"Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal"
Au weija. Das war wohl nix.
„Verkürzt“, „Aus dem Zusammenhang gerissen“. So die Textbausteine, die in solchen Fällen bemüht werden.
„Niedertracht“, „eines Bundestagsvizepräsidenten unwürdig“, „Amt niederlegen“, „Entschuldigung in 24 Stunden“, „Unterirdisch“, „verletzend, ehrabschneidend und unmenschlich“. Die Empörungsmaschine wird wohl noch mehr ausspucken.
Ob das alles ehrliches Mitgefühl für Kohl ist, darf bezweifelt werden, aber mit Thierse haben viele noch eine Rechnung offen. Und vom hohen Ross fällt es sich tief.
Das dürfte vor allem von Thierse selbst abhängen. Wenn der Kochsches oder Kohlsches Ausharrvermögen hat, nein.
Wenn er sich dünnhäutig zeigt und/oder dem Druck nicht standhält, der jetzt zeitweise auf ihm lastet, ja.
Mich interessiert gerade sowohl der Zusammenhang, aus dem das Zitat gerissen wurde und ebenso, wer das Zitat aus seinem zusammenhang gerissen hat....
"Der Bundestagsvizepräsident hatte in einem Interview erst Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) für seine Entscheidung, wegen der Krankheit seiner Frau zurückzutreten gelobt und in diesem Zusammenhang Altkanzler Helmut Kohl (CDU) angegriffen: "Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal", sagte Thierse gestern gegenüber der "Leipziger Volkszeitung". Die Politik sei nicht das Allerwichtigste. Man solle sich in solchen Phasen das Recht nehmen, auch einmal still zu halten.
Thierse distanzierte sich heute von dem Zitat. Das Interview sei nicht autorisiert gewesen, sagte ein Mitarbeiter Thierses SPIEGEL ONLINE. Thierse habe nicht Helmut Kohl kritisiert, sondern generell über die Schwierigkeit von Politikern geredet, in solch einer Situation das Richtige zu tun.
Thierse selbst sagte dem Fernsehsender N24: "Es war keinesfalls meine Absicht, Helmut Kohl zu kritisieren. Wer bin ich denn?" Vielmehr habe er darauf hinweisen wollen, dass es für Politiker in dem schwierigen Spannungsfeld zwischen Privatleben und Politik "keine ideale Lösung" gibt. Wie man es mache, man ernte hämische Kritik. "Dafür war Helmut Kohl ein Beispiel".
Mich interessiert gerade sowohl der Zusammenhang, aus dem das Zitat gerissen wurde und ebenso, wer das Zitat aus seinem zusammenhang gerissen hat....
Na ich finde, es wird nicht wirklich besser, wenn man es in den Zusammenhang stellt, nämlich Müntes Rücktritt mit Begründung wegen dessen schwer kranker Frau. Hm, es wird gar nicht besser.... fast noch schlimmer. Was soll das denn für ein unmöglicher Vergleich sein?
F-W schrieb am 15.11.2007 18:41
Reicht es um Thierse aus dem Amt zu schiessen?
Aber das hängt zuerst mit der Wahrnehmung in der SPD zusammen. Da schlägt man sich gerade an die Stirn ob soviel Dummheit.
Erschwerend kommt hinzu, dass Thierse auch noch ein alter Intimfeind Kohls ist und die Äusserung als Nachtreten zu interpretieren ist. Deshalb wird ihn hier wohl nur Kohl selbst oder eine SPD Einheitsfront retten.
Thierse liegt goldrichtig. Nur darf man sowas als Bundestagspräsident nicht sagen.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Spock schrieb am 15.11.2007 20:21
Na ich finde, das Privatleben der Kohls geht jeden einen Dreck an
Das Privatleben der Münteferings aber schon?
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Das Privatleben der Promis geht die Öffentlichkeit sehrwohl was an! So ist jedenfalls der Standpunkt unserer höchsten Gerichte.
Davon mal abgesehen: Natürlich ist es sowohl Sache Kohls, wie auch Münteferings, was sie mit ihrem Privatleben machen. Gleichwohl darf man sich nicht wundern, wenn das beobachtet und bewertet wird. Ob Thierse seine Äußerung so gesehen haben will, wie sie zur Zeit gesehen wird, darf bezweifelt werden, schließlich stammt sie anscheinend aus einem "nicht autorisierten" Interview.
Bei Münte hat sich niemand in sein Privatleben eingemischt. Die Frage war ja nicht ob Müntes Grund respektabel war oder nicht. Es ging darum, ob der angegebene Grund der einzige war oder ob und wie stark nicht doch politische Gründe mit hineingespielt haben. Das hat mit Einmischung ins Privatleben nun mal gar nichts zu tun.
