hoch im Kurs.
Ich denke da verklärst du einiges, was natürlich mangels eigenem Erleben nachzusehen ist.
Der besagte Zusammenhalt spielte sich keinesfalls innerhalb der "Bevölkerung" als homogener Gruppe ab, sondern in viel kleineren sozialen Zusammenhängen - auch wenn sich das im offiziellen Politsprech ganz anders anhörte. So stiessen die vielen Flüchtlinge keineswegs auf offene Arme. Wie auch, wenn die Probleme der Ansässigen selbst alles andere als klein waren? Die Integration wurde mit erheblichem Druck von oben wie Zwangseinquartierungen durchgezogen.
Die Suche nach Arbeitsplätzen spielte sich mangels arbeitsamtlicher Möglichkeiten im privaten Dunstkreis ab. Nepotismus und Klüngel- bzw. Seilschaftwirtschaft würde man das heute nennen. Kriterien für einen Job waren kaum Bewerbungsunterlagen als gleiche Einheit im Krieg, gleiche schlagende Verbindung im Studium oder gleicher Wohnort vor der Vertreibung usw.
Und auch wenn die Soziologen die Begriffe dazu erst später erfunden haben, die Ellenbogengesellschaft und Selbstverwirklichung über Statussymbole gab es schon längst und waren gnadenlos. Der erste TV in der Nachbarschaft, das erste bzw. später das grösste Auto, Urlaub in Italien am Teutonengrill, die Kinder auf dem Gymnasium - das bestimmte die Welt damals wie heute.
Wohl wahr! Und aus den Schilderungen der Aelteren ist zu entnehmen, dass es sogar noch schlimmer zuging, als hier angedeutet.
Aber es gab einen gravierenden Unterschied: Solches Verhalten bzw. solche Auswuechse galten damals im Allgemeinen nicht als schick, erstrebenswert oder gar als positiver Wert, den man offen propagierte und auch noch auslebte.
Spock schrieb am 09.04.2008 09:38
Ich habe den gegenteiligen subjektiven Eindruck: Es wird in Deutschland 2008 soviel über Solidarität, soziale Gerechtigkeit, etc. geredet oder besser geschwafelt wie nie zuvor. Ich sehe eine Werteverschiebung in die entgegengesetzte Richtung.
Naja, du sagst es doch selbst: es wird von Gerechtigkeit, Solidaritaet, usw. eben nur geredet oder gar nur geschwafelt...
wh
Sicher. Es fließen allein in Deutschland zwar noch dreistellige Milliardenbeträge (=Sozialetat), aber ansonsten wird nur geschwafelt.
Spock schrieb am 09.04.2008 15:08 Es fließen allein in Deutschland zwar noch dreistellige Milliardenbeträge (=Sozialetat), aber ansonsten wird nur geschwafelt.
Von der Waschschüssel der Geburt bis zur Waschschüssel des Bestatters:
Nur Geschwafel
Kodo schrieb am 05.04.2008 16:30
...
Das DDR-System war ja nun ein atheistisches System par excellence.
Oder wie oder was?
Personenkulte in der DDR?
Bei den Nazis ja.
erkläre mal, was du als atheistisches System par excellence behandelt sehen möchtest. Es könnte allerdings sein, dass ich davon dann keine Ahnung habe.
Die DDR hatte Personenkulte, siehe die Waffenaufmärsche vor Politikern wie Honecker, Axen... Oder auch inhaltsleere Symbolik wie Fahnen für gute Arbeit im Sinne des Sozialismus, Pokale für densselben Quatsch, Wimpel wieder für dasselbe usw.
Zitat:
Die Rassentheorie wurde im Auftrag und unter Kontrolle der Nationalsozialisten weiter entwickelt und verfeinert.
Rassentheoretiker in dieser Zeit waren u. a. Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther und Egon Freiherr von Eickstedt.
Die Ideologie baute auf vielen Fehlannahmen der noch unvollkommenen Völkerkunde und Biologie auf.
Zum Beispiel wurden alle Hochkulturen, die Griechen und Römer von den Nationalsozialisten mit den Ariern in Zusammenhang gesehen. (Wikipedia)
Die Nazis haben die Wissenschaft missbraucht, um für ihre eigenen fixen Ideen nachträglich eine Begründung zu konstruieren. Die Rassentheorie ist dafür ein Beispiel, ein Gutteil der Wissenschaften wurde von denen jedoch vernichtet. Zu den Prioritäten: Judenvernichtung ging ganz klar vor Wissensgewinn. Die waren so gründlich, dass Deutsch als Wissenschaftssprache ausgestorben ist; vor den Nazis haben Wissenschaftler aller Länder ihre Erkenntnisse auf Deutsch geradebrecht.
Die Rosinenpickerei der Nazis ist beim besten Willen nicht als Wissens(chafts)gläubigkeit zu interpretieren. So viel Ehre haben die nicht verdient.
Zitat:
Der Atheismus ist die Ursache für die Wertelosigkeit unserer Gesellschaft und auch für die Unfähigkeit, mit dem als bedrohlich empfundenen Islam umzugehen.
Ja, das ist wohl deine These. Aber durch Wiederholung entsteht noch immer keine Begründung.
Zitat:
Natürlich haben Atheisten eine Lobby:
Die Humanistische Union, der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, die BILD-Zeitung usw.
Einen gewissen Respekt vor der Macht der BILD-Zeitung kann ich nachvollziehen, aber sind die anderen Genannten wirklich ein Grund, Angst zu haben?