F-W schrieb am 18.11.2007 10:04
"Das Eingangsposting ist schon so wirr, dass jede Antwort darauf verwegen erscheinen muss."
Danke für die Blumen, werd's mir merken.
Rocky meinte zum US-Mindestlohn: "aber fuer alle, auch den der meinen Rasen maeht einmal in der Woche..."
Da haben wir schon einen gewichtigen Unterschied zu uns. Wenn ich das richtig sehe, geht es bei uns beim Briefträgerlohn oder beim von den Gewerkschaften und der SPD geforderten allgemeinen Mindestlohn um vericherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Nicht aber um 400 Euro Jobs. Und Rasenmähen oder Putzen finden bei uns sowieso fast ausschliesslich als Schwarzarbeit oder Gelegenheitsjobs für Schüler oder Studenten statt.
FW
FW:
Jeder verdiente cent ist sozialversicherungspflichtig, egal wo er herkommt, allerdings nicht, wenn Du ihn ausserhalb der USA verdienst, den cent, auch wenn's ein Gelegenheitsjob ist. Einkommen ist alles, was in Deine Richtung fliesst, auch Kickbacks, egal von wo in der Welt der cent kommt. Und alles "earned income" innerhalb der US ist versicherungspflichtig. Uebrigens werden Ueber- und Unterpayments von Sozialversicherunsbeitraegen auch am 15. April ausgeglichen in der 1040 Form.
Und das mit der Schwarzarbeit. Well, egal was Dir irgendein Amerikaner sagt, Schwarzarbeit ist sehr selten, weil jeder Amerikaner einen Heidenschiss hat vor der IRS. "Unreported Income" zieht brutale Fines nach sich.
Ich bin sicher, dass Du Expatriates triffst in Deutschland, die grosse Toene spucken, dass Ihnen der IRS den Buckel runter rutschen kann, denn fuer Expatriates ist die Steuererklaerung wirklich ein hassle, und die IRS kann ja nix nachpruefen. Sie hat keinen Zugang auf auslaendische Dokumente, bis sie ihren Fuss wieder auf amerikanischen Boden setzen, besonders mit einem one-way ticket, und vom IRS Beamten am Flugplatz eine freundliche Einladung nach Philadelphia bekommen, so innerhalb drei Tagen. Dann, wenn Du wieder mit denen redest, wollen sie das Thema wechseln. Ich habe ja irgendwo hier von einem Freund von mir erzaehlt, der fuer zehn Jahre in Wien seine Broetchen verdient hat.
OK, das amerikanische System ist da um Groessenordnungen klarer, und der IRS um Groessenordnungen brutaler.
Jetzt hat die Union wohl einem Postmindestlohn zugestimmt und die SPD läutet die nächste Schacherrunde ein und bringt neue Branchen ins Spiel
Warum ist es so schwer zu sagen, dass in Deutschland eine Arbeitsstunde nicht unter x Euro zu haben ist, egal ob Briefträger oder Friseur oder sonstwas ??? Ich finde die Branchenschacherei völlig daneben, allein schon, weil sie den Gleichbehandlungsgrundsatz ignoriert.
Ich verstehe aber auch die SPD nicht. Durch die Verhandlungen exklusiv für die Zusteller hat sie die Tür für Branchenschacherei erst aufgestoßen. Ein gesetzlicher Mindestlohn macht doch nur global Sinn. Ansonsten gerät der Gesetzgeber tendenziell in die Rolle einer Tarifpartei und macht Lohnpolitik. Das ist neben der Gleichbehandlung der zweite Grund, warum ich mit dem Kopf schüttele.
Spock:
Vorstöße in diese Richtung von SPD-Seite gibt es, namentlich von Müntefering. Das Problem dürfte sein, dass die CDU einen generellen Mindestlohn kategorisch ablehnt.
Deswegen hat die SPD versucht, wenigstens für die Post diesen Mindestlohn durchzusetzen - der ja letztlich nichts anderes ist also ein auf aktueller Gesetzlage basierender Beschluss. Es ging ja nur um die Interpretation, wieviele Menschen wirklich wo bei Zustelldiensten beschäftigt sind.
rational ist das ganze schon lange nicht mehr nachzuvollziehen. Alles erklärt sich aus den heraufziehenden Wahlkämpfen, vor allem auch das Nachgeben der Union.
