Das Militär in der Türkei hat jüngst einen Machtkampf mit Präsident Tayip Erdogan gestartet und scheint ihn nun zu verlieren. Nachdem sämtliche Oberbefehlshaber der Teilstreitkräfte und hohe Generäle zurückgetreten sind, ist der Weg frei, die türkische Armee mit regierungstreuen Offizieren zu besetzen und die Gefahr eines Putsch zu verringern.
Wenn ich allerdings diesen Artikel lese, der die Vorgänge in einen größeren Zusammenhang stellt, dann fällt mir zu den jüngsten Entwicklungen ein böses Wort ein: Gleichschaltung!
Ist die Entmachtung des Militärs ein Schritt in Richtung Demokratie, oder werden die Soldaten lediglich auf (islamische) Linie gebracht? Und wie wirkt sich das auf die EU-Beitrittsverhandlungen aus, die momentan ja ziemlich ins Stocken geraten sind?
Man kann ja Erdogan vieles vorwerfen, aber seine Partei resp. Regierung ist bemerkenswert stabil, die Wirtschaft brummt und die Währung ist solide. Verglichen mit so manchem EU Land hat sich die Türkei weit besser entwickelt als gedacht oder befürchtet. Ob die Türkei noch ernsthaft Teil der Eurozone und dann vielleicht für die Schulden des Erzfeindes Griechenland verantwortlich sein möchte wird immer mehr fraglich. Politisch richtet sich das Land eher als Ost-West Drehkreuz ein und fährt nicht schlecht damit. "Demokratisierung" ist ein schönes Wort, ich finde Modernisierung passt auf die Türkei besser, inwieweit das dann demokratischer ist hängt vom jeweiligen Verständnis des Begriffes ab. Die Armee hat bisher stets eine Art Oppositionsrolle eingenommen, die den Einfluss der Religion auf den Staat begrenzt. Für mich entscheident ist, wer diese Lücke füllt. Wenn das oppositionelle Parteien wären wäre das sicher auch im Sinne einer demokratisierenden Entwicklung.
Genau dieser Einfluss der Religion auf den Staat wurde und wird unter Erdogan und seiner AKP kontinuierlich ausgebaut. Wenn das so weiter geht, kann das wohl kaum im Sinne einer modernen säkularen Türkei sein, sondern dann geht der Weg langsam aber sicher weg von Istanbil in Richtung Anatolien. Langfristig geht das auf Kosten der EU-Mitgliedschaft. Denn die wird es nicht geben, solange die Zypernfrage ungeklärt bleibt. Im aktuellen politischen Klima in der Türkei erscheint mir nicht denkbar, dass Nordzypern aufgegeben werden wird. Gleichwohl kann uns aufgrund der starken türkischen Minderheit in Europa eigentlich nicht egal sein, wohin sich die Türkei bewegt.
Hoffen wir also, dass die AKP die Demokratie langfristig nicht gefährdet.
Zitat von LexxGenau dieser Einfluss der Religion auf den Staat wurde und wird unter Erdogan und seiner AKP kontinuierlich ausgebaut. Wenn das so weiter geht, kann das wohl kaum im Sinne einer modernen säkularen Türkei sein, sondern dann geht der Weg langsam aber sicher weg von Istanbil in Richtung Anatolien.
Ist das nicht ein wenig arg chauvinistisch? Ich traue der Türkei zu einen modernen Islam zu installieren wie Spanien einen modernen Katholizismus praktiziert ohne im Mittelalter zu enden. Der islamisch geprägte Staat der AKP ist bisher um Welten moderner, wirtschaftlicher und liberaler als jede säkulare Regierung zuvor.
Und ich denke, auch die EU wird sich in der Zypernfrage bewegen müssen. Wie gesagt ist die Frage der Mitgliedschaft in der Union längst kein Bittgebot der Türkei. Die ist mit ihrem Wirtschaftswachstum, den stabilen Verhältnissen, der geostrategischen Lage und einem grossen Potenzial an jungen Bürgern längst auf Augenhöhe mit der EU. Bleibt die EU in der Zypernfrage stur dann wird es eben nichts mit einer engen Zusammenarbeit.
Dann wollen wir hoffen, dass die Türkei auf diesem modernen Pfad bleibt und die Vorfälle, die im verlinkten Artikel beschrieben werden, nicht die Vorboten einer Islamisierung sind, die die säkularen Errungenschaften der heutigen Türkei langfristig zerstören. Denn genau dieser Schatten liegt über der Regierung Erdogan.
Dass die EU sich in der Zypernfrage bewegen muss, sehe ich nicht. Nordzypern wird von keinem Land der Erde als Staat anerkannt - außer der Türkei. Die logische Folge davon ist m. E., dass die Türkei ihre dem Rest der Welt widersprechende Ansicht korrigieren muss und nicht der Rest der Welt seine. Da Zypern und Griechenland Teil der EU sind, wird die Türkei so lange nicht rein kommen, wie der Staat Nordzypern de facto existiert.
Das wird der Türkei sehr wahrscheinlich mehr weh tun als der EU.
Vielleicht auch deswegen beginnt die Türkei sich so langsam, von Europa abzuwenden und zu einem Brückenstaat zwischen Westen und Nahem Osten zu werden. Mit einer privilegierten Partnerschaft fährt das Land immernoch gut und muss sich dafür mit der Zypernfrage nicht beschäftigen.
Vielleicht auch deswegen beginnt die Türkei sich so langsam, von Europa abzuwenden und zu einem Brückenstaat zwischen Westen und Nahem Osten zu werden. Mit einer privilegierten Partnerschaft fährt das Land immernoch gut und muss sich dafür mit der Zypernfrage nicht beschäftigen.
Und weil das so ist wird sich die Union in der Zypernfrage auf die Türkei zubewegen. Und natürlich, weil sie wenn es hart auf hart kommt immer Kompromisse macht.