Lexx schrieb am 17.01.2008 12:04
FW: "So Sachen wie die Ministererlaubnis, die jahrzehntelang das Stromoligopol geschützt hat, gehören abgeschafft. "
Aber mal grundsätzlich, FW: Eine Behörde ist Staat. Und wenn die Kartellbehörde sich in den Markt einmischt, ist das eine Einmischung des Staates. Oder willst du mir da jetzt was anderes erzählen?
Allerdings! Auch die Justiz wird vom Staat unterhalten und ist trotzdem ein unabhängiger Pfeiler der Gewaltenteilung.
Wenn man das Kartellamt so unabhängig von Weisungen der Exekutive gestaltet wie die Zinspolitik der Bundesbank/EZB, dann sind ihre Weisungen kein Staatseingriff.
AMD ist ein schlechtes Beispiel. Dass das bis heute so gut läuft, haben die fleissigen Sachsen nicht der Weisheit ihrer Landesregierung zu verdanken, sondern letzten Endes dem vielgescholtenen Bill Gates.
Die sächsische Regierung unter Sonnenkönig Biedenkopf hätte viel lieber Intel an Bord geholt, nahmen dann aber mit AMD vorlieb, bevor sie überhaupt keinen gewinnen konnten. Damals lagen die schlechten Erfahrungen mit verschleuderten Subventionen nicht lange zurück, z.B. das CD-Werk des Unternehmers Piltz, der dann irgenwann vor Gericht gelandet ist.
AMD war damals der Prototyp eines loosers. Kein Mensch in der Branche hätte auch nur einen Cent auf ihr Überleben verwettet. Sie hatten keinen Fuss im IBM-PC Geschäft und waren fast genauso pleite wie ihr Hauptabnehmer Apple. Nur weil Gates Apple gerettet hatte, konnte auch AMD überleben.
Das Werk in Sachsen war eine der letzten Chancen für AMD. Da haben sich zwei Krüppel gefunden und eine zugegebenermassen erstaunliche Erfolgsgeschichte geschrieben. Auf solchen Voraussetzungen fussen aber die wenigsten Subventionen, und wenn, dann gehen sie i.d.R. den Bach herunter, wie diese Zeppelinbauer in Brandenburg.
Und sicher, dass der Honeymoon ewig weiter geht, kann Sachsen auch nicht sein. Das Prozessor-Geschäft ist knallhart. Sehr zyklisch. Als extrem kapitalintensiv sind sie auf sehr hohe Auslastungsgrade angewiesen. Schon bei 80% Auslastungen verlieren sie Geld. Dann würde auch AMD schnell ein Werk in Sachsen zumachen, da nutzt alte Verbundenheit auch nichts.
kater_5 schrieb am 17.01.2008 07:32
Man sollte ja auch nicht vergessen, dass das Werk jetzt 12 Jahre bestand und dafür Subventionen in Höhe von 60 Mio, bezahlt wurden. (oder so)
Bei 2000 MA sind das so 2500€ pro Mitarbeiter und Jahr. Wenn man jetzt die Zulieferer dazurechnet halbiert sich die Summe.
Alles in allem war das kein schlechtes Geschäft für die Politiker und auch nicht für die MA.
Gruss
Kater
Aber Noika hat offensichtlich was kostenguenstigeres gefunden.
Und nur das zaehlt.
Dass die Politiker annehmen, Noika wuerde trotzdem bleiben, aus irgendwelchen Verantwortungsgefuehlen, ist naiv.
Die Rechnung kann man erst aufmachen, wenn man weiss, wieviel ALG der Staat jetzt abdrücken darf. Die Beschäftigungsalternativen scheinen an dem Standort ja nicht allzu rosig zu sein.
Des Risikos, sich einen einzelnen AG mit so vielen Arbeitsplätzen mit Subventionen an Land zu ziehen, waren sich die Entscheider vielleicht sogar bewusst - und haben gehofft, dass es nicht eintreten würde. Pech gehabt.
F-W schrieb am 17.01.2008 17:05
AMD war damals der Prototyp eines loosers. Kein Mensch in der Branche hätte auch nur einen Cent auf ihr Überleben verwettet. Sie hatten keinen Fuss im IBM-PC Geschäft und waren fast genauso pleite wie ihr Hauptabnehmer Apple. Nur weil Gates Apple gerettet hatte, konnte auch AMD überleben.
Wenn Du den zitierten Abschnitt weggelassen hättest, hätte ich Dir uneingeschränkt zustimmen können - so muss ich wieder an den Details rummäkeln.
Apple hatte noch nie AMD-Prozessoren. Zum Zeitpunkt der Investition in Dresden gab es gute Gründe anzunehmen, dass AMD in die Intel-Dominanz langfristig einbrechen kann (K7-Architektur und Aufschließen bei den Fertigungsprozessen). Schon vorher hatte AMD als einziger Alternativhersteller x86-kompatibler Prozessoren signifikante Anteile am PC-Geschäft, hauptsächlich im Low-End-Bereich (K5, K6).