Die Aufspaltung auf einzelne Branchen erklärt sich zwar aus der Mechanik von Tarifvertägen, den Bestimmungen zur Festsetzung von Branchenmindestlöhnen und dem Entsendegesetz. Hat aber den Vorteil für die SPD, das Thema lange am köcheln halten zu können indem sie die Union Branche für Branche vor sich her treibt.
rational ist das ganze schon lange nicht mehr nachzuvollziehen. Alles erklärt sich aus den heraufziehenden Wahlkämpfen, vor allem auch das Nachgeben der Union.
FW
Das ist der Jetlag.
Von dem ständigen Hin- und Hergefliege ist die arme Angela ganz durcheinander.
Es wäre ein Leichtes für die Union gewesen, die Meinungsführerschaft zu diesem Thema zu bekommen:
Einführung eines Mindestlohnes für alle, aber irgendwo bei 7 Euro.
Das Nachgeben im Sinne der Deutschen Post ist völlig unprofessionell.
Oder es steckt ein geheimer Plan dahinter, die Konkurrenten der Post auszuschalten.
Es wäre ein Leichtes für die Union gewesen, die Meinungsführerschaft zu diesem Thema zu bekommen:
Einführung eines Mindestlohnes für alle, aber irgendwo bei 7 Euro.
Das Nachgeben im Sinne der Deutschen Post ist völlig unprofessionell.
Das sehe ich auch so.
Zitat:
Kodo schrieb am 01.12.2007 18:08
Oder es steckt ein geheimer Plan dahinter, die Konkurrenten der Post auszuschalten.
So geheim ist der Plan nicht. Nur war's den Unions-Chaoten zum Schluss egal. Sie wollten nur noch aus der Mindestlohnummer herauskommen.
Mittlerweile gehen die Post Konkurrenten Pleite, entlassen ihre Mitarbeiter und Beck brüstet sich mit einem Übernahmeangebot für diese MA durch die Post.
Fassen wir also zusammen:
Die Regierung mischt sich nicht nur in die Tarifautonomie ein, sie legt praktisch am grünen Koalitionstisch die Gehälter fest.
Dadurch wird der Markt zerstört.
Das Monopolkartell der Post wird ausgebaut.
Es entstehen keine neuen Arbeitsplätze.
Was das für Service und künftige Preise bedeutet kann man nur vermuten. Aber eine Vorahnung haben wir ja von dem Musterprojekt, der Deutschen Post der DDR, die für dieses Projekt Pate gestanden hat.
Die SPD hat ja genau das zu ihrem Programm erhoben bei ihrem Parteitag, die Umsetzung ist also nur konsequent. Was die Union hier geritten hat ist mir schleierhaft.
So wie ich das sehe, wird doch durch den Mindestlohn nur Waffengleichheit zwischen Post und deren Konkurenten hergestellt.
Jetzt haben alle die gleichen Lohnkosten, mit denen die Post so viel Gewinne einfuhr, dass sie damit sogar das Paketgeschäft subventionieren konnte, jedenfalls wurde ihr das immer vorgeworfen. Da war also noch massig Raum für Gewinne und Wettbewerb.
Ich würde ja noch verstehen, wenn die Konkurrenten an der unterschiedlichen Mehrwertsteuerbehandlung ansetzen würden, aber das spielt nur eine Randrolle. Aber dass sie nun die gleichen Löhne zahlen müssen, kann ich beim besten Willen nicht als Nachteil sehen. Und ich sehe auch nicht ein, dass ich die Gewinne dieser Firmen nun über Hartz 4-Zuschüsse mit meinen Steuern bezahle.
Im Radio wurde gesagt, dass zumindest PIN in ihrem Heimatland Luxemburg einen ähnlichen Mindestlohn hat. Da scheint die das nicht zu stören.
Ich Frage mich gerade, was diese 8000 Leute eigentlich die ganze Zeit machen. Wenn die Arbeitsplätze mal eben so gestrichen werden können, dann waren die ja anscheinend sowieso überflüssig.
