Hier in Frankfurt steht sicher eines der größten, umsatzstärksten und vielleicht auch besten Karstadt-Häuser Deutschlands.
Manchmal gehe ich da rein, eher so aus alter Gewohnheit. Das meiste da drin ist eher ein Trauerspiel. Das Erdgeschoss ist stark frequentiert von der Zeil-Laufkundschaft - die Handelsprofis haben da irgend nen Fachbegriff für. Weiter oben, das reinste Trauerspiel. Missgelaunte, notorisch mit Einräumen beschäftigte oder arrogante Verkäufer, trotz kürzlicher Renovierung hässliche Auslagen.
Ich kann verstehen, dass man da nicht so gerne einkauft und möchte mir lieber nicht vorstellen, wie so ein Karstadt in der Provinz aussehen mag.
Der Einzelhandel macht derzeit einen großen Wandel durch, aus mehreren Gründen, die alle bekannt sind: Das Internet ist nur einer, so schlimm viel wird dort noch gar nicht umgesetzt in manchen Marktsegmenten. Aber es bilden sich auch neue Formen der klassischen Geschäfte heraus, die den Bedürfnissen der Kunden besser entsprechen. Vielleicht ist das klassische Kaufhaus eben ein Auslaufmodell und Karstadt hat es noch dazu verpasst, dieses Modell aufzupeppen und in die Zukunft zu retten.
Daher kann ich nur den Kopf schütteln, wenn es nun schon wieder um Bürgschaften von einer halben Milliarde Euro gehen soll. Wer kommt denn da noch alles? Man kann ja nur von Glück sagen, dass z.B. die Hufschmiede mangels Nachfrage schon weitgehend ausgestorben sind.
"dass z.B. die Hufschmiede mangels Nachfrage schon weitgehend ausgestorben sind."
Prinzipiell stimme ich Dir ja zu, was die Kaufhäuser betrifft, aber Hufschmiede gibts noch eine ganze Menge, ich bin mir garnicht sooo sicher, dass deren Anzahl die Anzahl der Kaufhäuser nicht beinahe erreicht, allerdings darf man dann die Anzahl der Mitarbeiter nicht zählen...
Schönen Gruß WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Wir gehen immer rein, wenn die Kleine mal gewickelt werden muss. Gelegentlich habe ich im lokalen Karstadt auch mal eine Tintenpatrone für den Drucker gekauft.
Nebenan ist ja in Frankfurt das Center "My-Zeil" gebaut worden mit Monster-Frequenz (140.000 innerhalb der ersten beiden Tage). Ich habe auch mal das Vergnügen hehabt, im direkt angrenzenden Woolworth zu verkaufen - also die Zeil ist schon eine andere Welt und ich habe schon viele Warenhäuser in D gesehen. Dass das Warenhaus-Konzept an sich in der heutigen Zeit immer noch erfolgreich überlebensfähig ist, beweist ja der Metro-Konzern mit seiner Galeria Kaufhof. Du schreibst aber richtig, dass parallel zur o.g. Entwicklung es verpasst wurde, die Weichen auf Erfolg zu stellen. Allerdings geht es vielen Karstadt-Filialen sehr gut und sie schreiben gute Zahlen - es hakt halt am Gesamt-Konzern. Vielleicht hätte man sich mehr auf das Kerngeschäft konzentrieren sollen und nicht so sehr mit Immobilien-Verscherbeln und Hertie-(Ver)schlucken......
Nach meiner Beobachtung finanziert sich so ein Warenhaus in der Tat nur durch den Verkauf im Erdgeschoss plus angrenzender Fressmeile. Der Rest wird dann durchgeschleppt. Im Prinzip müsste man diese Warenhäuser alle rückbauen aber dann wären das keine Warenhäuser mehr sondern Erdgeschossgrapschanbieter mit angrenzender Fressmeile. Wo ich noch gerne einkaufe sind diese Einkaufstempel wie sie jetzt am Alex in Ostberlin eins hingestellt haben. Der besteht dann nicht aus einem Warenhaus sondern unzähligen vielen kleinen Markenläden. Die Bedienung ist gut, der Wettbewerb hart, weil die sich alle gegenseitig konkurrenzieren, und die Auswahl bombig. Was für ein Unterschied zu Karstadt (oder ein Graus: Hertie), wo die unmotivierten Verkäufer mal im Sportbereich und mal Bastelsachen zurechtlegen. Diese Warenhäuser erinnerten mich schon zu meinen ersten Besuchen stark an die Inspiration der Belegschaft im VEB Untertrikotagen Leipzig. Wie passend, dass man nun unter Staatsgarantie über eine Zusammenlegung von irgendwie allem zur "Deutschen Warenhaus AG" nachdenkt.
