Das Bayerische Fernsehen hat bei der Sendung des angeblichen Live-Mitschnitts des diesjährigen Starkbieranstichs auf dem Nockherberg folgende Passagen aus der Fastenpredigt von Michael Lerchenberg alias Bruder Barnabas herauszensiert:
Zitat Alle 'Hartz IV'-Empfänger sammelt er [=Guido Westerwelle] in den leeren, verblühten Landschaften zwischen Usedom und dem Riesengebirge, drumrum ein Stacheldraht - haben wir schon mal gehabt. Zweimal am Tag gibt's a Wassersuppn und einen Kanten Brot. Statt Heizkostenzuschuss gibt's zwei Pullover von Sarrazins Winterhilfswerk, und überm Eingang, bewacht von jungliberalen Ichlingen im Gelbhemd, steht in eisernen Lettern: Leistung muss sich wieder lohnen.
Zitat Ach, Herr Herrmann [=Innenminister Joachim Herrmann]! In ihrem Büro müssen sich ja die Dankbarkeitsbriefe der Waffenindustrie, vom Sportschützen- und Jagdverband nur grad so stapeln. "Ausführungsbestimmungen" zum neuen Waffengesetz hat er erlassen, der königl. privilegierte Schützenbruder Herrmann. Aber was für oa!
Da wenn amal wieder einer Ihrer Schützenfreunde seine Pistolen unter'm Kopfkissen rauszieht, und im Blutrausch über andere herfallt, dann ham Sie mit Ihren "Ausführungsbestimmungen" den Straftatbestand der Beihilfe mühelos erfüllt. Inzwischen weiß man auch: Ihr Lieblingsbuch ist "Die Entdeckung der Langsamkeit". Und die bayerische Polizei hält sich daran. Wenn ein Verrückter über ein Ansbacher Innenstadt Gymnasium herfällt, da braucht die Polizei elf langsame Minuten! Ein Freiwilliger Feuerwehrler hat inzwischen vor Ort gehandelt.
Aber wenn in Regensburg zwei überforderte Polizisten zwölf Mal auf einen Geisteskranken schießen, davon vier Schuss wie einst beim Jennerwein von Hinten, dann wird gaaanz langsam ermittelt – wenn überhaupt! Dafür häufen sich die unrühmlichen Prügelauftritte des Amnesty International bekannten Münchner USK. USK heißt: das "Unidentifizierbare Schläger Korps", dessen Wirken dann von Staatsanwalt und willfährigen Richtern alimentiert wird.
Da kann man nur sagen: Bayerns Bürger, wenn ihr wollt, dass Euch schnell, zuverlässig und effizient geholfen wird, dann ruft's besser glei die Feuerwehr! Prost Gemeinde! "Humor ist, wenn man trotzdem trinkt!" Wenn wir grad schon bei der Verbrechensbekämpfung sind: Grüß Gott, Herr Mappus, Sie sind ja jetzt der Ersatz-Öttinger von Baden-Württemberg. Ganz neu im Amt, und schon glei in die Hosen gmacht, weil es ja jetzt eine neue Steuer-CD zu kaufen GÄBE.
Lerchenberg musste mittlerweile zurücktreten.
"Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen. Wer nicht einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen - der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schusshöhe." ~André Breton
Zensur hat doch beim Bayerischen Rundfunk langjährige Tradition. Ein Künstler, Kabarettist... muss sowas sagen dürfen, auch wenn ich persönlich die ALGII/KZ-Vergleiche daneben finde. Aber auch das soll der Zuschauer doch bitte selber entscheiden dürfen und keine Gedankenpolizei beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
In welcher Funktion musste Lerchenberg denn zurücktreten?
Lerchenberg hat den Bruder Barnabas verkörpert, der in seiner Fastenpredigt den Großkopfeten die Leviten ließt. Er hat auch den Text der Predigt zusammen mit einem Co-Autor verfasst.
Django Asül wurde ja auch abserviert, weil er zu unbequem war.
"Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen. Wer nicht einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen - der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schusshöhe." ~André Breton
Ich kenne mich mit den bayerischen Ritualen nicht so gut aus, aber meistens gibt es für solche Veranstaltungen ungeschriebene Regeln, wie weit man gehen darf. Die Initiatoren sind ja meistens mit der Politik verbandelt und wollen zu solchen Anlässen nicht angepisst werden. Insofern ist die 'Personalpolitik' schon nachvollziehbar, wenn da einer nicht das Maß findet.
