Martin:
So "Fachfremd" ist das garnicht. Mal ganz davon abgesehen, dass ich auch medizinische Physik habe.
Man braucht nur etwas gesunden Menschenverstand, dann leuchtet die Erklärung auch ein.
Ziehen wir das ganze doch mal von hinten auf:
Nehmen wir an, es ist Krebs entstanden, dann ist dieser Krebs entstanden, weil die DNS einer Zelle (m Zellen) mutiert ist, ohne dass die Schutzmechanismen angeschlagen haben. Die Zelle (die m Zellen) ist (sind) mutiert, weil die DNS an einer (an r) Stellen beschädigt wurde und nicht repariert werden konnte, so weit so klar. Nehmen wir desweiteren an, jede Schädigung rührt von einer (von s) Ionisationen(en) her (eins von beidem ist es auf jeden Fall). Wir wissen, dass eine Ionisation von genau einem Teilchen ausgelöst wird (Quantelung der Energie), also waren an der Schädigung m·r·s = N Teilchen beteiligt (N ≥ 1). Ob nebenher noch X andere Teilchen durchs Gewebe geflogen sind, ohne eine relevante Schädigung hervorgerufen zu haben, spielt keine Rolle.
Demzufolge brauchte es für diesen Krebs genau N Quanten, mindestens einen (diese Erkenntnis ist trivial). Wenn man das jetzt verallgemeinert auf alle Krebse, die so auf der Welt entstehen, dann bekommt man eine Untergrenze, wenn man das minimale m, das minimale r und das minimale s nimmt.
Dass das minimale s ≠ 1 sein kann, davon lasse ich mich überzeugen - das würde bedeuten, dass eine Information nicht durch eine einzige Ionisation zerstört werden kann. Ob das so ist, lasse ich mal offen. In jedem Fall ist s aber stark begrenzt, denn soviele ionisierbare Elektronen gibt es da nicht.
Dass das minimale r ≠ 1 ist, ist ebenfalls denkbar. Allerdings ist dieser Faktor noch stärker begrenzt als s, denn die Obergrenze liegt bei einer nicht-redundanten Informationseinheit und das sind, soweit ich weiß, genau 3 Aminosäuren.
Dass das minimale m ≠ 1 ist, dafür müsste mir schon jemand eine plausible Begründung geben. Denn das hieße, dass eine einzige Zelle allein niemals, in keinem Fall, Krebs auslösen kann.
Was heißt das konkret? Ab einer Teilchenzahl von N ist die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung > 0.* Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wie groß diese Wahrscheinlichkeit ist hängt von unzähligen Faktoren ab, von der Art der Strahlung über die Position und Größe der Quelle, die Ionisationswahrscheinlichkeit, Absorptionskoeffizienten, bis hin zu den Abwehrmechanismen des Körpers (kein Anspruch auf Vollständigkeit!).
Wenn wir uns jetzt in dieser Frage einig sind, dann komme ich zur Relevanz:
Die statistische Häufigkeit errechnet sich aus dem Produkt aus Wahrscheinlichkeit und Anzahl der betroffenen Personen H = PN (jeweils von der Strahlendosis abhängi), es wird also eine gewichtete Summe über alle Strahlendosen (je nach Gruppengröße kann man das mit Px annähern, dann wird ein Integral draus). Damit die statistische Häufigkeit für eine Opferzahlen-Studie relevant ist, muss das Ergebnis so groß sein, dass es einen relavanten Einfluss auf die Opferzahl hat. Und genau hier kommt die Krux: je niedriger die ermittelte Opferzahl ist, desto kleiner ist auch die absolute Toleranz, d.h. desto kleinere Strahlendosen müsste man theoretisch berücksichtigen.
Das heißt wiederum, es muss die Wahrscheinlichkeit für umso kleinere Strahlendosen quantifiziert sein. Und genau DAS ist der Schwachpunkt, da die Nachweisbarkeitsgrenze ziemlich sicher bei höheren Zusatzbelastungen liegt als die Relevanzgrenze.