Wenn man sich das mal vor Ort anschaut in einem -sagen wir mal- mittelgroßem Kaufhaus (Karstadt) läuft sicherlich mehr im Erdgeschoss ab als im 3. OG, aber man sollte es wie gesagt nicht unterschätzen. Oben sind oft beratungsintensivere Artikel Multimedia mit CD/DVD etc. - und wenn das Angebot stimmt, dann nutzen die Kunden sogar Rolltreppe oder Fahrstuhl Aber ich weiss, was Du sagen willst. Einige Häuser sind halt schon etwas älter und manch einem (auch Kunden) macht es keinen Spaß, im 1./2. OG ihre Bekleidung zu kaufen.
Anderseits hat das klassische Kaufhaus auch eine andere Kundenstruktur und diese erwarten, dass sie da ihre 5-er Päckchen Sportsocken genauso bekommen wie ein Handtuch für 2 Euro. Und die gibt es. Die meisten Verkäufer sind auch eigentlich nett und zuvorkommend, das wird man in der Masse feststellen, dass es überall schwarze Schafe gibt. Ich bin ja auch nett würde jedoch genauso von einer kompletten Schliessung beeinflusst werden, da ich einer der vielen, oft ungenannten Fremdfirmen-Mitarbeiter bin, wie sie es in allen Häusern gibt.
Als drittes bleibt noch anzumerken, dass es ähnlich wie im Kaufhaus-Bereich (Woolworth, Hertie) auch im Center-Bereich eine Entwicklung geben könnte, die eine Reduzierung derer nach sich ziehen könnte. Überwiegend mit Marken-Boutiquen, die auch nicht immer wissen, wie sie die erwarteten Umsätze noch erwirtschaften sollen. In Berlin gibt es alleine schon sechzig Center - das wird zwar etwas länger dauern, weil viele Mietverträge längerfristig sind und oft auch Ketten drin sind - aber auch hier ist schon lange nicht mehr alles Gold, was glänzt(e). Gilt natürlich nicht für MyZeil, Alexxa oder das Olympia-Center in München, die laufen immer.
bye, FunTa
PS: Ich gehe mal davon aus, dass es in der Tat zu einer Fusion kommen wird.
Genau so einen Tempel (MyZeil) haben wir jetzt in Frankfurt zwischen Kaufhof und Karstadt. Genial! Du wirst in jedem dieser Geschäfte individuell bedient, dazwischen haben sie Unmengen origineller Bistros und Cafes eingebaut. Durch die offene Architektur lädt der Tempel auch noch zum Flanieren und Gucken ein.
Ich brauchte vor ein paar Tagen ein paar neue Hemden und Kravatten, war erstmal im Karstadt. Dort konnte man eine Stecknadel fallen hören in der Herrenabteilung. Stand bestimmt 20min da rum und suchte unschlüssig Hemd- und Kravattenfarben aus. Obwohl der einzige Kunde auf 300 Quadratmetern blieb ich völlig unbehelligt. Hatte einen Moment überlegt, die Ware mal ohne Kassenstop zur Rolltreppe zu tragen
Zitat: Oben sind oft beratungsintensivere Artikel Multimedia mit CD/DVD etc.
Ich denke mit Grausen an das, was ich dort in Puncto Beratung bei Karstadt erlebt oder mit angesehen habe.
Die Karstadt-Musikabteilung (World of Music - ist das ein eigenes Unternehmen?) war früher mal sehr gut, inzwischen der reinste Ramschladen. Okay, das mag auch an den geschrumpften CD.Umsätzen liegen. Aber DVDs gehen doch nach wie vor oder haben sogar Umsatzplus. Dennoch Ramsch-Feeling.
Um es mal auf den Punkt zu bringen: Das "Gehen" ist das Problem.
Ich gehe gar nicht mehr in die Innenstädte, weil ich in Düsseldorf keine Lust habe, exorbitante Parkgebühren zu zahlen und das zu Fuss nun mal zu weit ist.
