Günter Wallraff ist ja für alles mögliche und unmögliche bekannt. Diesmal wagt er wiedermal das Unmögliche: Er möchte in der Moschee in Köln-Ehrenfeld aus Rushdies Roman „Die Satanischen Verse“ vorlesen. "Dann würden Worte des wegen vermeintlicher Gotteslästerung mit dem Tode bedrohten Schriftstellers in einem islamischen Gotteshaus erklingen."
Als erste Reaktion wurde auf islamistischen Webseiten zur Tötung Wallraffs aufgerufen. Wallraff betonte, Experten aus Sicherheitskreisen hätten ihm geraten, die Morddrohungen ernst zu nehmen.
Nun wurde von der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) das Ansinnen abgelehnt. Man habe sich bei dem letzten gemeinsamen Treffen vor knapp zwei Wochen über den Charakter einer solchen Veranstaltung nicht einigen können: „Eine Lesung auf dem Moscheengelände kommt aus Sicht der Ditib sicherlich nicht in Frage.“
Nun werde Wallraff im Oktober nach Ankara fliegen, um im Amt für religiöse Angelegenheiten vorstellig zu werden, dessen verlängerter Arm die Ditib sei: „Ich bin hartnäckig; das ist eine Chance zur Integrationsförderung, die man nicht einfach begraben sollte.“ Wenn es nach dem Ditib-Dialogbeauftragten Bekir Alboga und einigen anderen gegangen wäre, so Wallraffs Einschätzung, „hätten wir das schon geschafft“, doch sei deren Initiative vom Präsidenten verhindert worden.
Na ja, ich habe die "Satanischen Verse" nicht gelesen und bilde mir darüber auch keine Meinung, aber wieso sollte die Vorlesung zur Integration beitragen.
Vielleicht sollte er lieber Luthers 95 These als Lesebeitrag nehmen? :-)
Ich denke, wenn jemand sowas im Kölner Dom lesen wollen würde, würde es auch abgelehnt, das kann ich den Beteiligten nicht verdenken. Die Mordrohungen sind etwas, was man nicht mehr zu kommentieren braucht.
Lexx schrieb am 26.09.2007 19:33
Die Mordrohungen sind etwas, was man nicht mehr zu kommentieren braucht.
Ich denke doch. Im Gegenteil sollte so etwas immer und immer wieder kommentiert und den Verantwortlichen in den Verbänden wie dem Ditab vorgehalten werden, damit die auch mal sehen, dass ihre lauen Dementis sie nicht weiterbringen.
Solange noch sowas passiert finde ich sollte man keine einzige Moschee mehr zulassen.
MartiS2 schrieb am 30.09.2007 22:26
Mit Integration hat das gar nichts zu tun.
Da bin ich aber ganz anderer Meinung.
Was Wallraff sagen will ist, wenn die hiesigen Muslime das zulassen haben sie verstanden, was Meinungsfreiheit im Westen bedeutet und welchen Stellenwert sie hat. Was gäbe es für ein stärkeres Signal der Integration; Muslime machen etwas in Deutschland, was in muslimisch geprägten Ländern nie möglich wäre. Und warum? Weil es in Deutschland Sitte ist.
In unseren Kirchen, speziell den katholischen, darf man beiweitem auch nicht alles von der Kanzel predigen. Kirchen sind also kein Hort der uneingeschränkten Meinungsfreiheit, warum sollten es Moscheen sein. Das dort gesprochene Wort dient der Pflege der jeweiligen Religion.
Wallraff macht hier das, was er schon immer tat: Er provoziert auf sehr polemische Art. In den 70ern verkleidete er sich als dummer Türke, der nur Hilfsarbeiten machen konnte und empörte sich dann in seinem Buch 'Ganz unten', dass er auch entsprechend behandelt wurde. Diese neue Aktion ist nix anderes.
Dass durch Wallfraffs Polemiken, damals wie heute, wichtige öffentliche Diskussionen angefacht werden, ist der andere, positive Aspekt. Aber es bleiben dennoch Polemiken.
Spock, es geht hier gar nicht darum, dass die 'satanischen Verse' von der Kanzel gepredigt werden sollen sondern um eine Lesung in einem Zelt vor einer Moschee. Ich bin mir sicher, da ist weit desparativeres im Umfeld christlicher Kirchen in Deutschjland vorgelesen worden als das. Aber das ist nicht mal der Punkt. Ein Christ akzeptiert grundsätzlich die Säkularisation in Deutschland und obendrein die Meinungsfreiheit. Selbst der katholischste Bauer auf dem bayerischen Land weiss, dass selbst der kommunistischste schwule Preusse das Recht hat, die Einführung des Sozialismus zu fordern, freie Liebe zu propagieren und Witze über den Papst zu reissen.