Wenn also eine Studie sagt, von 50 mio. belasteten Menschen sind 400 gestorben dann macht diese Zahl nur Sinn, wenn der Fehler bei sagen wir mal ±25% liegt, also 100 Leuten - 100 von 50 mio. ist eine statistische Häufigkeit von 0,0002%, da das nur ein Mittel ist, kannst du selbst abschätzen, bis zu welcher quantifizierten Schädigungswahrscheinlichkeit man das Integral mitnehmen muss und bis wohin wohl die Quantifizierung geht. Und aus diesem Grund müssen in solche Studien zwangsläufig Schätzungen und Annahmen hineinfließen. Und aus diesem Grund können die Studien letztlich nicht mehr als als eine Größenordnung vorgeben und die wissenschaftliche Diskussion entscheidet, welche Annahmen und Schätzungen und damit welche Größenordnung wohl die wahrscheinlichere ist.
*Genau das meine ich mit der Nichtexistenz einer Schädigungs-Untergrenze!
DP schrieb am 04.12.2007 14:33
Aso, ja da sträuben sich mir auch die Nackenhaare.
Also mir sträuben sich eher die Haare bei Martins Vergleich zwischen einem Stück Metall und lebendem menschlichen Gewebe.
Das habe ich nicht. Ich habe lediglich eingebracht, dass destruktiven Mechanismen Reparaturmechanismen gegenüberstehen können, d.h. es müssen erst Schwellwerte überschritten sein, bevor die Reparaturmechanismen nicht mehr 'nachkommen'. Dazu gab es ein konkretes Beispiel.
Auch Lexx schreibt nur von Zerstörungsmechanismen. Zerstörungen sind im Leben aber Alltag (Sonne = UV, uvm.). Die Frage ist, ob oder ab welchem Punkt Zerstörungen überhaupt relevant werden. Offensichtlich kann der Körper mit einer Menge DNS-Müll umgehen, wie das aber genau funktioniert, ist m.W. unbekannt und der etwas komplexere Teil.
Übrigens sind selbst die von Martin eingebrachten Ausheilprozesse bei Metallen extrem vielfältig und z.T. unverstanden. Das ist ein typischer Fall, wo mit jeder auch nur halbwegs beantworteten Frage drei neue auftauchen. Ich habe mal eine Plutoniumlegierung ein Jahr lang im Schwank aufbewahrt, also i.W. einen kleinen Klumpen Metall. Die konnte ihre eigene Strahlung problemlos verkraften. Als ich sie aber mit einem schnöden Zweikomponentenkleber auf ein Stück Plastik aufklebte, war das Metall nach 20 Minuten zu Pulver zerbröselt. Irgendwas in dem Kleber hat die Prozesse so getriggert, dass die chemischen Bindungen, vermutlich dann AUCH durch die radioaktive Strahlung, zerstört wurden. Kein Mensch hat das verstanden.
Was die Strahlungswirkung auf Menschen betrifft, so wundere ich mich, noch nie etwas von Tierversuchen gehört zu haben. So ein Schwein hat doch sicher auch so eine Art Schilddrüse, bei der man mehr oder weniger gezielt Krebs oder sonstige Schäden erzeugen könnte.
Lexx,
ich schrieb von einer Diode in Sperrichtung, die sollte sperren, also keine e-Funktion zeigen. War aber ohnehin nur ein Beispiel am Rande.
Lexx schrieb am 04.12.2007 19:34
Martin: "Auch Lexx schreibt nur von Zerstörungsmechanismen."
Vielleicht solltest du meinen Beitrag nochmal lesen. Ist ziemlich umfangreich, vielleicht hast du was übersehen.....
Lexx,
vielleicht ist er zu umfangreich, jedenfalls bin ich mir nicht sicher, ob Du mit 'Schädigung' am Anfang dasselbe meinst, wie am Ende Schädigung einer DNS, einer Mutation oder Enstehung von Krebs). Zudem hast Du eine Menge Annahmen, die einen einfachen Wirkungsmechanismus suggerieren. Es kann ja tatsächlich sein, dass immer mehrere Zellen bei der Auslösung von Krebs beteiligt sein müssen, und dass Kombinationen eine Rolle spielen.
Verloren hast Du mich aber da, wo Du meinst, dass bei kleinen Opferzahlen kleinere Strahlendosen eher berücksichtigt werden müssten. Ich meine, je kleiner die Opferzahlen sind, desto irrelevanter werden kleine Strahlendosen, vorausgesetzt man akzeptiert einen irgendwie proportionalen Zusammenhang
Martin: "Zudem hast Du eine Menge Annahmen, die einen einfachen Wirkungsmechanismus suggerieren."