Da bezahle ich lieber Porto und bestelle mir Dinge im Netz.
"Genau so einen Tempel (MyZeil) haben wir jetzt in Frankfurt zwischen Kaufhof und Karstadt. Genial! Du wirst in jedem dieser Geschäfte individuell bedient,"
Naja, alle von denen, die ich besucht habe sind die gleiche langweilige Zusammenstellung irgendwelcher Ketten, die alle mehr oder weniger hipp aufgemacht den gleichen Einheitsschrott verkaufen.
WOM ist eine eigene Firma, wobei ich nicht weiß, zu welchem Konzern sie gehört. Ich habe ja schon vor gut 10 Jahren behauptet, dass es in D bald nur noch 5 bis 8 Großkonzerne geben wird, die alles aufgekauft oder kaputt gemacht haben werden.
Zu Kaufhäusern kann ich nur sagen, dass sie sich m.E. überlebt haben. Spezialisten sind den Großsortimentern doch in fast jeder Hinsicht überlegen. In den USA ist es doch so, dass es riesige Einkaufszentren gibt, die sich aber (ähnlich wie das Olympia-EZ in München oder die neue Zeil in Frankfurt) fast durch die Bank aus Einzelhäusern zusammensetzen - es gibt nur noch wenige Vollsortimenter dort.
In der münchener Fußgängerzone ist es dann noch zusätzlich so, dass sich die Sortimente unterscheiden und man, zumindest wenn man so selten zum Einkaufen geht wie ich, erst mal durch mindestens 3 Häuser durch marschieren muss bis man das Gesuchte findet.
Natürlich ist es um die Arbeitsplätze schade, aber Marktbereinigungen sind unvermeidbar und dürfen keineswegs durch die Politik verhindert werden.
Ab und zu gehe ich schon noch ins Kaufhaus. Da ich in Stuttgart in der Stadtmitte arbeite, liegen die "Kaufhausklassiker" Galeria Kaufhof (ehemals Horten) und Breuninger (der Erfinder der Kundenkarte) quasi in Rufweite. Beide zeigen, wie man heutzutage als Kaufhaus überlebt: freundliche Bedienung, umfassendes Sortiment, anständige Preise. Breuninger dabei etwas exklusiver, Kaufhof dafür etwas preiswerter. Die von Karstadt übernommenen ehemaligen Hertie-Häuser sind dagegen eine absolute Katastrophe (und waren als Hertie deutlich besser): missmutiges Personal, schlecht sortiertes Angebot, unübersichtlich angeordnet.
Ich habe zwar keine Ahnung, inwieweit die beiden Häuser (ebenso wie der zweite Galeria Kaufhof am Hauptbahnhof) finanziell solide dastehen, aber so ganz ohne würde ich die Innenstadt nun auch nicht wollen - dann bleiben nur 1-EUR-Shops, der eine oder andere Juwelier, zwei Schuhläden und 150 Handyshops.
Ich kann aber auch Kater verstehen, der aufgrund der Verkehrssituation eher dem Internet-Shopping nahesteht. Wobei das in Stuttgart noch ganz anständig gelöst ist, Parkhäuser gibts reichlich, Stau ist relativ selten wenn man die Rush-Hour meidet, und die Anbindung an den ÖPNV ist exzellent (die Haupteinkaufsstraße ist quasi durch zwei S-Bahn-Haltestellen begrenzt). Ich meine, wenn die Rahmenbedingungen einigermaßen passen, dann hat das Kaufhaus durchaus Zukunft. Aber halt nicht im Übermaß. Wenn Karstadt stirbt, hat Stuttgart im Zentrum drei große Kaufhäuser - das reicht doch wirklich.
Ich möchte nochmal kurz darauf eingehen, was Spock im Untertitel vermerkt hat: Lasst Karstadt doch bitte Pleite gehn! Dieses "Pleite-gehen" ist ja so wie wir jetzt sehen erstmal keine Pleite, sondern die Insolvenz eröffnet auch neue Chancen - aber ich vermute mal, dass es das von Spock gemeinte war. Denn keiner kann ein wirkliches Interesse daran haben, wenn ganze Firmenzweige samt Anhang (Putz-Kolonnen, Imbiss am Eingang, Restaurant, freie Händler vor und im Kaufhaus) einfach wegfallen.