Die müssen halt nur aufpassen, dass sie keine Schenkelklopferveranstaltung alter CSU-Granden draus machen, dann ist es nur noch peinlich und uninteressant.
Der Skandal bleibt für mich, dass der BR als vermeintlich unabhängiger Berichterstatter hier Passagen herausschneidet. Aber meines Wissens reicht der Arm der CSU wohl sehr weit in die Etagen am Münchner Rundfunkplatz. Ich habe nur die leise Hoffnung, dass das Phänomen CSU und auch das Phänomen ARD/BR in den nächsten Jahren massiv an Bedeutung verlieren werden, weil die Leute sich nicht mehr sonderlich dafür interessieren.
Zitat von Spock Die müssen halt nur aufpassen, dass sie keine Schenkelklopferveranstaltung alter CSU-Granden draus machen,
Das war doch immer eine thematisch bundespolitische Veranstaltung, deshalb ja auch mit Roth, Trittin, Westerwelle etc. Diese Barnabas Reden sind in alter Scheibenwischer Tradition (Bruno Jonas, Django Asül) links, abgewatscht werden allerdings alle politischen Richtungen.
Das Amoklaufen der Waffenindustrie in die Schuhe zu schieben, erfreut die Spieleindustrie...
Und Westerwelle&Co sollen sich nicht so anstellen... wer die alten Sprüche benutzt, sollte sich nicht wundern, wenn das Komiker aufgreifen...
Und die Komiker sollten sich nicht ängstigen... wer den schwarzgelbroten Lack ankratzt und dort braunen findet, hat doch in unseren Zeiten nichts zu befürchten und darf das ohne Angst laut aussprechen... ähm... hupps...
Zitat Das war doch immer eine thematisch bundespolitische Veranstaltung, deshalb ja auch mit Roth, Trittin, Westerwelle etc. Diese Barnabas Reden sind in alter Scheibenwischer Tradition (Bruno Jonas, Django Asül) links, abgewatscht werden allerdings alle politischen Richtungen.
Ja wie gesagt, ich habe nicht so die Ahnung, was das genau für eine Veranstaltung ist. Aber wenn es sogar originär zum Abwatschen ist, finde ich Zensur und Personalpolitik umso bedenklicher.
Zensur ist so ein hehres Wort. Der Komiker kommt ja nun nicht in den Knast, sondern eine Festanstellung in irgendsoeinem Staatsdingsda und kann da weiter frotzeln. Diese Predigten gehören seit Jahrzehnten zum festen Ritual der Politschikeria. Dass da so eine Tusnelda wie Charlotte Knobloch sitzt sagt uns, dass hier Besetzung, Themen und Redner fein nach Proporz, Religion und sexueller Vorliebe austariert sind. Sicher sind auch der Vorsitzende des Beamtenbundes und der Tierschutzpartei geladene Gäste.
Also wenn der deutsche Aussenminister sich von so einer Veranstaltung dermassen brüskiert fühlt, dass er alle zukünftigen Teilnahmen absagt dann muss das öffentlich rechtliche Fernsehen so einen Mist nicht auch noch verbreiten. Andererseits hätte man dem CSU Sender Stimmungsmache gegen die FDP nachsagen können.
Und nochmal; Zensur ist für mich Vertuschung, da kann bei dieser in jeder Zeitung wörtlich zitierten Passage wohl kaum die Rede wert sein.
Zitat Also wenn der deutsche Aussenminister sich von so einer Veranstaltung dermassen brüskiert fühlt, dass er alle zukünftigen Teilnahmen absagt dann muss das öffentlich rechtliche Fernsehen so einen Mist nicht auch noch verbreiten.
Aber doch, gerade dann muss es das! Ich bin ja voll dabei, dass diese ALG-Empfänger/KZ-Insassen-Vergleiche extrem daneben sind und nebenbei auch die NS-Opfer verhöhnen. Wenn Hamster, Mirk und Co. damit ankommen, geht mir jedes Mal das Messer auf.
Aber wenn sich nunmal einer entblödet, das öffentlich auf einer Bühne vor Politikern zu sagen, gehört es in die TV-Übertragung und nicht herausgeschnitten.