Andernfalls müsste derjenige, der die Aufträge von PIN übernimmt, entweder selbst solch einen Überhang haben - oder entsprechend viele Leute neu einstellen.
Wenn man also davon ausgeht, dass ein Postzusteller nicht beliebig produktiv sein kann, dann müssten folgerichtig durch den Wegfall von PIN anderswo Postzusteller deren Arbeit übernehmen. Demzufolge werden anderswo auch neue Arbeitsplätze geschaffen oder zumindest bestehtnde Überhänge beschäftigt (und so Entlassungen verhindert).
Dass der Mindestlohn hier Arbeitsplätze kosten soll, erscheint mir jedenfalls nicht plausibel.
Und in einer Sache stimme ich Becks Ansicht zu: Um ein Unternehmen, dass am Markt nur bestehen kann, weil es seinen Mitarbeitern so wenig wie möglich zahlt, tut es mir wahrlich nicht leid!
Auch sehe ich hier keine "Zerstörung des Marktes", vielmehr dürfte es ein Erpressungsversuch des Springer-Konzerns sein, um seine Pfründe zu behalten.
kater_5 schrieb am 08.12.2007 17:18
"Dadurch wird der Markt zerstört. "
Vielleicht kann mir das ja mal jemand erklären.
Nun, Konkurrenz hat natürlich beim Markteintritt fast immer einen Kostennachteil gegenüber den alteingesessenen Platzhirschen (in diesem Falle: dem Monopolisten). Wenn die Kosten nun hauptsächlich aus Lohnkosten bestehen, verhindert ein Mindestlohn natürlich den Wettbewerb. Natürlich gilt das nur für Branchen, wo genügend qualifizierte Mitarbeiter verfügbar sind und deren Marktentlohnung unter diesem Mindestlohn liegen würde.
Warum man den Lohn nicht schlicht dem Markt überlassen kann - ich werd's nie verstehen. Macht nur Ärger.
Lexx schrieb am 08.12.2007 18:39
Ich Frage mich gerade, was diese 8000 Leute eigentlich die ganze Zeit machen. Wenn die Arbeitsplätze mal eben so gestrichen werden können, dann waren die ja anscheinend sowieso überflüssig.
Offenbar waren sie das nicht, denn wer zahlt schon selbst niedrige Löhne für Nichtstun.
Zitat:
Andernfalls müsste derjenige, der die Aufträge von PIN übernimmt, entweder selbst solch einen Überhang haben - oder entsprechend viele Leute neu einstellen.
Wie kommst Du drauf, dass jemand die Aufträge übernimmt? Wie kommst Du darauf, dass alle Arbeitnehmer bei allen Konkurrenzfirmen zu 100% ausgelastet sind? Wie kommst Du drauf, dass die Nachfrage völlig unelastisch ist?
Zitat:
Auch sehe ich hier keine "Zerstörung des Marktes", vielmehr dürfte es ein Erpressungsversuch des Springer-Konzerns sein, um seine Pfründe zu behalten.
Erpressung? Ich denke eher: unternehmerische Weitsicht. Logische Folge der Marktvernichtung. Aber natürlich auch PR.
Ich meine, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: ein noch-Monopolist handelt mit einer Gewerkschaft einen Lohn aus, und der Gesetzgeber, der zufällig auch noch Haupteigentümer des Monopolisten ist, legt fest, dass dieser Lohn fortan für alle Angestellten dieser kompletten Branche zu gelten hat.
Das ist ordnungspolitischer Sündenfall, Einführung des Sozialismus und Abschluss eines Vertrages zu Lasten Dritter in einem.
"Warum man den Lohn nicht schlicht dem Markt überlassen kann - ich werd's nie verstehen."
"und Abschluss eines Vertrages zu Lasten Dritter"
"Wie kommst Du darauf, dass alle Arbeitnehmer bei allen Konkurrenzfirmen zu 100% ausgelastet sind?"
Weil die neuen Postunternehmen über die Hartz 4 Zuschüsse derzeit einen Vertrag zu Lasten meiner abschliessen, indem sie die Löhne so niedrig machen, dass die Leute ergäzende Sozialhilfe bekommen, die ich wiederum bezahlen soll. Und das nur, damit die Leute, die heute noch Briefe schicken, dass so billig wie möglich können.
