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Dieses Thema hat 12 Antworten
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Lexx Offline



Beiträge: 3.730

14.12.2010 19:31
Das große BUMM in Italien. Antworten

Die Nachrichten aus Italien überschlagen sich derzeit:
Das groß angekündigte Misstrauensvotum der Opposition gegen Berlusconi im Senat und im Abgeordnetenhaus ist vorüber.
Und der Gewinner ist: Silvio!

Wie kann das sein, nachdem die Opposition unter Gianfranco Fini über eine Mehrheit in beiden Parlamenten verfügt und die Absetzung des Präsidenten groß angekündigt hatte?
Offenbar hat Berlusconi sich die notwendigen Stimmen einfach gekauft. Das werfen ihm Opposition und Medien vor und dafür sprechen Berichte von anderen Abgeordneten. Die Abstimmung im Parlament fiel mit 314 zu 311 äußerst knapp aus.
Auf der Straße gibt es nach diesem Ergebnis zur Zeit Proteste, die teilweise auch gewaltsam ablaufen.

Berlusconi hat heute einen Sieg errungen und bleibt im Amt. Aber um welchen Preis?

F-W Offline




Beiträge: 1.679

14.12.2010 21:26
#2 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Zitat von Lexx


Offenbar hat Berlusconi sich die notwendigen Stimmen einfach gekauft.

Das sagt sich so leicht, ist aber gängige demokratische Praxis. Nicht nur in Italien, auch bei uns. Vielleicht hat Berlusconi die Regie bei der SPD abgekupfert wie sie damals das Misstrauensvotum gegen Brandt weggekauft hat. Vielleicht war es auch viel billiger. Ein Amt hier, ein gut bezahlter Posten dort, so teuer sind Abgeordnete nicht und sich durch handfeste Bestechung angreifbar zu machen ist in den meisten Fällen gar nicht nötig.


FW

MartiS2 Offline



Beiträge: 7.094

14.12.2010 22:43
#3 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Wer weiss, vielleicht sind die Mißtrauensvoten in Italien nur dazu da um seine Kasse als Abgeordneter aufzubessern, und um Berlusconis Vermögen ein bisschen zu verteilen. Gut für Berlusconi, dass die Parlamente nicht größer sind.

Gruß, Martin

DP Offline



Beiträge: 5.248

15.12.2010 11:03
#4 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Was mir einfach mal so aus dem Bauch heraus auffällt; die Regierungschefs von Portugal, Griechenland, Irland oder Spanien sind allesamt Ehrenmänner, tolle Politiker, anständig und seriös. Dass ihre Länder finanziell herunterwirtschafteten sind ist vielleicht ein kleiner Makel aber - wer ist schon vollkommen. Berlusconi hingegen ist ja der Saubatz per excellence, Weiberheld, Milliardär, unseriös, politisch unkorrekt, kein Tag ohne Meldung in der Zeitung über eine Berlusconi Schmonzette. Über den wirtschaftlichen Zustand Italiens liesst man hingegen wenig. Aber was heisst das schon. Ein Land, in dem einer wie Berlusconi herrscht muss ja per se abgewirtschaftet sein.

Lexx Offline



Beiträge: 3.730

15.12.2010 11:19
#5 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Daran ist Berlusconi doch selbst schuld. Genau genommen ist genau das auch, was Opposition und viele Italiener ihm vorwerfen:
Er inszeniert nur sich selbst. Seine Politik ist auf den eigenen Machterhalt ausgerichtet, das ist die höchste Direktive. Für sein Land habe er weder Problemlösungen noch sinnvolle Pläne. Die Welt hat dazu beispielsweise einen Artikel. Der Wikipedia-Eintrag weist bei der Regierung Berlusconi IV vor allem politische Versäumnisse auf.

Die Amis wissen schon, warum sie ihn als inkompetent bezeichnet haben.

Nachtrag:
Die Arbeitslosigkeit ist durchschnittlich. Aber die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 21,3% sehr hoch (Deutschland: 10,5%), die Arbeitseinkommen gleichzeitig unterdurchschnittlich (knapp 20000 €, weniger als in Griechenland oder Spanien) und die Staatsverschuldung eine der höchsten Europas. Italien verliert seine Elite, die gut ausgebildeten wandern aus. Soviel zu den wirtschaftlichen Daten.

ng Offline



Beiträge: 2.614

15.12.2010 15:27
#6 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Zitat
Das sagt sich so leicht, ist aber gängige demokratische Praxis. Nicht nur in Italien, auch bei uns.

Im Prinzip fängt das schon mit Kuli und Rose als Geschenk im Wahlkampf an...

Zitat
Er inszeniert nur sich selbst. Seine Politik ist auf den eigenen Machterhalt ausgerichtet, das ist die höchste Direktive

Das ist sowas wie ein Naturgesetz ab einer gewissen Position. War auch bei Kohl so usw.