DP schrieb am 01.10.2007 09:39
Spock, es geht hier gar nicht darum, dass die 'satanischen Verse' von der Kanzel gepredigt werden sollen sondern um eine Lesung in einem Zelt vor einer Moschee. Ich bin mir sicher, da ist weit desparativeres im Umfeld christlicher Kirchen in Deutschjland vorgelesen worden als das. Aber das ist nicht mal der Punkt. Ein Christ akzeptiert grundsätzlich die Säkularisation in Deutschland und obendrein die Meinungsfreiheit. Selbst der katholischste Bauer auf dem bayerischen Land weiss, dass selbst der kommunistischste schwule Preusse das Recht hat, die Einführung des Sozialismus zu fordern, freie Liebe zu propagieren und Witze über den Papst zu reissen.
DP,
dort, wo der Betreiber der Moschee das Hausrecht hat, muss er überhaupt keine Lesung zulassen, die nicht in seinem Sinn ist. Das gilt auch für Christen, Juden oder andere, selbst wenn sie tolerieren (müssen), wenn anderswo Missliebiges vorgelesen wird. Wissen, dass andere ein Recht haben, heißt weder 'akzeptieren', noch heißt es, dass Nichtakzeptanz mit mangelnder Integration zu tun hat.
Wenn überhaupt, dann kann man mangelnde Integration daran festmachen, mit welchen Mitteln er sich gegen für ihn nicht akzeptables Verhalten durchsetzt. Nur muss man dann erklären, warum Abtreibungsgegener in den USA zu mörderischen Mitteln greifen, auch wenn sie aus uralten amerikanischen Fmilien stammen, oder man muss erklären, warum militante Veganer in Deutschland aus alten deutschen Familien stammen können.
Spock schrieb am 01.10.2007 09:57
Aha, in einem Zelt... das entschärft die Polemik und rückt in Richtung Realität.
Das nicht, aber es rückt doch die Sache in die richtige Relation, denn du hast das verglichen mit einer Predigt von der Kanzel, also hier: die Predigt durch einen Imam.
dort, wo der Betreiber der Moschee das Hausrecht hat, muss er überhaupt keine Lesung zulassen, die nicht in seinem Sinn ist. Das gilt auch für Christen, Juden oder andere, selbst wenn sie tolerieren (müssen), wenn anderswo Missliebiges vorgelesen wird. Wissen, dass andere ein Recht haben, heißt weder 'akzeptieren', noch heißt es, dass Nichtakzeptanz mit mangelnder Integration zu tun hat.
Wenn überhaupt, dann kann man mangelnde Integration daran festmachen, mit welchen Mitteln er sich gegen für ihn nicht akzeptables Verhalten durchsetzt. Nur muss man dann erklären, warum Abtreibungsgegener in den USA zu mörderischen Mitteln greifen, auch wenn sie aus uralten amerikanischen Fmilien stammen, oder man muss erklären, warum militante Veganer in Deutschland aus alten deutschen Familien stammen können.
Gruß, Martin
Wer spricht denn hier von müssen? Wallraff hat eine Anfrage gestellt und bittet um eine Erlaubnis. Ist das schon Gotteslästerung?
Und grundsätzlich kannst du dir deine Einlassungen sparen. Es geht hier nicht um Abtreibungsgegner in den Staaten, christliche Chaoten in Russland oder moslemische Idioten in Pakistan. Es geht hier allein um Deutschland; um in Deutschland lebende Moslems.
MartiS2 schrieb am 30.09.2007 22:26
Mit Integration hat das gar nichts zu tun.
Da bin ich aber ganz anderer Meinung.
Was Wallraff sagen will ist, wenn die hiesigen Muslime das zulassen haben sie verstanden, was Meinungsfreiheit im Westen bedeutet und welchen Stellenwert sie hat. Was gäbe es für ein stärkeres Signal der Integration; Muslime machen etwas in Deutschland, was in muslimisch geprägten Ländern nie möglich wäre. Und warum? Weil es in Deutschland Sitte ist.
Abgesehen davon, dass ich Martins Meinung im Tenor teile, zeigt mir Dein letzter Satz, dass Du durchaus einsiehst, dass jene Provokation (und genau darum scheint es dem Initiator zu gehen) weniger mit Integration im allgemeinverstaendlichen Sinn zu tun hat, denn mit "Anpassung".
... weniger mit Integration im allgemeinverstaendlichen Sinn zu tun hat, denn mit "Anpassung".
Was für eine Weisheit ist das? Integration wird immer auch ein gehöriges Maß an Anpassung bedeuten.
Ich bemuehte mich, zu verdeutlichen, dass Integration meiner bescheidenen Ansicht nach in diesem Zusammenhang ein Kompromiss ist, d.h. dass ein beiderseitiges Aufeinanderzugehen geschieht; Anpassung ist eine einseitige Geschichte.
Und wenn DP davon schreibt, dass etwas "in Deutschland Sitte" sei, dann impliziert das eher den Versuch einer Anpassung.
(Ich moechte an dieser Stelle gar nicht werten, in wieweit Integration, bzw. Anpassung wuenschenswert ist.)
Du kannst aber auch gerne weiter Haarespalten und Dich bemuehen mich misszuverstehen.