Ich halte da die Lösung mit dem Mindestlohn für die bessere Variante. Denn die Briefe müssen ja ausgetragen werden. Dann sollen die Leute, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, eben dafür bezahlen.
Und die Vorstellung, dass da irgendwo Leute selbst bei der Post rumgammeln, die nichts besseres zu tun haben, als zu warten, dass die Konkurrenz dicht machen, um die Aufträge zu übernehmen, ist wohl etwas weltfremd.
Genauso wie es reichlich weltfremd ist, dass die Unternehmen, die diese Dienstleistungen bisher in Anspruch genommen haben, die nicht schon längst abgeschafft hätten, wenn sie darauf verzichten könnten.
Wobei man durchaus darüber streiten könnte, dass 9,80 € ein bischen hoch ist. Aber die Herren, die da jetzt aus dem Geschäft aussteigen wollen, hätten sich ja an den Verhandlungen beteiligen lönnen. Wollten sie aber nicht. Also macht das Geschät jetzt ein anderen. "Verzockt" nennt man das wohl.
kater_5 schrieb am 08.12.2007 20:44
Weil die neuen Postunternehmen über die Hartz 4 Zuschüsse derzeit einen Vertrag zu Lasten meiner abschliessen, indem sie die Löhne so niedrig machen, dass die Leute ergänzende Sozialhilfe bekommen, die ich wiederum bezahlen soll.
Genau das ist der springende Punkt. Ich finde es okay, wenn ALGII-Empfänger gemeinnützige Arbeit verrichten (vorausgesetzt, dass es sich dabei um sinnvolle Arbeit handelt und nicht um reine Schikane, und dass dadurch keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden). Aber staatliche Zuschüsse, damit Springer weiterhin Hungerlöhne zahlen kann und dicke Gwinne einfahren kann? Nee!
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
kater_5 schrieb am 08.12.2007 20:44
Weil die neuen Postunternehmen über die Hartz 4 Zuschüsse derzeit einen Vertrag zu Lasten meiner abschliessen, indem sie die Löhne so niedrig machen, dass die Leute ergäzende Sozialhilfe bekommen, die ich wiederum bezahlen soll. Und das nur, damit die Leute, die heute noch Briefe schicken, dass so billig wie möglich können.
PIN zahlt(e?) nach meinen Informationen etwa 6 EUR pro Stunde. Damit liegt man oberhalb von Hartz IV.
Jetzt liegen sie vollständig innerhalb von Hartz IV. Glückwunsch.
Zitat:
Genauso wie es reichlich weltfremd ist, dass die Unternehmen, die diese Dienstleistungen bisher in Anspruch genommen haben, die nicht schon längst abgeschafft hätten, wenn sie darauf verzichten könnten.
Der Preis einer Dienstleistung ist also irrelevant für deren Nachfrage? Du formulierst ja reichlich revolutionäre Thesen zum Thema Ökonomie.
kater_5 schrieb am 08.12.2007 20:44
Weil die neuen Postunternehmen über die Hartz 4 Zuschüsse derzeit einen Vertrag zu Lasten meiner abschliessen, indem sie die Löhne so niedrig machen, dass die Leute ergäzende Sozialhilfe bekommen, die ich wiederum bezahlen soll. Und das nur, damit die Leute, die heute noch Briefe schicken, dass so billig wie möglich können.
Nur, damit keine Missverständnisse aufkommen: prinzipiell bin ich ebenfalls der Meinung, dass derjenige zahlen soll, der bestellt. In einer liberalen Gesellschaft sollte das selbstverständlich sein.
Wir sind aber keine liberale Gesellschaft. Wir sind Dreiviertelsozalismus. Marktverzerrungen allerorten, besonders im Arbeitsmarkt. Mindestlohn namens Hartz IV. Schwerwiegende Eingriffe in die Vertragsfreiheit. Und in genau diesem Umfeld - ergänzende Sozialhilfe, 1 EUR-Jobs, Hartz IV, Massenarbeitslosigkeit, Kombilohn - halte ich es für sinnvoll, für Vollzeitjobs auch ergänzende Sozialhilfe zu zahlen. Also auch für Postdienste.