AMD hatte Jerry Sanders, der schlicht nicht umzubringen war.
JerrY allein hat Intel das Fuerchten beigebracht.
Wie AMD mit dem neuen CEO faehrt, weiss ich nicht.
" Die Beschäftigungsalternativen scheinen an dem Standort ja nicht allzu rosig zu sein."
Naja, das ist genau der Punkt. Die Leute wären sonst auch die letzten 12 Jahre arbeitslos gewesen.
Das Problem ist, dass es nicht gelungen ist, um Nokia herum Cluster zu bilden, wie das in Dresden der Fall ist. AMD war der Anfang, aber wenn AMD gehen würde, wäre immer noch eine ganze Menge da, was sich um AMD herum angesiedelt hat und dann auch alleine lebensfähig ist.
Davon abgesehen hatte ich AMD eigentlich als Beispiel für eine Branche genannt, in der Investitionen fast ausschliesslich nach den Subventionen entschieden werden. Eine solche Halbleiterfabrik ist dermassen teuer, dass Infrastruktur, Lohnkosten etc. fast keine Rolle spielen. Wer also am meisten dazugibt, bekommt die Fabrik. Wer nichts gib, kann Autobahnen bauen so viel er will (mal davon abgesehen, dass man für die Chips sowieso nur einen LKW am Tag braucht). Wobei Dresden aufgrund der vorhandenen Fachkräfte aus Robotron Zeiten sogar noch ein paar kleine Vorteile hatte. Aber solche Facharbeiter gibt es auch in Korea, Taiwan oder Israel.
Wenn man also so ein Cluster bilden will, muss man erstmal vorlegen.
Steffen:
Gabriel hat keine Ahnung von Energie, aber Rüttgers durchschaut die Konzerne durch und durch?
Na ich denke, da traust du den Politikern weniger Naivität zu, als sie tatsächlich haben. Mag sein, dass bei Eröffnung des Werkes irgendwo im Hinterkopf die Möglichkeit, dass es bald wieder geschlossen wird, rumschwirrte. Aber dass das dem eröffnenden Politiker (sofern die 12 Jahre Bestand stimmen war das Johannes Rau) damals vollkommen klar war, glaube ich nicht.
Rocky:
Das war keine Ironie, das habe ich wirklich gemeint!
FW: "Wenn man das Kartellamt so unabhängig von Weisungen der Exekutive gestaltet wie die Zinspolitik der Bundesbank/EZB, dann sind ihre Weisungen kein Staatseingriff. "
Sorry FW, aber das ist Schwachsinn: Die Kartellbehörde IST Exekutive und Exekutive ist Staat. Wenn die Polizei dein Haus durchsucht ist das genauso ein STAATLICHER Eingriff in deine Privatsphäre, wie wenn das Kartellamt eine Fusion verbietet.
Wenn du von POLITISCHEM Eingriff sprechen würdest, hätte ich kein Problem damit, dann stimmte ich Gerds Aussage sogar zu - POLITISCHER Eingriff in die Wirtschaft ist in aller Regel schlecht. STAATLICHER Eingriff ist dagegen unabdingbar, um das nachhaltige Funktionieren der Wirtschaft zu gewährleisten - etwa durch Kartellbehörden.
Lexx schrieb am 18.01.2008 01:35
Sorry FW, aber das ist Schwachsinn: Die Kartellbehörde IST Exekutive und Exekutive ist Staat. Wenn die Polizei dein Haus durchsucht ist das genauso ein STAATLICHER Eingriff in deine Privatsphäre, wie wenn das Kartellamt eine Fusion verbietet.
Wenn du von POLITISCHEM Eingriff sprechen würdest, hätte ich kein Problem damit, dann stimmte ich Gerds Aussage sogar zu - POLITISCHER Eingriff in die Wirtschaft ist in aller Regel schlecht. STAATLICHER Eingriff ist dagegen unabdingbar, um das nachhaltige Funktionieren der Wirtschaft zu gewährleisten - etwa durch Kartellbehörden.
Machst du es dir mit so einer - kuenstlichen?! - Unterscheidung nicht etwas zu einfach? Wo soll da der gravierende Unterschied zwischen politischem und staatlichem Eingriff sein und warum soll der politische Eingriff generell gravierend schlechter sein als der staatliche?
Werhamster:
Unter Staatlichem Eingriff sehe ich jegliche Einmischung irgendeines Staatsorgans (also vor allem Behörden. Gerichte gehören nicht dazu, denn die mischen sich nie von selbst ein, sondern werden angerufen).
Unter politischem Eingriff verstehe ich speziell das Engagement von Politikern.
Während der Eingriff etwa einer Behörde auf Gesetzesgrundlage und ggf. Expertenanalyse beruht, ist der Eingriff von Politikern nicht selten populistisch oder moralisch motiviert, wobei die Meinung des jeweiligen Politikers als Grundlage ausreicht. Ich denke nicht, dass der Unterschied künstlich ist.
