Der Allensbacher Politologe und Wissenschaftsjournalist Wolfgang J. Koschnick hat auf Telepolis eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, die sich sehr grundlegend mit der Fundamentalkrise der etablierten Demokratien auseinandersetzen:
Zitat Als Regierungsform stoßen die Demokratien an ihre Grenzen, weil sie nicht mehr leisten, wozu sie da sind: die Interessen aller zu wahren und ihren Völkern ein gutes Leben zu ermöglichen. Sie dienen nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern nur noch den Interessen einzelner Gruppen.
Zitat Ob bei Renten, Gesundheit, Bildung oder Steuern, überall wird stets den Leuten mit einem eher kleinen Einkommen in die Tasche gegriffen. Da kann man das machen. Denn die haben keine Repräsentanten in Berlin und können sich nicht wehren. Die Studie konstatiert: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.
Zitat Über die "Diäten" wird in der Öffentlichkeit meist völlig irreführend diskutiert. Viele Beobachter kritisieren, dass die Abgeordneten sich ihr "Gehalt" gewissermaßen selbst bewilligen können - das verdient auch jede Kritik, ist aber nicht das Hauptproblem. Die Abgeordneten selbst halten dem stets entgegen, dass ihre Aufwandsentschädigung sich im Vergleich zu Managergehältern im unteren Bereich bewegt, und das stimmt sogar. Aber was managen die schon? Doch absolut gar nichts.
Es stimmt eben auch, dass mit allen zusätzlichen Einnahmen denn doch ein ordentlicher Gesamtbetrag zusammenkommt. Alles in allem verfügen die Abgeordneten im Schnitt über Geld und geldwerte Vorteile in Höhe von gut 30.000 Euro im Monat. Das verdient nicht unbedingt sehr viel Mitgefühl der arbeitenden Menschen, die mit wesentlich weniger über die Runden kommen müssen.
Zitat Um in politische Ämter zu gelangen, braucht man Fertigkeiten, die einen Kandidaten für eine Reihe von Dingen qualifizieren mögen: auf jeden Fall nicht zum Führen eines politischen Amts und schon gar nicht für das Tragen ernsthafter Verantwortung.
Zitat Die Parteien haben ein oligarchisches Feudalsystem errichtet. Der Parteienstaat hat die freiheitliche demokratische Grundordnung außer Kraft gesetzt. Er ist in Wahrheit eine Form der milden Funktionärsdiktatur und hat keinerlei Lösungskompetenz für die existenziellen Fragen des Gemeinwohls, weil er Eigensucht, Opportunismus und Korruption zu Prinzipien politischer Herrschaft erhoben hat.
Zitat Der unbestreitbar ideale Politiker ist ein Mensch, der wirtschaftlich, politisch und weltanschaulich von niemandem abhängt und seine Entscheidungen frei von äußeren Einflüssen fällt - ein Mensch also, den man in der realen Politik von heute vergebens sucht.
Zitat Wenn den politischen Parteien die Mitglieder in hellen Scharen davonlaufen und die Leute sich von der Politik und den Politikern in Massen abwenden, so macht das gar nichts. Dann greifen die Parteien halt den Steuerzahlern noch etwas tiefer in die Taschen und lassen die ihre Organisationen bezahlen.
In den Gründungsjahren der Bundesrepublik wäre niemand auf die absurde Idee verfallen, dass die Parteien sich von den Steuerzahlern finanzieren lassen dürften, nur weil sie aus eigener Kraft nicht existenzfähig sind. Heute ist das zur Selbstverständlichkeit geworden - obwohl das nie so weit hätte kommen dürfen; denn die politischen Parteien könnten keine zwei Tage überleben, entzöge man ihnen die staatliche Unterstützung, mit der sie sich selbst künstlich am Leben erhalten.
