Wenn auch nur bis gestern. Der biologische Status von bin Laden war ja nie so recht klar und schwankte von munter über angeschlagen bis längst verfault. Jetzt wurde er also erlegt. Was bedeutet das? Ist die Al Quaida jetzt am Ende? Hat sie überhaupt noch Bedeutung? Und was macht sie eigentlich gerade, wo doch der Westen dabei ist, ihren Job zu machen und die alteingesessenen Despoten wegzupusten?
Al Qaida wird den Tod von Bin Laden verwenden um noch ein paar Anschläge mehr durchzuführen - es gab ja schon lange genügend Köpfe neben BL die das "Funktionieren" von Al Qaida garantieren.
Bei uns wird man die Speicherfristen aller möglicher Daten verlängern und demnächst auch Bewegungsprofile erstellen, denn potentielle Terroristen bewegen sich ja auch irgendwie...
Letztendlich werden wir aber alle was davon haben - als jemand der viel beruflich unterwegs ist entfallen alle Reisekostenabrechnungen (das Finanzamt schickt der Firma eine Liste..), Parkplatzgebühren werden abgeschafft (wird gleich vom Konto abgebucht), Speeding-Tickets gibts auch keine mehr (wird gleich vom Konto abgebucht) und auch die Maut-Diskussion hat sich dann erübrigt (klar, wird auch gleich vom Konto abgebucht!).
Brave New World.
Geniessen wir also das Leben so lange wir noch können.
Schönen Tag WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
bin Laden war maximal noch Symbolfigur, mehr am medialen Leben durch den Westen erhalten, als durch die al Qaida. Interessant nur, dass der Mann sicher nicht ohne Wissen der pakistanischen Behörden mitten in Pakistan lebte, die USA mal so auf pakistanischen Territorium (nicht im Hinterland) ihre Operationen durchführen, nachdem es kürzlich heftige diplomatische Querelen gegeben hatte, als ein US-Geheimdienstler seine pakistanischen Bewacher erschoss.
Ich halte es für wahrscheinlich, dass ein paar Wirrköpfe irgendwann doch noch eine Nagelbombe in einer deutschen Fußgängerzone hochgehen lassen. Das ist beunruhigend, aber was hätte Al Quaida damit wirklich noch zu tun?
Mein Eindruck ist, dass so groß eingefädelte Aktionen wie 9/11 oder Mumbai sich kaum wiederholen werden. Die internationalen Behören haben sich darauf eingespielt, die Zellen rechtzeitig zu erkennen. Außerdem wird Al Quaida m.E. zersplittern. Die große Integrationsfigur ist nun auch weg.
Wenn man Parallelen zum deutschen Terrorismus der 70er ziehen darf:
Die Behörden schafften es, viele Köpfe zu inhaftieren oder zu töten. Die ursprünglichen Ziele der Organisation geraten aus dem Focus, es gibt Richtungsstreite, Dekadenz, persönlich motivierte Aktionen, etc. Der anfänglich als Motivator hochgejubelte Rückhalt aus der Bevölkerung kam und kommt nie zustande, das führt zur weiteren Zersplitterung und Erosion.
Also ich glaube nicht, dass Al Quaida ein führendes Problem des Westens in den nächsten Jahren sein wird.
Sicherlich ist der Tod Bin Ladens nur ein symbolischer Sieg, wenn gleich ein sehr wirkungsvoller. Man hat den wohl bestversteckten Mann der Welt aufgespürt und zur Strecke gebracht, was nicht nur eine riesige Party in New York ausgelöst hat, sondern auch Kurssprünge an der Börse mit einem neuen Dreijahreshoch etwa des Dax.
Allerdings ist das ja nicht der einzige Schlag gegen Al-Kaida. Experten sagen, dass die Drohnenangriffe im Afghanisch-Pakistanischen Grenzgebiet wesentlich wirksamer sind, weil bei ihnen systematisch die Kommandoführung der Organisation ausgedünnt würde.
Die heutige Nachricht ist dagegen etwas für die Köpfe und das sicherlich nicht nur bei uns, sondern auch in der islamischen Welt.
Was ich nicht verstehe ist, dass bisher angesichts der Dimension keine Bilder oder andere Beweise präsentiert wurden und die Leiche bereits verklappt wurde. Bei der Live Übertragung wird doch das eine oder andere auswertbare Material abgefallen sein.
Wenn man die deutschen Reaktionen liest (Merkel kritisiert wegen Freude am Tod Bin Laden, Bin Laden unbewaffnet bei Überfall etc.) dann ergibt sich in etwa folgendes Bild; Der um Frieden und Ausgleich bemühte islamische Wiederstandskämpfer gegen den verrotteten US amerikanischen Imperialismus Bin Laden wurde, vermutlich während eines stillen Gebets um den Weltfrieden, unbewaffnet hinterrücks von US Schergen angegriffen und entgegen jeden völkerrechtlichen Verträgen und Abmachungen feige ermordet, verschleppt und der Leichnam schnöde ins Meer geworfen.