"... Ob Thierse seine Äußerung so gesehen haben will, wie sie zur Zeit gesehen wird, darf bezweifelt werden, schließlich stammt sie anscheinend aus einem "nicht autorisierten" Interview."
Das ist Schmarrn und wurde z.B. bei der Herman auch nicht akzeptiert. Thierse ist Profi genug um zu wissen wie er sich auszudrücken hat, damit er nicht missverstanden wird. "Nicht autorisiert" ist einer der Textbausteine, die ich im Eingangsstatement mit hätte aufführen kann. Das nutzt ihm nun auch nix mehr.
Die SPD Leute haben sich mit Äusserungen den ganzen Tag zurückgehalten, das war schon deutlich. Intern werden sie sich Thierse wohl zur Brust genommen haben. Am späten Abend, noch rechtzeitig zu Heute-Journal und Tagesthemen hat er sich dann doch zu einer öffentlich geäusserten Entschuldigung durchgerungen. Ein Öttinger im Schnelldurchlauf sozusagen.
FW: "Thierse ist Profi genug um zu wissen wie er sich auszudrücken hat, damit er nicht missverstanden wird."
Das ist richtig. Ich denke trotzdem, dass er in dem Interview ein wenig mehr gesagt hat, als er wollte. Anderersetis, wenn ich an Oettinger denke, passiert sowas anscheinend auch mit gut vorbereiteten Reden......
Das Privatleben der Promis geht die Öffentlichkeit sehrwohl was an! So ist jedenfalls der Standpunkt unserer höchsten Gerichte.
Das kannst du bestimmt durch entsprechende Urteile belegen. Aber bitte nicht mit dem BGH-Urteil zum vorbeugenden Verbot von Fotos. Das ist noch lange kein genereller Freibrief auf Zerstören der Privatsphäre.
Aber natürlich: "Das Gericht berief sich hierbei zunächst auf das Recht am eigenen Bild (§§ 22 KUG), nahm aber für den Großteil der Bilder an, dass ihre Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 KUG zulässig sei, da die Prinzessin eine Person der Zeitgeschichte sei.
"Für die Einordnung einer Person als absolut zeitgeschichtlich ist maßgebend, dass die öffentliche Meinung Bildwerke über sie als bedeutsam und um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet, der Allgemeinheit demgemäß ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist (BGHZ 20, 345, 349 f.; 24, 200, 208; Senatsurteil vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - zur Veröffentlichung bestimmt)."
"Die Rechtsprechung hat bisher definiert, dass das öffentliche Interesse an Informationen aus der Privatsphäre (nicht aber aus der Intimsphäre) einer Person berechtigt ist, wenn der Betroffene prominent ist oder öffentliches Aufsehen erregt (BVerfG AfP 2000, 76, 80)."
Lexx: Ein Freibrief für das Umkrempeln der Privat-und Intimspäre ist das von dir zitierte Urteil nicht, im Gegenteil, es geht da primär um das Recht am Bild. Kurz gesagt müssen sich Promis gefallen lassen, fotografiert und in Medien abgebildet zu werden. Ob sie sich gefallen lassen müssen, dass intime Details ihres Lebens ohne Einwilligung in die Öffentlichkeit gezerrt werden, möchte ich stark bezweifeln.
Aber streiten wir nicht darüber. Thierse wird ja auch nicht auf juristischer Ebene angegriffen, sondern auf moralischer.
Die SPD Leute haben sich mit Äusserungen den ganzen Tag zurückgehalten, das war schon deutlich. Intern werden sie sich Thierse wohl zur Brust genommen haben.
Öffentlich auch. Steinbrück hat ihm gestern Abend in Illners Quatschbude eins an die Ohren gegeben. Zwar nur sehr moderat, aber immerhin.
Trotzdem gehe ich davon aus, daß die Sozen ihn nicht zum Abschuß freigeben werden. Nach dem Verlust einer ihrer wichtigsten, noch verbliebenen Realpolitiker mit Seniorität (Steinmeyer und -Brück haben diese Seniorität noch lange nicht), mit einem ausgewiesenen Maulhelden und Feigling als Vorsitzenden und einer ansonsten recht dünn gewebten Personaldecke, werden es sich die Sozen zweimal überlegen müssen, ob sie einen Bundestagsvizepräsidenten (auch wenn es nur die alpöhi-hafte Karikatur eines solchen ist) mit Schimpf und Schande vom Hof jagen (lassen).