Sind die Annahmen denn unplausibel?
1. Annahme: Krebs entsteht, wenn mutierte Zellen nicht vernichtet werden - ich denke das ist untrittig, oder wie sollte Krebs sonst entstehen?
2. Annahme: DNS-Schädigungen entstehen aus Ionisationen. Gut, in diesem Punkt bin ich angreifbar, aber ich habe von noch keinen anderen Wirkmechanismus gehört.
"Verloren hast Du mich aber da, wo Du meinst, dass bei kleinen Opferzahlen kleinere Strahlendosen eher berücksichtigt werden müssten. Ich meine, je kleiner die Opferzahlen sind, desto irrelevanter werden kleine Strahlendosen, vorausgesetzt man akzeptiert einen irgendwie proportionalen Zusammenhang"
OK, lass mich mich korrigieren: Je kleiner die Opferzahl ist, desto kleinere Schädigungswahrscheinlichkeiten muss man berücksichtigen. Ich denke das leuchtet ein.
Wie ich auf niedrigere Strahlendosen komme?
Über die Annahme, dass es einen nicht-linearen funktionalen Zusammenhang zwischen Strahlendosis und Sterberate gibt (ne halbe Gaussglocke z.b. die ihren Maximalwert bei 100% hat). Ich meinte nicht niedrige Opferzahlen im Vergleich zu anderen Studien, sondern durch niedrige Strahlenbelastungen, also etwa Tschernobyl vs. Nagasaki.
Lexx schrieb am 04.12.2007 22:55
2. Annahme: DNS-Schädigungen entstehen aus Ionisationen. Gut, in diesem Punkt bin ich angreifbar, aber ich habe von noch keinen anderen Wirkmechanismus gehört.
Jetzt verstehe ich endlich, wie Du auf Deine irrigen Theorien kommst.
Beim Kopieren der Zell-DNA geht ständig was daneben. Entartete Zellen entstehen auch ohne ionisierende Strahlung. Der menschliche Körper hat genau deshalb diese ausgefuchsten Reparaturmechanismen.
Irgendwann versagt dieser Reparaturmechanismus. Warum, weiss keiner. Ist starke ionisierende Strahlung im Spiel, kommt der Reparaturmechanismus nicht mehr hinterher. Ist schwache ionisierende Strahlung im Spiel, scheint es egal zu sein. Zumindest nach bisherigen Studien an strahlenbelasteten Berufsgruppen.
Steffen:
DNS-Schäden beim Kopieren oder ganz spontan spielen hier keine Rolle. Es geht ausschließlich um strahleninduzierten Krebs. Ob die Ionisierende Strahlung die DNS schädigt, oder einfach ein bestimmtes Protein ausschaltet, spielt überhauptkeine Rolle.
"Ist schwache ionisierende Strahlung im Spiel, scheint es egal zu sein."
Wenn wir von ionisierender Strahlung sprechen muss die Energie für Ionisation hoch genug sein. Also kann sich das nur auf die Intensität beziehen und da redest du mir genau ins Wort: Wenn die Strahlendosis gering ist, ist eine etwaige Schädigung nicht nachweisbar.
"DNS-Schäden beim Kopieren oder ganz spontan spielen hier keine Rolle. Es geht ausschließlich um strahleninduzierten Krebs. Ob die Ionisierende Strahlung die DNS schädigt, oder einfach ein bestimmtes Protein ausschaltet, spielt überhauptkeine Rolle. "
Wenn man das Risiko eines Schadenseintritts bewerten will, dann spielen ALLE Ursachen eine Rolle - mich wundert nicht, dass soviele ständig an Dir vorbei reden, wenn Du die Welt so vereinfachst.
Mittlerweise gibt es doch eine Studie, nach der erhöhte Werte von Leukämie bei Kindern im Umkreis von KKW festgestellt worden ist.
Es soll sich um 23 Fälle im ausgewerteten Zeitraum von 20 Jahren handeln (also etwas mehr als 1 Fall pro Jahr), die im Bereich von KKW mehr aufgetreten sind als im Durchschnitt in D.
Weiß jemand mehr über die Studie?
Wieviele Fälle von Leukämie bei Kindern treten denn sonst pro 10- oder 100-tausend Kindern auf?