Da will man nach einem sehr netten Abend schlafen gehen, guckt noch einmal in die Nachrichten und dann kommt da sowas:
"Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt nicht tariffähig. Damit darf die Organisation keine Tarifverträge mehr abschließen." http://www.tagesschau.de/wirtschaft/tari...aftcgzp100.html
Klingt im ersten Moment harmlos. Die wahre Bedeutung dieses Urteils zeigt sich allerdings erst auf den zweiten Blick: "Die betroffenen Arbeitnehmer müssten nach dem Equal-Pay-Gebot mehr Geld erhalten, falls die bisherigen CGZP-Tarifverträge nichtig sind. Dies könnte laut einer ver.di-Schätzung bis zu 280.000 Arbeitnehmer betreffen. Je nach Arbeitsvertrag könnten sie auch rückwirkend Geld nachfordern. Die betroffenen Firmen müssten zudem teilweise deutlich höhere Sozialversicherungsbeiträge abführen. Schätzungen zufolge könnten allein die Sozialversicherungssysteme mit Nachzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro rechnen."
ng: Auch wenn es witzig von dir gemeint ist: Meiner Erfahrung nach ist die katholische Kirche tatsächlich einer der ausbeuterischsten Arbeitgeber Deutschlands. Das fängt bei der erwarteten vs. die vergütete Arbeitszeit an, geht über verfallende Überstunden und Urlaubstage und endet eben bei möglichst niedrig gehaltenen Löhnen.
Zitat von Lexx Meiner Erfahrung nach ist die katholische Kirche tatsächlich einer der ausbeuterischsten Arbeitgeber Deutschlands. Das fängt bei der erwarteten vs. die vergütete Arbeitszeit an, geht über verfallende Überstunden und Urlaubstage und endet eben bei möglichst niedrig gehaltenen Löhnen.
Das finde ich völlig in Ordnung. Wer für die Katholische Kirche schafft sollte sich auch an deren corporate identity halten, den Müssiggang ächten, dem Konsum widersagen und jede freie Minute uneigennützig der grossen Sache opfern.
Also das Thema ist schon ein bisschen juicy, deshalb mal ein paar Thesen in die Runde geschmissen:
- Das Equal Pay Gebot macht ja Sinn und ist logisch und fair; gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Nur stellt es nicht das Konzept der Leiharbeit grundsätzlich in Frage? (Ich erinnere mich an einen Freund, der bei der ABB gearbeitet hat aber in einer Leiharbeitsfirma angestellt war. Alle 8 Monate musste er künden, 3 Monate auf einem anderen Platz arbeiten und dann wurde er wieder am alten Platz neu angestellt. Das ging so etwa 5 Jahre. Ich vermute mal, solche Tarifschweinereinen werden massenhaft durchgezogen.
- Wie kann das überhaupt sein, dass Leiharbeitsfirmen tariffähig sind? Wozu schliesst man denn Manteltarifverträge ab wenn Leiharbeitsfirmen ihre eigenen Verträge mitbringen?
- Wer ist denn nun regresspflichtig, die Leiharbeitsfirma oder der Zielarbeitgeber? Kann ja eigentlich nur die CGZP sein und dann wirds wohl nichts mit Nachzahlungen, denn die Firma wird mit einem Schlag pleite sein.
- Es geht vier Vordergründig nur um das Equal Pay Gebot aber die Ungerechtigkeit Stammbelegschaft vs. Leihkräfte geht weiter; kein angerechnetes Dienstalter, keine Benefits, keine Treueprämien oder sonstige Vergünstigungen, keine Weiterbildungen etc.
Für mich ist die Leiharbeit so etwas wie ein grossangelegter Beschiss am Arbeitnehmer, der vor allem an der unflexiblen Kündigungsregel in D lebt. Beides gehört für mich abgeschafft.
DP: Es ist in der Tat so, dass die Leiharbeit in D systematisch missbraucht wird.
Die Grundidee ist ja, dass die Firma bei Auftragsspitzen keine festen Kräfte einstellt, sondern Leiharbeiter "anmietet", solange sie sie braucht. Das "so lange sie sie braucht" ist hier der Knackpunkt. Dadurch, dass Leiharbeiter billiger sind als die Stammarbeitskräfte ist die Versuchung natürlich groß, einfach nicht nur bei Auftragsspitzen die Leihkräfte einzusetzen, sondern sie als Dauereinrichtung zu etablieren. Damit werden nach und nach reguläre Arbeitsplätze durch die Leiharbeit verdrängt.
Deswegen ist es eigentlich sowieso eine Schweinerei, dass Leiharbeiter weniger Lohn bekommen.
Du schreibst, dass es abgesehen vom ungleichen Lohn noch andere Faktoren gibt, die den Missbrauch fördern. Dann stellt sich die Frage, wie man diesen Anreiz eliminieren kann - nähert man den Status der Festangestellten dem der Leiharbeiter an, etwa durch die Lockerung der Kündigungsregeln? Nähert man den Status der Leiharbeiter dem der Festangestellten an, etwa durch Teilnahme an den entsprechenden Vergünstigungen? Oder schafft man entsprechende Vorschriften, etwa, dass eine Leiharbeitsstelle nach der Zeit X in eine reguläre Stelle umgewandelt werden muss (weil dann nicht mehr von einem kurzfristigen Bedarf auszugehen ist)?
Ich denke, dass Kostenfaktoren wie Lohndifferenz oder geringere Nebenkosten letzlich ausgeglichen werden durch geringere Effizienz, höhere Anlernkosten und geringere Motivation der Leihkräfte. Die AG Motivation Leihkräfte anzustellen liegt also nicht im Kostenbereich sondern in der höheren Flexibilität; Leihkräfte kann man schnell wieder loswerden. Ohne aufwändigem Kündigungsprozedere wäre also das ganze Leiharbeitsmodell obsolet. Ich kenne zwar keine Zahlen könnte aber wetten, dass in der Schweiz, in der eine sehr liberale Kündigungshandhabe besteht, kaum Leiharbeit zum tragen kommt.
Zitat von LexxDP: Es ist in der Tat so, dass die Leiharbeit in D systematisch missbraucht wird.
Das denke ich nicht. Ich vermute, dass genau diese Handhabung beabsichtigt war um die AL-Statistik schnell zu drücken. Schliesslich wollte sich Schröder doch an den AL-Zahlen messen lassen.
Das musst du mir mal erklären, FW. Ich dachte bisher immer, ein AG besetzt einen Arbeitsplatz immer nur einmal mit einem AN und zwar dann wenn er ihm nützt. Braucht er ihn nicht nimmt er weder einen Festangestellten noch einen Leiharbeiter.