Nach der heutigen, höchstrichterlichen Entscheidung muss die Kassiererin "Emmely", die wegen angeblich unterschlagener Pfandbons im Wert von 1,30 € fristlos gekündigt worden war, von Kaisers's Tengelmann wieder beschäftigt werden.
"Der Zweite Senat entschied, dass das Vertrauen durch das einmalige Delikt nach der langen Betriebszugehörigkeit nicht vollkommen "aufgezehrt" worden sei [was die Begründung für die Kündigung war]. Zudem sei die Schädigung relativ niedrig gewesen." http://www.tagesschau.de/wirtschaft/pfandbonurteil100.html
Damit ist jetzt klar: Minimale Vergehen, seien es die angeblich unterschlagenen Bons oder der angeblich geklaute Brotaufstrich rechtfertigen keine fristlose Kündigung nach langer Betriebszugehörigkeit.
Kein Chef schmeißt einen guten Mitarbeiter wegen sowas raus, schon aus Pragmatismus. Suche und Einarbeitung kosten viel Zeit und Geld, auch im Einzelhandel. Die Sache hat mit Sicherheit eine Vorgeschichte. Soweit ich weiß, galt die Frau als faul und war wohl recht häufig krank. Dank des deutschen Kündigungsschutzes kam die Lappalie wohl gerade recht. Besser wäre es, der Arbeitgeber hätte da erst eine Abmahnung ausgesprochen und auf das zweite Vergehen gewartet.
"Besser wäre es, der Arbeitgeber hätte da erst eine Abmahnung ausgesprochen und auf das zweite Vergehen gewartet."
Na ja, das nächste Vergehen muss ja dann wieder in der ähnlichen Verfehlung liegen - und wie ich unsere Arbeitsrichter einschätze hätte es nicht gereicht, wenn sie sagen wir mal eine flasche Milch geklaut hätte...
Schönen Abend WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Interessant, welche Verurteilungen dieser Kassiererin hier so in völliger Unkenntnis der Sachlage gefällt werden.
Wikipedia sagt da ganz was Anderes: "Die Kassiererin, ihr Anwalt Benedikt Hopmann und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die ihr Rechtsschutz gewährte, vermuteten, Hintergrund der Kündigung sei die Beteiligung der Frau an Streiks im Einzelhandel Ende des Jahres 2007.[4][5] Anschließend war sie nur noch zu Spätschichten eingeteilt worden; der Filialleiter schloss sie im Januar 2008 von einer Feier der Beschäftigten aus."
Aha. Seit wann ist wikipedia nun auch ein Nachrichtenportal mit Wahrheitsanspruch? Und welchen neutralen Stellenwert haben in so einer Auseinandersetzung ausgerechnet die Aussagen von Gewerkschaftsfunktionären und Anwalt der Beklagten?
Zitat von Lexx Wikipedia sagt da ganz was Anderes: "Die Kassiererin, ihr Anwalt Benedikt Hopmann und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die ihr Rechtsschutz gewährte, vermuteten, Hintergrund der Kündigung sei die Beteiligung der Frau an Streiks im Einzelhandel Ende des Jahres 2007.[4][5] Anschließend war sie nur noch zu Spätschichten eingeteilt worden; der Filialleiter schloss sie im Januar 2008 von einer Feier der Beschäftigten aus."
Wilipedia ist nichts weiter als eine weitere Tratschtante. Ich erinnere mich noch gut, dass der Arbeitgeber die Entlassung eben nicht mit dem Stehlen der Gutscheine begründete sondern mit der Weigerung der Kassiererin die Tat trotz eindeutiger Beweise zuzugeben. Daraufhin wollte man sie zumindest von der Kasse entfernen, worauf sie sich weigerte. Dass die Frau Emme keine Talkshow ausliess um Arbeitgeber und Kollegen vor aller Welt schlecht zu reden rundet das Bild von einer intriganten, hinterhältigen notorischen Querulantin ab. Dass sie trotz ihrer Berühmtheit bis heute keinen Job hat spricht Bände.
DP: Wenn du nach 31 Jahren wegen einer inszenierten Unterschlagung von deinem verhassten Arbeitgeber rausgeworfen würdest, hättest du dann nicht eine ziemliche Wut im Bauch? Ich kann die zu unrecht Entlassene durchaus verstehen. Zudem, soweit ich gelesen habe waren in den Talkshows auch Gegenpositionen, die sie wiederum schlecht geredet haben.
