Die arabische Welt ist in Aufregung. Sympathisanten der tunesischen Revolte haben sich bereits in Ägypten zu erkennen gegeben. Aus Algerien wird von Demonstrationen berichtet. In Jemen stehen 1000 Demonstraten vor der tunesischen Botschaft. Lybiens Herrscher Ghadaffi hat ausch schon Angst. Einen möglichen Dominoeffekt beschwören auch manche Analysten. Dass die Bevölkerung eines repressiven arabischen Polizeistaats erstmals einen Herrscher stürzt, ist ein historisches Ereignis", sagt Guido Steinberg, der für die Stiftung Wissenschaft und Politik seit Jahren über die Region forscht. "Die Despoten der arabischen Welt haben Angst." Dass etwa der ägyptische Präsident Husni Mubarak, dessen Regime immer diktatorischer wird, die Entwicklung mit wachsender Sorge beobachtet, darf als sicher gelten: In einigen Monaten wird am Nil gewählt, der Tunesien-Aufstand kommt für ihn zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Auch das revoltenerprobte Algerien könnte sich rüsten, um den siechen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika loszuwerden.
Welcher Autokrat ist der nächste, der abdanken muss?
Ganz so einfach ist es nicht. Zum einen kann noch niemand mit Bestimmtheit sagen, ob Tunesien eine Wende zum Besseren oder zum Chaos genommen hat. Drei Tage nach dem Sturz Ben Alis hat das Land zwar eine Übergangsregierung. Die bestimmende Macht ist das Militär, die Opposition politisch unerfahren. Zum anderen sind nicht alle Staaten der Region miteinander vergleichbar. Reiche Ölländer etwa mögen unzufriedene Bürger haben, können sie aber vermutlich länger von der Revolte abhalten als bitterarme Staaten wie der Jemen.
Sicher ist, dass die arabischen Nationen in ihrer Mehrheit schlecht regiert werden: Menschenrechte werden nahezu nirgendwo ernsthaft gewahrt; Frauenrechte hinken fast dem gesamten Rest der Welt hinterher; die Ausgaben für das Militär sind zu hoch, die für Bildung zu gering; Wahlen sind allzu oft eine Farce; Oppositionelle werden schikaniert und verfolgt; die Wirtschaft ist vielerorts hoffnungslos ineffektiv und Korruption ein weit verbreitetes Problem.
Die Träger des Aufstandes in Tunesien waren junge Männer und Frauen, die sich zu Recht ausgeschlossen fühlten von der wirtschaftlichen und politischen Teilhabe. Solche Gruppen gibt es in großer Zahl fast in allen arabischen Staaten: Der Anteil der Menschen unter 30 ist enorm hoch, ebenso die Arbeitslosigkeit. Gepaart mit den neuen Freiheiten, die ihnen der Zugang zum Internet gewährt, können sie ein Faktor werden, der Regime herauszufordern vermag.
Doch selbst wenn noch mehr Regime stürzen sollten, bleibt die Frage: Wer oder was rückt an ihre Stelle? Die größten Oppositionellengruppen bilden in vielen arabischen Staaten die gemäßigten Islamisten. Sie hätten gerne islamischere Gesellschaften - es wären nicht zwangsläufig offenere oder demokratischere. Die liberalen und demokratischen Kräfte hingegen sind klein, und meistens haben die Regime verhindern können, dass sie sich wirkungsvoll organisieren. Oft waren es auch nicht sie, sondern ausgerechnet die Regime, die vom Westen gepäppelt wurden - weil dem Rest der Welt ein stabiler Naher Osten mehr wert war, als ein demokratischer.
Der Traum eines Nahen Ostens der Demokratien ist heute kaum weniger utopisch als vorgestern. Aber ein Spalt hat sich aufgetan: Es ist möglich, einen Tyrannen abzuschütteln. Und der Regimewechsel nach tunesischem Vorbild ist offenkundig inspirierender für die arabischen Gesellschaften als es der erzwungene Sturz Saddam Husseins im Irak war.
Zunächst muss man mal festhalten, dass es in Tunesien noch keinen wirklichen Regierungswechsel gibt. Die sogenannte Regierung der nationalen Einheit hat die Schlüsselressorts nach wie vor an Anhänger Ben Alis gegeben - entsprechende Proteste gibt es. Wohin das Land steuert, wird man erst bei der nächsten Wahl sehen. Allerdings stehen die Chancen nicht schlecht. Die EU hat sich bereits angeboten, zu helfen, und nach ersten Ankündigungen sollen die Wahlen auf Wunsch Tunesiens von internationalen Botschaftern beobachtet werden.