Je mehr ich ueber die kuerzliche Bin-Laden Execution mit Verschwindenlassen der Leiche unter Management des derzeitigen US-Commander-in-chief und dem offensichtlichen Versuch der NATO Gaddafi gezielt umzubringen hoere,lese und in den unzaehligen Leser Kommentaren zu den diversen Berichten zu verarbeiten versuche, um so uebler wird mir.
Der Westen hat damit m. E. die hoehere moralische Ebene verlassen, die er immer beansprucht hat gegenueber rough states und anderen zwielichtigen verbrecherischen Organisationen.
Die Nachricht geht durch die Medien heute morgen, dass Praesident Obama nach NY fliegen will, um ein event irgendwelcher Art in "Ground Zero" zu veranstalten. Er hat den ehemaligen Praesidenten G.W. Bush zum event eingeladen. Bush hat dankend abgelehnt. Er moechte im Hintergrund bleiben, hat er nach Berichten gesagt.
Bei mir draengt sich die Frage auf, ob die Welt dabei ist, zu einer grausamen Komoedie zu verkommen.
Ich bin ein grosser Fan von Jack Lemmon. Anstatt das Trommelfeuer der Bin Laden Episode im TV zu verfolgen, haben wir uns gestern Jack Lemmon's 1965 Komoedie "How to murder your wife" angeschaut. Die Komoedie ist im instant download von Netflix verfuegbar. Wir hatten also sofortigen Zugriff ohne Vorausplanung, wie DVD kaufen usw. Vielleicht gibt diese Komoedie eine Perspektive relevant zur derzeitigen Welt. John Wayne's 1978 "True Grit" mag da vielleicht auch relevant sein.
Vielleicht hat DP richtig erkannt im anderen thread, dass ich inzwischen meine Ruhe bevorzuge. Verfolgen und kommentieren von Weltereignissen, was schon immer mein Hobby war, fuehrt bei mir zunehmend zu Verknotungen in meinem Gedankenapparat. Mein klarer, kritischer Verstand hat mir bis jetzt in meinem Leben gute Dienste geleistet. Ich moechte diesen nicht im Alter von 77 Jahren verlieren, auch wenn der Gedankenapparat in der derzeitigen Welt nur noch zur Observation, und nicht mehr zur Partizipation reicht.
Mit dem vermutlich inzwischen chronischen Uebelgefuehl muss ich leben. Ich hatte schon immer einen sehr empfindlichen Magen.
Zitat von GerdBei mir draengt sich die Frage auf, ob die Welt dabei ist, zu einer grausamen Komoedie zu verkommen. Gruss, Gerd
Gerd,
nicht umsonst habe ich das Stichwort 'Hollywood' im anderen thread benutzt. Ich habe den Eindruck, dass die Zeit einigermaßen fester Regeln vorbei ist, die Zeit des law and order wird durch eine Zeit flexibler Handhabung der Regeln abgelöst, ob das die kriegerischen Interventionen, Exekutionen auf fremdem Boden oder auch das Gehabe der Finanzindustrie betrifft. In Deutschland/EU werden inzwischen beliebig demokratische Regeln ausgehebelt, entweder weil die Situation alternativlos ist, oder weil es der Wahl dienen soll. Die Legislative ist schwach, die Executive opportunistisch. 'Komödie' ist nicht falsch.
Zitat von MartiS2oder weil es der Wahl dienen soll. Gruß, Martin
Ja, Martin, Wahlen gewinnen....
Ich verfolge regelmaessig die Polls des Rasmussen Reports. Die "Daily Presidential Tracking Poll" wird auf der Basis eines "three-day rolling average" berichtet. Den ersten Bericht, der zu 100% die Zeit nach der Bin Laden Episode reflektiert, kann man deshalb am Donnerstag morgen 9:30am ET erwarten.
Ich habe mir vor einiger Zeit mal die Chronik des 20. Jahrhunderts teilweise durchgelesen. Damals war ich immerhin von 1900 bis 1912 gekommen. Gegen das, was damals auf internationaler Ebene ablief waren die diversen Umstürze und Umsturzversuche etwa der CIA im kalten Krieg ein laues Lüftchen. Und schon damals gab es mit dem Völkerbund eine internationale Organisation.
Nach den Weltkriegen hat sich das - verständlicherweise - erst einmal gelegt. Aber nach und nach werden die Eindrücke abgelegt - die Gesellschaften werden ungezügelter und das in vielerlei Hinsicht. Da ist es nur plausibel, dass diese Ungezügeltheit sich auch auf die Regierungen überträgt. Einige Länder wie die früheren Protagonisten des kalten Krieges müssen sich dafür garnicht mal groß umstellen. Russland und China sind ebensowenig wie die USA dafür bekannt, aufgrund internationaler Bestimmungen gegen ihre eigenen Interessen zu handeln.