"Dass sie trotz ihrer Berühmtheit bis heute keinen Job hat spricht Bände."
In der Tat. Sie ist 50 und setzt sich für Arbeitnehmerrechte ein. Zu alt, zu unbequem sowas will keiner. Die entsprechenden AG nehmen lieber jüngere alleinerziehende Mütter, die von ihrem Job so abhängig sind, dass sie lieber Duckmäusern.
Spock: Im Gegensatz zu den Foristen hier hat Wikipedia immerhin Quellenzitate vorzuweisen. Und die Begründungen des Anwalts und der Gewerkschaft sind fundierter als die Behauptungen, die hier sonst geäußert wurden. Die Aussagen sind immerhin plausibel, während hier das Bild einer schmutzwerfenden parasitären Schmeißfliege gezeichnet wird, das allein auf subjektiven Eindrücken beruht.
Offenbar hatte die Frau bereits vor ihrer Kündigung ein zerrüttetes Verhältnis zu ihrem Filialleiter. Und zwar wegen ihrer gewerkschaftlichen-Aktivität. Dazu zählt auch der Einsatz für eine höhere Spätschicht-Vergütung, zu deren Schichten sie im Anschluss anscheinend hauptsächlich oder gar ausschließlich eingeteilt wurde.
Weitere Recherche ergeben ein noch differenzierteres Bild. 1. Ob die Frau überhaupt Kassenbons unterschlagen hat, darüber gibt es garkeine inhaltliche Entscheidung. Es steht Aussage - Unterschlagung - gegen Aussage - andere Bons. Die vorherigen Gerichte haben die Vedachtskündigung bestätigt und sich anscheinend nicht abschließend mit der Frage beschäftigt, ob der Verdacht gerechtfertigt ist. 2. Ob diese Unterschlagung eine strafbare Schädigung des Arbeitgebers darstellt, ist rechtlich umstritten. Prozessanalysten führen an, dass die Unterschlagung wenn, dann zu Schaden des Kunden gegangen ist. Denn irgendwer hatte ja sowieso Anspruch auf das Pfand. 3. Es gab keine Abmahnung, sondern gleich den Rauswurf. Das lässt vermuten, dass der AG die Kassiererin loswerden wollte.
Zudem scheint es eine Diskrepanz in der Rechtssprechung verschiedener Zweige zu geben: "Die für die Dienstverträge von Beamten, Soldaten und Geschäftsführer zuständigen Gerichtszweige orientierten sich an der Bagatellgrenze der Strafgerichte und ließen abmahnungslose Kündigungen wegen Vermögensdelikten unterhalb von 50 € nicht zu." http://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Emmely
All das fügt sich bei mir nach wie vor zu einem Bild zusammen, dass eine Kündigung in einem solchen Fall juristisch fragwürdig und ethisch sowieso vollkommen unverhältnismäßig ist. Und deswegen begrüße ich das abschließende Urteil des BAG.
Lexx, du bist noch Student und hast sicher wenig Einblicke in den deutschen Arbeitsalltag.
Wenn ich schon sowas höre wie zerrüttetes Verhältnis zum Chef und Gewerkschaftsaktivität inklusive die Bilder von dieser Frau, dann habe ich ein recht gutes - zugegebenermaßen subjektives - Bild im Kopf.
Ich sags nochmal: Kein Chef schmeißt einen guten Angestellten *nur* wegen sowas raus, einfach weil es für ihn teuer und stressig ist. Der deutsche Einzelhandel ist außerdem kein Paradies, sondern eher Kriegsschauplatz. Wer da arbeitet, egal ob als Kassiererin, Filial- oder Gebietsleiter, wird nicht mit Samthandschuhen angefasst. Die Branche liefert sich einen erbarmunglosen Wettbewerb bei kleinen Margen, die Angestellten sind nicht gerade von hohem Bildungsstand. Da geht es sicher um einiges rauher zu als in den warmen Büros von Gewerkschaftsfunktionären oder ARD-Journalisten, die sich zu diesem Fall so kompetent äußern.
DP: Wenn du nach 31 Jahren wegen einer inszenierten Unterschlagung von deinem verhassten Arbeitgeber rausgeworfen würdest (...)
Offenbar hatte die Frau bereits vor ihrer Kündigung ein zerrüttetes Verhältnis zu ihrem Filialleiter. (...)