Der Domino-Effekt ist allerdings eine sehr unsichere Sache. Hier kommt es auf die Dynamik und Stärke der Revolten an. Ghaddafi hat m. E. nichts zu befürchten. In Ägypten sollen die Sicherheitskräfte ersten Meldungen zufolge stark genug sein, um "jede Revolte im Keim zu ersticken". Wie sich die Vorgänge in Tunesien auf Ägypten auswirken, wird sich noch zeigen müssen. So nah beieinander liegen beide Länder nun auch nicht.
Aussichtsreicher sieht es da m. E. schon in Jordanien aus.
Übrigens habe ich nichts gegen islamische Parteien an der Regierung. Deutschland wird schließlich auch von Christen regiert. Solange das Land die geforderten Werte einführt und demokratisch(er) wird, können die Menschen nur gewinnen. Ein Zustand wie in der Türkei ist immernoch besser als ein selbstsüchtiger Autokrat, dessen Familie sich am Ende mit Gold im Wert von 65,5 mio. € aus dem Staub macht.
Zitat Übrigens habe ich nichts gegen islamische Parteien an der Regierung. Deutschland wird schließlich auch von Christen regiert.
Na da können wir ja froh sein, dass irgendwer vergessen hat, die Heilige Inquisition ins Stgb zu schreiben.
Bisher. Übrigens gibt es die noch - wurde nur umbenannt. Und m.W. plant der Vatikan, mehrere 1000 Inquisitoren auszubilden. Und wenn man sich so umschaut, kann man feststellen, dass Christen - besonders Katholen - in D extremer werden. Da war D eh immer auch führend. Schon im Mittelalter - aber auch gegenwärtig, wo die Kirche dank Verträgen mit dem katholischen Adolf herausragende Vorteile genießt (z.B. staatlich erlaubte und staatlich finanzierte Missionierungsstunden an staatlichen Schulen, staatliche Finanzierung der Priesterausbildung, staatliche Finanzierung von Bischofsgehältern, usw.) Ähnliche Sachen in muslimischer Version würden wir in den Gottesstaattopf werfen...
ng, mit Verlaub gesagt, das ist doch bescheuert, islamistische Terrorregime mit den heutigen europäischen Christen in einen Topf zu werfen. Wirklich bescheuert.
[uV]Ephraim Kishon: "Für mich ist Rassismus eine unverzeihliche Sünde, und dazu gehört auch der Haß auf die eigene Rasse."
Imam von Izmir 1999 (von wegen 'der Islam gehört zu Deutschland'): "Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen."
Dr. Gottfried Curio, AfD 2017: „Wenn der Ausreisepflichtige nicht ausreist, braucht der Steuerpflichtige auch keine Steuern zu zahlen“
Zitat mit Verlaub gesagt, das ist doch bescheuert, islamistische Terrorregime mit den heutigen europäischen Christen in einen Topf zu werfen. Wirklich bescheuert
Ich habe nicht heutige, europäische Christen mit irgendwelchen Terrorregimen in einen Topf geworfen, sondern nur darauf hingewiesen, was es bei den Christen zu finden gibt, weil die beiden das m.E. verniedlich haben. Und schon das Aufgezählte würden wir in einer muslimischen Version in einem anderen Land als gottesstaatlich und zu fundamentalistisch bezeichnen und kritisieren. Und das nicht zu Unrecht (zumindest aus meiner Sicht, da ich Gottesstaaten ablehne und den Rechtsstaat bevorzuge, in dem Religion und Staat getrennt sein sollten).
ng: Wenn man jeden Einzeiler hier breittritt, verliert man sich allzu schnell in Nebenschauplätzen. Vielleicht sollte man meinen Beitrag erstmal genau lesen, insbesondere mit der Prämisse, unter die ich das Ganze gestellt habe. Dann erübrigt sich jede weitere Diskussion um gute/böse Christen und Muslime.
alle: Interessanter ist doch sowieso, was gerade in Tunesien konkret abläuft. Hier mal eine kleine Aufzählung: Politische Gefangene (alle?) wurden begnadigt und freigelassen. Die alte Führungsriege in der Übergangsregierung hat sich von der Partei RCD losgesagt und einen "kompletten Bruch" mit dem früheren Regime versprochen. Das Volk will die alte Riege dennoch komplett weg haben und protestiert weiter - oppositionelle Minister sind bereits wieder zurückgetreten. Gegen Ben Alis Familie wird bereits ermittelt wegen der 1,5 t Gold, die sie mitgenommen hat.
Das klingt bisher jedenfalls schon nach Fortschritt. Ich denke nicht, dass die Übergangsregierung unter diesem Druck durchhält. Früher oder später werden die ehemaligen Vertrauten Ben Alis gehen und einem kompletten Umbruch Platz machen. Spätestens zu den Neuwahlen.
Was ich auch sehr bemerkenswert finde - die Presse scheint jetzt sehr frei zu sein. Das kann man dann nur noch sehr schwer zurücknehmen.