Zitat Wahlkämpfe sind nur noch von PR-Experten inszenierte Schauspiele, die einige politische Themen für die Bevölkerung theatralisch in Szene setzen und ihr dabei vorgaukeln, sie hätte etwas zu entscheiden und etwas auszuwählen. Sie hat aber nichts auszuwählen; denn die Themen haben sich die Parteiführer und ihre PR-Agenten schon vorher herausgepickt, und zwar nicht nach dem Gesichtspunkt, welche Themen der Bevölkerung unter den Nägeln brennen. Ganz im Gegenteil, solche Themen werden absichtlich ausgeblendet.
Ausgewählt werden Themen, mit denen man Wahlen zu gewinnen hofft. In Wahrheit darf die Bevölkerung nur herunterschlucken, was die Parteizentralen ihr vorgekaut haben. Die Bevölkerung ist zum Wiederkäuer der Parteien degradiert worden.
Zitat Als Foren der parlamentarischen Debatte sind Bundestag und Länderparlamente leere Gefäße, Austragungsstätten für aufgeblasenes hohles Geschwätz.
Mit dem Parlamentarismus eng verknüpft war ja stets die naive Vorstellung, dass so etwas wie eine Regierung durch kultivierte Debatte möglich sei, dass also die Vernunft von Entscheidungen wie einst Phoenix aus der Asche aus Diskussionen emporsteigen könne - so wie das aus den geistreichen Debatten im antiken Athen und Rom möglich gewesen zu sein schien. Doch selbst in der Frühzeit des Parlamentarismus war das eine reine Utopie. In den hoch ritualisierten Debatten moderner Parlamente ist von vornherein jede Hoffnung darauf begraben, dass aus dem primitiv-rechthaberischen und dennoch zahnlosen Parteiengebrüll auch nur Rudimente von Vernunft hervorgehen könnten.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
ich habs auch nicht durchgelesen, aber der Text wundert mich nicht, denn das deutsche System ist halt nun mal keine Demokratie, es nennt sich "parlamentarische Demokratie" - es ist also etwas anderes als eine "nur-Demokratie".
Die einzige weitgehend funktionierende Demokratie die ich kenne ist die der Schweiz - das mag aber daran liegen dass ich eine ganze Reihe von Staaten nun mal nicht sehr gut kenne.
Schönes Wochenende WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Die einzige weitgehend funktionierende Demokratie die ich kenne ist die der Schweiz
Sehe ich genauso.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Zitat Gruppen wie Parteien, Parlamente, Fraktionen haben die Tendenz zum Groupthink. Groupthink prägt immer wieder die Politik demokratischer Systeme. Es ist eine Form des kollektiven Irrsinns, in den sich Gruppen bis hin zu ganzen Nationen immer wieder hineinsteigern. Und sie wird stets dadurch gefördert, dass die Parlamente immer größer werden: Riesenapparate, in denen der Einzelne sich verliert. Der 1. Bundestag hatte noch 402 Abgeordnete und ist seither ständig gewachsen. Der 18. Bundestag bringt ist mit seinen 631 Abgeordneten ein Organisationszyklop.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Zitat Die Abgeordneten selbst halten dem stets entgegen, dass ihre Aufwandsentschädigung sich im Vergleich zu Managergehältern im unteren Bereich bewegt, und das stimmt sogar. Aber was managen die schon? Doch absolut gar nichts.
Der Meinung kann man natürlich sein aber wer sich auf das Niveau des Bildzeitungs Stammtisches begibt muss auh nicht mehr ernst genommen werden.