Es gab keine Abmahnung, sondern gleich den Rauswurf. Das lässt vermuten, dass der AG die Kassiererin loswerden wollte. (...)
Und deswegen begrüße ich das abschließende Urteil des BAG. Es gibt noch Gerechtigkeit!
Summasummarum; Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist irreparabel zerstört. Von einem Vertrauensverhältnis kann keine Rede mehr sein, schon gar nicht von einem Einsatz direkt am Kundengeld.
Und in dieser Situation ist für dich nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der logische Schritt sondern die gerichtlich angeordnete Weiterbeschäftigung?
Spock: Ich arbeite in der Tat in anderen Kreisen als einem Supermarkt und kann nur Erfahrungen aus zweiter Hand anführen.
Was du schreibst ist alles richtig. Es begründet zwar das Interesse des AG, die Frau loszuwerden, legitimiert die Vorgehensweise aber nicht. Kriegsschauplatz hin oder her, nach deutschem Recht müssen die AG die Arbeitnehmerrechte respektieren und dazu gehört auch ein Streik. Dass Unterdrückung in vielen Supermärkten usus ist, ist zwar status quo aber muss sie deswegen von jedem hingenommen werden?
Ich meine nein und ich finde es falsch, dass diejenigen, die sich dafür einsetzen, so einfach abserviert werden.
DP: ►"Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist irreparabel zerstört."
Jetzt NACH dem Gerichtsverfahren ja. Schuld daran ist allerdings qua Gerichtsurteil der Arbeitgeber und deswegen muss er auch damit leben, dass die Frau jetzt weiterbeschäftigt wird. Am fairsten wäre vermutlich eine Versetzung in eine andere Filiale, wo beide Seiten vergleichsweise unbelastet das Arbeitsverhältnis fortsetzen können.
Zitat von Lexx Am fairsten wäre vermutlich eine Versetzung in eine andere Filiale, wo beide Seiten vergleichsweise unbelastet das Arbeitsverhältnis fortsetzen können.
Das wäre dann die katholische Methode; Wer klaut wird in die nächste Filiale "versetzt".
DP: Nein. Eine Versetzung wäre ein Entgegenkommen gegenüber dem AG zu beiderseitigem Vorteil. "Emmely" hat (so vermute ich) Anspruch darauf, in genau der Filiale weiter zu arbeiten, in der sie alle hassen. Glücklich würde sie da natürlich nicht werden.
"Summasummarum; Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist irreparabel zerstört. Von einem Vertrauensverhältnis kann keine Rede mehr sein, schon gar nicht von einem Einsatz direkt am Kundengeld. Und in dieser Situation ist für dich nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der logische Schritt sondern die gerichtlich angeordnete Weiterbeschäftigung?"
Hmm, und wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter in Leiharbeitsfirmen ausgliedert um sie dann auf den gleichen Arbeitsplätzen zum halben Gehalt weiterzubeschäftigen, kann er dieses Vertrauen noch haben ?
Also wenn man sich ansieht, was gerade im Diskounterbereich von den AG in den letzten Jahren gelaufen ist, ist das Argument mit dem angeblich so wichtigen Vertrauen wirklich völliger Schwachsinn.
"Ich sags nochmal: Kein Chef schmeißt einen guten Angestellten *nur* wegen sowas raus, einfach weil es für ihn teuer und stressig ist." Da widersprichst Du Dir aber später selbst.
" Der deutsche Einzelhandel ist außerdem kein Paradies, sondern eher Kriegsschauplatz. Wer da arbeitet, egal ob als Kassiererin, Filial- oder Gebietsleiter, wird nicht mit Samthandschuhen angefasst." Das ist wohl wahr.
" Die Branche liefert sich einen erbarmunglosen Wettbewerb bei kleinen Margen," Ja, das wird gerne erzählt. Fragt man sich nur, warum die reichsten Leute in Deutschland ausgerechnet die Chefs dieser Diskounter sind.
" die Angestellten sind nicht gerade von hohem Bildungsstand. Da geht es sicher um einiges rauher zu als in den warmen Büros von Gewerkschaftsfunktionären oder ARD-Journalisten, die sich zu diesem Fall so kompetent äußern." Und was willst Du damit sagen ? Dass die Chefs sich nicht an Regeln halten müssen ?