Neu ist, dass auch die Kleineren wie Frankreich in gleicher Weise mitmischen - wie etwa an der Elfenbeinküste. Beim Libyeneinsatz waren es in erster Linie die Franzosen, die Gadaffis Militär bezwingen wollten. Man könnte also sagen die Welt wird ungeordneter und damit auch ungeregelter, es gibt mehr Akteure auf der Bühne der pragmatischen Politik.
@Gerd: Da bin ich mal auf Obamas Umfragewerte gespannt, insbesondere im Vergleich zu vorher. Alle sagen ja, dass mit dieser Aktion seine Wiederwahl so gut wie gesichert sei, was ich mir momentan nur schwer vorstellen kann.
Die "presidential tracking poll" veroeffentlicht Rasmussen schon seit mindestens 10 Jahren, jeweils in bezug auf den Praesidenten der Zeit. Die Poll unterscheidet sich zu anderen Polls vorwiegend damit, dass sie m.E. sehr konsistent ist. Viele behaupten, sie sei biased. Jedoch, wenn man die Konsistenz in der Art der Befragung und im Algorithmus der Befragtenauswahl fuer eine solche lange Zeit beibehaelt, was Rasmussen m.E. macht, kann man sich eventuell ein eigenes Urteil ueber die bias bilden und diese dann, wenn angebracht, herausdividieren bei der Beurteilung. Einige andere Polls zeigen schon heute riesige Spitzen. Ich kenne allerdings die Konsistenz und die Algorithmen der meisten Polls nicht genau.Es ist deshalb schwer fuer mich, mir bei diesen anderen Polls ein schluessiges Urteil zu bilden. Ich werde morgen frueh nachschauen, was Rasmussen in dieser Poll berichtet und mich melden.
Ich moechte nochmal auf die 1965 Jack Lemmon Komoedie zurueckkommen. Der Plot ist lang , 118 Minuten, und wie das damals ueblich war, braucht der Film eine sehr lange, heutzutage sicher als langweilig betrachtete , Aufbauzeit des Plots, um auf die Pointe dann in den letzten 10 oder so Minuten zu kommen.
Ich erinnere mich, dass ich den Film 1965 in Long Island gesehen habe, als meine Frau noch in Deutschland war. Es war in einem der damals ueblichen, fuer juengeres folks vielleicht voellig unbekannten "open-air" Theater. Ein riesiger Bildschirm war am Ende eines riesigen Parkplatzes angebracht Man ist mit dem Auto auf einen Platz gefahren, bei dem man volle Sicht auf den Bildschirm hatte, hat dem Clerk seinen Obolus bezahlt, und der Clerk hat dann einen Lautsprecher an das Fahrersitz-Fenster eingehaengt. Dieser Film ist mir im Zusammenhang mit der Bin Laden story eingefallen. Meine Frau, die den Film noch nie gesehen hatte, hat sich durch den Aufbau des Plots gelangweilt, und die letzten 10 Minuten unglaublich interessant als Denkanstoss fuer die Bin Laden Ereignisse gefunden.
Der Link zeigt den heutigen Bericht der "Daily Presidenttial Tracking Poll". Wenn Du nach unten scrollst, kannst Du die History seit dem 20. Januar 2009 graphisch sehen, an der Du interessiert warst.
Ein kleines Stueckchen aus dem comic strip der Welt:
Im August 2009 hat Eric Holder, der US Attorney General, der traditionell auf direkte Anweisung des Praesidenten agiert, den Assistent US Attorney General John Durham zu einem "special prosecutor" ernannt und ihn beauftragt, die Aktion zu untersuchen, die von der Obama Administration als "torture" bezeichent wird und von der ehemaligen Bush Administration als "enhanced interrogation" Es handelt sich bei dieser Aktion um das bekannte waterboarding von drei Individuen, KSM, Abu Furaj al-Libi und einem anderen Guantanamo Gefangenen. Er beauftragte den special prosecutor zu "a preliminary review into whether federal laws were violated in connection with the interrogation of specific detainees at overseas locations" Mit den Ueberseelaendern sind Polen und Rumaenien gemeint.
Im Zusammenhang mit der OBL Exekution hat Holder vorgestern in einem congressional hearing ausgesagt, dass die Informtionen OBL aufzuspueren von einem "mosaic of sources" gekommen sind. Gepresst, hat er impiziert, mit vielen Worten, dass die KSM Aussage waehrend der obengenannten heute noch wegen moeglichem US Gesetzesbruch untersuchten Aktion "significant" war.
Zitat Sicherlich ist der Tod Bin Ladens nur ein symbolischer Sieg
Er ist ein Sieg über ein Dilemma, welches man gehabt hätte, hätte man ihn lebend erwischt. Allein jeder Versuch, den Anschein von Anstand und Rechtsmoral vorgaukelnd, irgendwie juristisch abzuurteilen, wäre voll in Hose oder Kaftan gegangen.
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