DP Offline



Beiträge: 5.248

15.12.2010 15:47
#7 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Zitat von Lexx
Daran ist Berlusconi doch selbst schuld. Genau genommen ist genau das auch, was Opposition und viele Italiener ihm vorwerfen:
Er inszeniert nur sich selbst. Seine Politik ist auf den eigenen Machterhalt ausgerichtet, das ist die höchste Direktive.



Da hast du natürlich recht, ist doch die Politik aller anderen Regierungen der verschiedenen Länder nicht auf schnöden Wahlerfolg und Machterhalt sondern einzig und allein uneigennützig dem Wohl des Landes verpflichtet. Bravo, dass du das so klar herausgearbeitet und Berlusconis Agieren als Regierungschef so brillant analysiert hast.

WRL Offline



Beiträge: 1.124

15.12.2010 17:38
#8 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

"Da hast du natürlich recht, ist doch die Politik aller anderen Regierungen der verschiedenen Länder nicht auf schnöden Wahlerfolg und Machterhalt sondern einzig und allein uneigennützig dem Wohl des Landes verpflichtet."

DP:
Ich will Dir da ja garnicht groß widersprechen, aber es gab zumindest 2 Kanzler in D (und ich muss sagen, ich mochte sie beide nicht!) die haben zumindest etwas gegen ihre eigene Partei durchgezogen: H. Schmidt den "Doppelbeschluss" und Schröder Hartz IV. Den einen (Schmidt) hat es das Kanzleramt gekostet, bei Schröder hat es zumindest einiges dazu beigetragen.

Alle:
Im Übrigen ist Berlusconi schon einige Male gescheitert und wieder gekommen - jedes mal weil ihn das Volk gewählt hat. Das ist doch eigentlich das, was man so landläufig unter "Demokratie" versteht, oder? Oder brauchen wir eine Superbehörde, die zuerst einmal abklärt ob die Kandidaten überhaupt würdig genug sind gewählt zu werden? Ich empfinde die hochnäsige Art und Weise wie Regierungschefs anderer Staaten hierzulande manchmal runtergemacht werden schon etwas seltsam. In meinen Augen ist Berlusconi auch ein etwas seltsamer Vogel, da ich aber weder Italiener bin noch derzeit dahin auswandern will braucht mich das nicht zu jucken. Und meine Gardasee-Woche diesen Sommer hat er mir auch nicht vermiest.

Im Übrigen rege ich mich (hoffentlich) nicht mehr über Dinge auf die ich sowieso nicht ändern kann.

Schönen Abend
WRL

"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach
“Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.”
(Mark Twain)

DP Offline



Beiträge: 5.248

15.12.2010 23:36
#9 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Zitat von WRL
(...) aber es gab zumindest 2 Kanzler in D (und ich muss sagen, ich mochte sie beide nicht!) die haben zumindest etwas gegen ihre eigene Partei durchgezogen: H. Schmidt den "Doppelbeschluss" und Schröder Hartz IV. Den einen (Schmidt) hat es das Kanzleramt gekostet, bei Schröder hat es zumindest einiges dazu beigetragen.



Zu Schmidt kann ich wenig sagen, zu der Zeit war Politik für mich uninteressant. Aber zu Schröder fällt mir eine ganze Menge ein. Schröder ist für mich eine Art Berlusconi für Arme. Seine Politik ist untrennbar mit seinem Charisma, oder sagen wir Eitelkeit verbunden. Die Umsetzung von Hartz IV war ein letzter Versuch, sich mittels eines populären Reformvorhabens aus der politischen Mitte an der Macht zu halten. Schröder selbst wurde zu seinem Glück erheblich gezwungen, denn Stoiber hat es über den BR gepusht.Zu der Zeit hatte die Opposition längst die Fäden in der Hand und Schröders Handlungsspielraum war beschränkt. Hartz IV war letzlich nur ein politischer Schachzug, keine altruistische Göttergabe am Opferaltar.

Lexx Offline



Beiträge: 3.730

15.12.2010 23:58
#10 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

DP:
Einen derartigen Grad der Selbstinszenierung, wie Berlusconi ihn zeigt, hatte hierzulande noch kein Kanzler. Auch Schröder nicht.
In dem Sinn gebe ich dir Recht, wenn du sagst:
"Schröder ist für mich eine Art Berlusconi für Arme."

Und dennoch stehen dem viele andere deutsche Kanzler nacht. Hierzulande macht man tatsächlich eine andere Politik. Und wenn wir den Blick mal nach Norden und Osten schweifen lassen, dann sehen wir auch da eine wesentlich andere Politik.

Warum Berlusconi TROTZ seiner Ego-Politik Erfolg hat, hat die Zeit meiner Meinung nach recht schön geschrieben:
http://blog.zeit.de/ladurnerulrich/2010/...as-wir-liebten/

"Berlusconi bleibt im Amt, und wir fragen uns wieder einmal mit Schaudern: Wie ist das möglich? Ein Mann wie dieser? Der Skandale in Serie produziert. Der Politik als billige Show und sein Amt als Schutz vor juristischer Verfolgung versteht. Eigentlich indiskutabel!