Übrigens aufgrund dieses Unterschiedes habe ich FW darin zugestimmt, dass "so Dinge wie die Ministererlaubnis" abgeschafft gehören. Das ist nämlich die Überstimmung des staatlichen Eingriffs durch die Politik.
Lexx schrieb am 19.01.2008 10:53
Werhamster:
Unter Staatlichem Eingriff sehe ich jegliche Einmischung irgendeines Staatsorgans (also vor allem Behörden. Gerichte gehören nicht dazu, denn die mischen sich nie von selbst ein, sondern werden angerufen).
Unter politischem Eingriff verstehe ich speziell das Engagement von Politikern.
Während der Eingriff etwa einer Behörde auf Gesetzesgrundlage und ggf. Expertenanalyse beruht, ist der Eingriff von Politikern nicht selten populistisch oder moralisch motiviert, wobei die Meinung des jeweiligen Politikers als Grundlage ausreicht. Ich denke nicht, dass der Unterschied künstlich ist.
Finde ich schon, da ja alle staatlichen Eingriffe auf politische Entscheidungen (welche ja nun auch Eingriffe sind) basieren.
Falls du mit politischen Eingriffen sowas meinst, wie zb die Aufforderung bestimmte Handys nicht zu kaufen, ist da natuerlich ein Unterschied - letzteres ist naemlich kein wirklicher Eingriff, sondern nur eine Meinungsaeusserung zu einem Produkt/Unternehmen.
Und wenn das angeprangert oder gar verboten werden soll, dann gabs unter Adolf und Saddam aber mehr marktwirtschaftliche Freiheiten
kater_5 schrieb am 17.01.2008 20:46
Das Problem ist, dass es nicht gelungen ist, um Nokia herum Cluster zu bilden, wie das in Dresden der Fall ist. AMD war der Anfang, aber wenn AMD gehen würde, wäre immer noch eine ganze Menge da, was sich um AMD herum angesiedelt hat und dann auch alleine lebensfähig ist.
Aber - ganz ehrlich - wer hätte bei einer einfachen Handyfertigung, die überall auf der Welt stehen könnte, überhaupt auch nur im entferntesten daran geglaubt, dass sich hier ein solcher "Cluster" hätte bilden können?
Vielleicht ein Cluster von Currywurstbuden sowie Reinigungs- und Securityfirmen. Ja, dafür kann man schon mal ein paar Millionen Subventionen abdrücken.
Werhamster: "Finde ich schon, da ja alle staatlichen Eingriffe auf politische Entscheidungen (welche ja nun auch Eingriffe sind) basieren."
Es macht aber einen Unterschied, ob eine politische Entscheidung im Rahmen einer Gesetzesinitiative diskutiert und schließlich vom Parlament als Gesetz verabschiedet wird, oder ob eine politische Initiative allein nach Gutdünken Regierungsangehöriger Einfluss auf die Wirtschaft nimmt.
Das Bundeskartellamt handelt nach Weisung der Gesetze, die von einem Parlament, also als mehrheitsfähiger Konsens, verabschiedet wurden.
Die Ministererlaubnis unterliegt dagegen allein dem Gutdünken des entscheidenden Ministers. Ebenso jedes andere Eingreifen der Politik ist in erster Linie durch den Willen der Politiker motiviert, die wie wir alle ja wissen, durchaus mal zu öffentlichkeitswirksamen, aber kontraproduktiven Maßnahmen greifen. Ein Bundeskartellamt schert sich dagegen einen feuchten Kehricht um Öffentlichkeitswirksamkeit, sondern arbeitet nach den gesetzlichen Vorgaben.
Also kurzgesagt:
Behörde - Einmischung nach gesetzlichen Bestimmungen.
Politik(er) - Einmischung nach eigenem Gutdünken.
Lexx schrieb am 19.01.2008 10:53
Werhamster:
Unter Staatlichem Eingriff sehe ich jegliche Einmischung irgendeines Staatsorgans (also vor allem Behörden. Gerichte gehören nicht dazu, denn die mischen sich nie von selbst ein, sondern werden angerufen).
Unter politischem Eingriff verstehe ich speziell das Engagement von Politikern.
Während der Eingriff etwa einer Behörde auf Gesetzesgrundlage und ggf. Expertenanalyse beruht, ist der Eingriff von Politikern nicht selten populistisch oder moralisch motiviert, wobei die Meinung des jeweiligen Politikers als Grundlage ausreicht. Ich denke nicht, dass der Unterschied künstlich ist.
Übrigens aufgrund dieses Unterschiedes habe ich FW darin zugestimmt, dass "so Dinge wie die Ministererlaubnis" abgeschafft gehören. Das ist nämlich die Überstimmung des staatlichen Eingriffs durch die Politik.
Werter Lexx,
das Handelsn der Exekutive basiert in Deutschland immer und ausnahmslos auf dem geltenden Recht und ist deshalb immer überprüfbar.
Zur Exekutive zählen auch Minister.
Deshalb kann von der Systematik her auch die Politik keine staatlichen Eingriffe "überstimmen".
Auch Ministererlaubnisse unterliegen der rechtlichen Überprüfung.