Zitat Zensur ist für mich Vertuschung
Da stimmt deine Zensur-Definition aber nicht, die gilt höchstens in totalitären Staaten mit komplett gleichgeschalteten Medien. Zensur ist für mich zunächst immer der einzelne Vorgang.
Da stimmt deine Zensur-Definition aber nicht, die gilt höchstens in totalitären Staaten mit komplett gleichgeschalteten Medien. Zensur ist für mich zunächst immer der einzelne Vorgang.
Und worin unterscheidet sich dann Zensur vom "einzelnen Vorgang" dessen was täglich in zehntausenden Redaktionen passiert unter den verschiedenen Vorgängen des zurechtschneidens, auslassens, plakatieren, polemisieren, auf-die-Frontseite-bringen, in-den-hintersten-Teil-der-Zeitung-verbannen, kommentieren, karikierens etc.?
Zitat Und worin unterscheidet sich dann Zensur vom "einzelnen Vorgang" dessen was täglich in zehntausenden Redaktionen passiert unter den verschiedenen Vorgängen des zurechtschneidens, auslassens, plakatieren, polemisieren, auf-die-Frontseite-bringen, in-den-hintersten-Teil-der-Zeitung-verbannen, kommentieren, karikierens etc.?
Kann ich dir sagen:
Wenn ein Medium (Zeitung, TV-Sender, ...) ein Werk (Rede, Veranstaltung, Spielfilm, ...) an sich in Gänze wiedergibt, jedoch aus rein inhaltlichen Erwägungen einzelne Passagen entfernt, dann ist das Zensur, insbesondere wenn kein anderer wichtiger Grund (zu lang, inhaltslose Umbaupause, ...) bestanden hat oder ausgerechnet das Entfernte sogar besonders bemerkenswert war.
Mir ist schon klar, worauf du hinauswillst. Redaktionelles Handeln bedeutet immer per Abwägung Material zu schneiden, hervorheben, kommentieren. Die Gefahr der Verzerrung ist dabei immer gegeben.
Aber wenn eine Veranstaltung mehr oder weniger in Gänze übertragen wird und dann fehlen ausgerechnet strittige, kontroverse Teile, dann ist der Tatbestand für mich eindeutig. Und wie schon gesagt: Der BR hat darin eine lange zurückreichende Tradition.
Zitat von SpockMir ist schon klar, worauf du hinauswillst. Redaktionelles Handeln bedeutet immer per Abwägung Material zu schneiden, hervorheben, kommentieren. Die Gefahr der Verzerrung ist dabei immer gegeben.
Aber wenn eine Veranstaltung mehr oder weniger in Gänze übertragen wird und dann fehlen ausgerechnet strittige, kontroverse Teile, dann ist der Tatbestand für mich eindeutig.
Ja, darauf will ich hinaus. Und solange Politik und Medien über diese strittigen Teile ausführlich zitieren und debattieren kann man wohl kaum von Zensur sprechen. Für mich ist das ein Abwägen von Publikumsinteresse und der Grenze des guten Geschmacks, etwa wie wenn ein Marathonläufer nach dem Ziel losreihert, da hält man ja auch nicht voll drauf.
Zitat Und solange Politik und Medien über diese strittigen Teile ausführlich zitieren und debattieren kann man wohl kaum von Zensur sprechen.
Aber wer sich im TV aus erster Hand informieren wollte, geht dann leer aus. Ein Zensor kann sich m.E. nicht damit herausreden, dass der beschnittene Inhalt noch anderswo verfügbar ist.
Irgendwie kommt mir da gerade die Debatte über diese Tante vom NDR in den Sinn, die Familienwerte des Dritten Reichs gut fand. Es wurde dann in den Medien wochenlang drüber geschwafelt, aber der Live-Wortlaut und Kontext war lange vergessen.
Zitat Für mich ist das ein Abwägen von Publikumsinteresse und der Grenze des guten Geschmacks, etwa wie wenn ein Marathonläufer nach dem Ziel losreihert, da hält man ja auch nicht voll drauf.
Gutes Beispiel! Ich verstehe (wieder) was du meinst. Ich habe aber ein besseres:
Was, wenn der Marathonläufer auf der Strecke seinem Konkurrenten ein Bein stellt, woraufhin der sich heftig auf die Fresse legt. Schneidet man das auch raus?
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