Tatsächlich sollten wir uns über uns selbst wundern. Denn Berlusconi ist seit 1994 die dominierende politische Figur Italiens, drei Mal ist er zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Und immer haben wir gedacht: Unmöglich! Einfach unmöglich! Geholfen hat unser entsetztes Kopfschütteln nichts. 15 Jahre lange haben wir uns geweigert, ihn zu verstehen, weil er uns zu “unappetitlich” erscheint. Wir verstehen Berlusconi nicht, weil wir Italien lieben. Wir hängen an einem Trugbild.

Das wirkliche Italien ist das Italien Berlusconis.

Man sollte damit anfangen zu akzeptieren, was Sache ist. Berlusconi ist der Meister Italiens, weil er Italien besser als jeder seiner Konkurrenten repräsentiert, vor allem aber besser als jeder andere versteht. Natürlich, wir reden von dem Italien, das er in den letzten 30 Jahren mit seinen Fernsehsendern und seiner Politik geformt hat. Doch bleibt es das offene Geheimnis seines Erfolges, dass er um den zynischen Realismus vieler Italiener weiß. Sie glauben nicht an schöne Worte, sondern an Fakten, sie können zwischen dem schönen Schein und der tatsächlichen Macht genau unterscheiden. Sie wissen, was nützlich ist und was nicht.

Gianfranco Fini, der Herausforderer Berlusconis, ist an diesem ausgeprägten Realitätssinn Italiens gescheitert. Er konnte zwar schöne, hehre Reden halten, doch wirkliche Macht hatte er nicht. Er war immer nur Kronprinz, nie König. Zuerst von seinem politischen Ziehvater, dem Neofaschisten Giorgio Almirante, dann von Silvio Berlusconi, den er jetzt vergeblich zu stürzen versuchte. Fini ist eine traurige Gestalt, die ein grelles Licht wirft.

Was wir sehen, mag erschütternd sein. Doch ist es Zeit, sich zu verabschieden von einem Italien, das wir liebten. Längst schon. Denn eines steht fest: Selbst wenn Berlusconi stürzen wird, und das wird irgendwann geschehen, selbst dann werden Zynismus und Egoismus nicht aus Italiens Politik und seiner Gesellschaft verschwinden."

WRL Offline



Beiträge: 1.124

16.12.2010 07:45
#11 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Lexx,

ich versuche es immer anders auszudrücken als in dem Blog:
Wenn bei uns eine Regierung wackelt, dann befällt uns große Panik. Wenn in Italien eine Regierung nach spätestens einem Jahr nicht wackelt, befällt die Italiener große Panik. Sprich: Den meisten Italienern ist ihre Regierung relativ egal, sie würden nämlich lieber gar keine haben.

Italien ist das Land der kleinen Geschäfte unter der Hand, der mafiosen Strukturen, das Land, in dem Solidarität eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns (nämlich Solidarität innerhalb der Großfamilie, des Clans), es ist eine Bevölkerung mit einem richtig glühenden Nationalstolz (als Beispiel möge Ferrari dienen); es ist in vielen Dingen fast das Gegenteil von uns Deutschen. Wahrscheinlich lieben wir es deswegen auch so...

Andererseits verfügen wir auch über eine große Zahl von Politclowns (ich nenne jetzt mal Seehofer, Gabriel, Roth, da gibt es noch sehr viele andere mehr) - nur sind die im Gegensatz zu Berlusconi nicht mal Laiendarsteller, so dass uns eher die Tränen der Wut als des Lachens kommen - mir zumindest.

Schönen Tag
WRL

"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach
“Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.”
(Mark Twain)

F-W Offline




Beiträge: 1.679

16.12.2010 09:52
#12 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Na, in puncto Selbstinszenierung haben wir doch auch einen ganz grossen: Den Guttenberg-Grafen. Der macht das in meinen Augen sogar um Klassen besser als der Berlusconi.

Die Kritik daran ist verlogen, denn in einer Mediendemokratie ist die (Selbst-)Inszenierung nicht nur legitimer, sondern geradzu notwendiger Teil der politischen Auseinandersetzung.

FW

DP Offline



Beiträge: 5.248

16.12.2010 09:54
#13 RE: Das große BUMM in Italien. Antworten

Lexx, wir verstehen nicht nur Italien nicht sondern darüberhinaus auch kein anderes Land der Welt, zumindest solange man nicht längere Zeit dort selbst verbracht hat. Der Zeit Blog ist doch auch wieder bezeichnend und steckt voll billigster Klischees. Ich will das nicht kritisieren, nur darstellen. Die Presse macht sich ein Bild und reduziert dies auf einige wenige Facetten, so tickt der Mensch nun mal. Und deshalb besteht die Welt aus bösen Sarah Palins und guten Obamas, fetten Texanern, korrupten Russen und verschlagenen Chinesen. Das Spezielle an Berlusconi ist, dass er einige Klischees Italiens dann auch noch persönlich repräsentiert. Da kann dann kein Medium widerstehen.

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