Ich vermute, dass das I-Net da auch eine große Rolle spielt - endlich unbegrenzten(?) Zugriff auf Informationen.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Gute Nacht WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Ich wünsche den Tunesiern ja alles gute, aber so spannend die jetztigen Vorgänge auch sein mögen, was da am Ende bei 'rauskommt lässt sich kaum sagen.
Wie so viele Despoten ist auch der jetzt verjagte mal als Reformer und Hoffnungsträger angetreten. Wen auch immer die Tunesier jetzt wählen, und was immer der an vermeintlichen oder tatsächlichen Wohltaten vollbringt, nach 4 Jahren sollten sie einen anderen wählen. Erst in der Akzeptanz eines durch Wahlen erwirkten Machtwechsels zeigt sich, ob die tunesische Demokratie was taugt, ob der heutige Umsturz was gebracht hat.
Wobei immer noch die Frage ist, ob eine derartige Revolution selbst in einem von westlichen Freiheitsgedanken "infizierten" islamischen Land auch zu einer Art "westlicher Demokratie" führen wird. Das Experiment vor 10 Jahren in Algerien ging ja auch schief, die diversen Palästinenser-"Parteien" sind letztlich alle mehr oder weniger "islamistisch" und begeistern sich für die "Scharia". Selbst die Türkei wird auf dem Weg in den Islamismus gesehen, wie die neuesten Wikileaks-Veröffentlichungen z.B. in der "Welt" zeigen (also nicht "Spiegel"-zensiert
[uV]Ephraim Kishon: "Für mich ist Rassismus eine unverzeihliche Sünde, und dazu gehört auch der Haß auf die eigene Rasse."
Imam von Izmir 1999 (von wegen 'der Islam gehört zu Deutschland'): "Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen."
Dr. Gottfried Curio, AfD 2017: „Wenn der Ausreisepflichtige nicht ausreist, braucht der Steuerpflichtige auch keine Steuern zu zahlen“
Zitat Wenn man jeden Einzeiler hier breittritt, verliert man sich allzu schnell in Nebenschauplätzen.
Ich kann ja nicht ahnen, dass du belanglose Sätze einstreust, die eigentlich nur Deko sein sollen...
Zitat Vielleicht sollte man meinen Beitrag erstmal genau lesen, insbesondere mit der Prämisse, unter die ich das Ganze gestellt habe. Dann erübrigt sich jede weitere Diskussion um gute/böse Christen und Muslime.
Mal abgesehen davon, dass man es beim Titelthema schnell mit rel. Fundis zu tun haben kann, bezog sich mein Einwurf auf deinen Wunsch nach islamischen Parteien, weil wir ja eh schon von Christen regiert würden - und Spocks zusätzliche Verniedlichung des eh schon zu großen Einflusses der Christen.
Weißt Du Hamster, die fundamentalen Wahrheiten über das Zusammenleben von Menschen kommen nun mal aus dem Christentum, besser gesagt, aus dem Judentum - die 10 Gebote. Wobei Du ja aus Deiner Sicht von den ersten paar Geboten nichts halten magst, aber Du solltest zumindest anerkennen, dass diejenigen, die sich auf das Zusammenleben von Menschen beziehen uns ein Paradies auf Erden schenken würde wenn sich alle dran hielten.
Schönen Tag WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat Weißt Du Hamster, die fundamentalen Wahrheiten über das Zusammenleben von Menschen kommen nun mal aus dem Christentum, besser gesagt, aus dem Judentum - die 10 Gebote
Sagt wer? Deine neueste Ausgabe des Wachturms!? Ausserdem bezieht sich schon mal das AT bzw. Judentum auf ein kleines auserwähltes Volk und nicht auf die Menschen / Menschheit an sich.
Zitat Wobei Du ja aus Deiner Sicht von den ersten paar Geboten nichts halten magst
Sagt wer? Deine Glaskugel?!
Zitat aber Du solltest zumindest anerkennen, dass diejenigen, die sich auf das Zusammenleben von Menschen beziehen uns ein Paradies auf Erden schenken würde wenn sich alle dran hielten.
Sagt wer!? Wieder der Wachturm? Oder der Priester, der dich und deinen Bombengürtel segnet?! Sorry, aber irgendwie klingst du recht radikal...
Ich hatte mich an eine Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Herzog erinnert.
Er sagte (frei aus meinem Gedächtnis), man solle sich doch vorstellen welchen ungeheuren finanziellen Vorteil es für eine Gesellschaft bedeuten würde wenn sich z.B. alle an das Gebot halten würden "Du sollst nicht stehlen". Man bräuchte viel weniger Polizei, sparte sich eine Menge Versicherungsprämien, keine tollen Schlösser, den Einbau von Diebstahlwarnanlagen u.v.a.m. Dito auch beim Morden usw.
Schönen Abend WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)