Meiner Meinung nach sind Politiker generell gesehen nicht überbezahlt. Natürlich gibt es auch hier faule Abzocker. Aber grundsätzlich ist das ein Scheissjob, bei dem man permanent in der Öffentlichkeit steht, kaum etwas bewegen kann, es allen recht machen muss und am Ende eines mühsamen Tages im Ausschuss bis 23 Uhr im Parteigremium zu sitzen hat, um langweilige Beschlüsse zu fassen. Das heisst, der Herr Allensbach Dingsbums begreift nicht deren Aufgabe. Die besteht nicht im permanenten managen der Gesellschaft sondern in deren öffentlichen Meinung. Politiker sind Erwartungshaltungsmanager, denn sie repräsentieren die Meinung verschiedener Schichten der Bevölkerung. Und ich will jeden Pimpel sehen der am Stammtisch eine grosse Klappe hat, wie der in einem offiziellen Statement des Lokalradios zur Gesundheitspolitik der Stadt was Schlaues sagen kann. Da würden die sich schnell in die Hose machen, inklusive Herr-Professor-ich-weiss-alles-besser.
Hallo DP, natürlich hast Du Recht dass Politiker nicht überbezahlt sind - zumindest wenn man das normale Salär zu Grunde legt. Schaut man sich aber das ganze Paket incl. Alterversorgung, einige 1000€ monatlich zur freien Verfügung - ohne jeden Verwendungsnachweis, freie Bahnfahrt (das machen wohl die wenigsten, die meisetn fliegen lieber, genauso umsonst), Büro in Berlin, natürlich auch frei... Da kommt man dann auf ganz andere Zahlen. Trotzdem würde ich den Job als MdB nicht machen wollen, denn entweder singt man das Parteilied mit (zumindest zu >80%) oder man muss sich relativ schnell wieder einen "ehrlichen" Job suchen. Für einen "Selbstständigen" ist das i.d.R. gefährlich. Ich hab mich einige Jahre in der Kommunalpolitik rumgetrieben, da kann man selbst als anfänglich Einzelner etwas bewegen. Dafür ist das "Einkommen" gegen Null, die aufgewendete Zeit kann durchaus berufliche und/oder familiäre Probleme bereiten - aber es macht oft Spass. Dafür wird man schnell schief angemacht wenn man nicht bei jeder Karnickeltaufe etc dabei ist.
Das ist einer der Gründe warum ich Euch Schweizer beneide - da werden sehr wichtige Entscheidungen auf der niedrigstmöglichen Ebene getroffen und der Wähler entscheidet (ich weiß, blödes Beispiel) nicht nur darüber ob er eine neue Schwimmhalle will sondern auch wie sie bezahlt werden soll. Genau das ist die Crux hier - es interessiert selbst die Minister nicht wie etwas bezahlt werden soll, konnte man ja schön jüngst im Bundestag wieder bewundern.
Have a nice day WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat von WRL im Beitrag #7Hallo DP, natürlich hast Du Recht dass Politiker nicht überbezahlt sind - zumindest wenn man das normale Salär zu Grunde legt. Schaut man sich aber das ganze Paket incl. Alterversorgung, einige 1000€ monatlich zur freien Verfügung - ohne jeden Verwendungsnachweis, freie Bahnfahrt (das machen wohl die wenigsten, die meisetn fliegen lieber, genauso umsonst), Büro in Berlin, natürlich auch frei... Da kommt man dann auf ganz andere Zahlen.
Na, das ist aber etwas sehr einseitig gesehen.
Meine Bahnfahrten zahlt auch weitestgehend mein Arbeitgeber, ebenso meine Flüge. Und mein Büro zahlt auch mein Arbeitgeber. Es gibt natürlich ein paar echte Goodies, aber man sollte schon die Kirche im Dorf lassen.
Zitat von WRL im Beitrag #7Hallo DP, natürlich hast Du Recht dass Politiker nicht überbezahlt sind - zumindest wenn man das normale Salär zu Grunde legt. Schaut man sich aber das ganze Paket incl. Alterversorgung, einige 1000 monatlich zur freien Verfügung - ohne jeden Verwendungsnachweis, freie Bahnfahrt (das machen wohl die wenigsten, die meisetn fliegen lieber, genauso umsonst), Büro in Berlin, natürlich auch frei... Da kommt man dann auf ganz andere Zahlen.