@ kater kann ich nur sagen: Die Ware sehen, fühlen, riechen kann nicht durchs Online-Shopping ersetzt werden. Auch Anprobieren und vor Ort evtl. noch ein paar Euros runterhandeln kann auch von Spaß geprägt sein und muss nicht zur Belastung werden. Natürlich kann man die Ware auch wieder zurückschicken bei Nichtgefallen, aber das ist imho nicht das gleiche "Gefühl". Jedem natürlich das seine.
In Antwort auf:Lasst Karstadt doch bitte Pleite gehn! Dieses "Pleite-gehen" ist ja so wie wir jetzt sehen erstmal keine Pleite, sondern die Insolvenz eröffnet auch neue Chancen - aber ich vermute mal, dass es das von Spock gemeinte war.
Natürlich!
Ich bin ja vom Job her fast ein Computer- und Internet-Junkie. Trotzdem möcht ich das Einkaufen in der realen Welt (Angucken, Anfassen, Mitnehmen) nicht missen. Die These, dass man die gute Beratung vor Ort bekommt und dann billig im Netz kauft, stimmt so ohnehin nicht ganz. Nirgendwo kann man sich ausführlicher und besser über ein Produkt informieren als im Netz. Da kann der beste Verkäufer kaum mithalten. Und zu fairen Preisen kaufen kann man oft vor Ort, sogar im Kaufhaus sind die Preise nicht immer so viel höher als beim Kistenschieber im Netz. Ein ausgedrucktes Angebot aus dem Netz hat mir auch schon Nachlässe beim Einkaufen vor Ort beschert.
In Antwort auf:und Breuninger (der Erfinder der Kundenkarte) quasi in Rufweite. Beide zeigen, wie man heutzutage als Kaufhaus überlebt: freundliche Bedienung, umfassendes Sortiment, anständige Preise. Breuninger dabei etwas exklusiver,
Breuninger kenne ich aus Erfurt. Mit 'Kaufhaus' würde ich das gar nicht assoziieren, sondern eher mit 'Modehaus'. Angenehme Athmosphäre und Warenpräsentation , freundliche, kompetente und engagierte Verkäufer und super Auswahl. Auch Kaufhof hat es ja etwas geschafft, den 70er Warenhaus-Mief loszuwerden, die Karstadts, die ich kenne, eben nicht. Das muss in letzter Konsequenz ein Management Fehler sein.
Middlehoff = Schaumschläger und windiger Immobilien-Jongleur aber Null Ahnung vom modernen Einzelhandel?
In Antwort auf:und Breuninger (der Erfinder der Kundenkarte) quasi in Rufweite. Beide zeigen, wie man heutzutage als Kaufhaus überlebt: freundliche Bedienung, umfassendes Sortiment, anständige Preise. Breuninger dabei etwas exklusiver,
Breuninger kenne ich aus Erfurt. Mit 'Kaufhaus' würde ich das gar nicht assoziieren, sondern eher mit 'Modehaus'.
Interessant - Breuninger Stuttgart (quasi das Stammhaus, neudeutsch auch "Flagship Store" genannt) ist ein lupenreines "all in one"-Kaufhaus. Komplett mit Restaurant, früher sogar mit eigenem Mineralbad. Von Bettenabteilung über Spielwaren, Elektrogeräte, braune und weiße Ware...Bekleidung ist sicher ein Schwerpunkt, aber Modehaus trifft es ganz und gar nicht. Offenbar treibt Breuninger die Standardisierung des Geschäfts nicht so weit wie andere.
Interessant auch das Konzept "Breuningerland", m.E. ein Vorreiter in Deutschland zum Thema "viele Läden unter einem Dach".
Zitat von Steffen HuberInteressant - Breuninger Stuttgart (quasi das Stammhaus, neudeutsch auch "Flagship Store" genannt) ist ein lupenreines "all in one"-Kaufhaus.
Steffen, ich assoziiere mit dem Stammhaus Breuninger in erster Linie ein Modehaus mit großer Kosmetikabteilung. Es gibt zwar exklusive Abteilungen, vom Koffer bis zum Geschirr, aber nicht das Komplettanbebot eines Kaufhauses bis zum Hemdenknopf. Breuninger beibt mit seinem Anbebot exklusiv im der Bedeutung des Begriffs. Wurde eigentlich Feinkost Böhm adäquat ersetzt?