Na, das ist aber etwas sehr einseitig gesehen.
Meine Bahnfahrten zahlt auch weitestgehend mein Arbeitgeber, ebenso meine Flüge. Und mein Büro zahlt auch mein Arbeitgeber. Es gibt natürlich ein paar echte Goodies, aber man sollte schon die Kirche im Dorf lassen.
Gruss Kater
Bei dem Büro gebe ich Dir Recht, zumindest solange Du angestellt bist. Wenn Dein AG Dir eine Bahncard100 zur Verfügung stellt musst Du den "geldwerten Vorteil" versteuern, ebenso wie Du Privatflüge - nehme ich zumindest an - aus der eigenen Tasche bezahlst. Was mich richtig stört ist dass es hier eine Gruppe gibt die zum einen als Gesetzgeber alles mögliche beschließt, sich aber das Privileg herausnimm sich an die selbsterlassenen Regeln nicht halten zu müssen. Reisekosten, Spesen, Bewirtungen u.ä. sind wohl i.d.R. bei Betriebsprüfungen die meistdiskutierten Umstände, zumindest solange sonst nichts gefunden wird... :-)
Schönen Tag WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Wenn das nun die grossen Probleme der modernen Demokratien sind dann kann ich damit leben. Letztlich ist das nur eine Frage der internen Organisation und berührt nicht die Grundsätze der Demokratie. Die lauten ganz einfach Gewaltenteilung; unabhängige Justiz, Gesetzgeber, idealerweise vom Volk direkt gewählt und unabhängige Organe, die Gesetze und Vollstreckung durchsetzen; alles kontrolliert durch eine freie Presse. Der Rest ist Peanuts. Und das ist der fundamentale Unterschied zu alternativen Systemen, in denen Clan, Herrscherfamilien, Parteien oder Diktatoren die gesamte Macht unter sich vereinen.
Der Rest, von der Spesenabrechnung bis hin zur direkten Volksabstimmung wie in der Schweiz ist lediglich Lokalkolorit. Umgekehrt ist es ebenso sinnlos in gute und schlechte Regimes zu unterscheiden; kommunistische Partei, nationalsozialistische, moslemische, vegetarische; Diktatur bleibt Diktatur.
Zitat Umgekehrt ist es ebenso sinnlos in gute und schlechte Regimes zu unterscheiden; kommunistische Partei, nationalsozialistische, moslemische, vegetarische; Diktatur bleibt Diktatur.
Zitat von DP im Beitrag #10Wenn das nun die grossen Probleme der modernen Demokratien sind dann kann ich damit leben. Letztlich ist das nur eine Frage der internen Organisation und berührt nicht die Grundsätze der Demokratie. Die lauten ganz einfach Gewaltenteilung; unabhängige Justiz, Gesetzgeber, idealerweise vom Volk direkt gewählt und unabhängige Organe, die Gesetze und Vollstreckung durchsetzen; alles kontrolliert durch eine freie Presse.
Gibt es bei uns alles nicht.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Wir haben keine unabhängigen Gerichte. Wer setzt denn die Richter ein? Wenn wirklich wichtige Entscheidungen anstehen, entscheiden die Gerichte so, wie es die Herrschenden wünschen, oder sie drücken sich, wie es auch heute wieder einmal der Fall gewesen ist: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eu...t-12789940.html
Eine unabhängige Strafverfolgung existiert auch nicht, sonst würde ja gegen dien Geheimdienst und den Verfassungsschutz ermittelt werden (NSU), gegen die Bundesregierung (Abhöraffäre), gegen Oberst Klein, gegen US-Staatsbürger, die von Deutschland aus Morde vorbereiten und ausführen (Drohnenanschläge) etc.
Man kann sich natürlich alles schönsaufen.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Das ist eben der Vorteil der Gewaltenteilung, dass man sich gegenseitig kontrolliert und so verhindert, dass die kranken Fantasien einzelner Deppen befriedigt werden.