Bereits zum zweiten mal in dieser Woche streiken die Lokführer der GDL für einen einheitlichen Tarifvertrag und zwar nicht nur stunden-, sondern tageweise. Seit 3 Uhr heute früh stehen die Züge still, geplant bis Samstag 2 Uhr.
Während die Warnstreiks in der Vergangenheit aber vorwiegend die deutsche Bahn und ihre Töchter im Güter- und Nahverkehr und gleichzeitig auf deren Unverständnis trafen, werden nun ausschließlich die privaten Konkurrenten der Bahn bestreikt. Und genau diese sind es ja, die sich bisher mit Händen und Füßen gegen einen einheitlichen Tarifvertrag wehren.
Trifft es jetzt also "endlich" "die richtigen"?
Eine Wirkung scheint die Aktion jedenfalls zu haben - die Keolis-Gruppe hat sich bereits zu einem Rahmentarifvertrag bereit erklärt und ist von den Streiks ausgenommen. Interessant wird, ob die übrigen Konkurrenten auch einbrechen, den Streik durchstehen, oder mit Streikbrechern zerschlagen. Gerüchte über dreistellige Streikbrecherprämien gibt es bereits.
Aus Sicht der Gewerkschaft wären alle privaten Anbieter und sonstigen Quereinsteiger natürlich die richtigen Addressaten. Die lassen nicht locker bis nicht das letzte Stück Freiheit im Einheits- und Regulierungsbrei und damit jewede Initiative erstickt ist.
Währenddessen lese ich, dass die Bahn 500mio an Dividende an den Staat zahlt, der damit seine Haushaltslöcher stopft. Konsequenter wäre, wenn das Geld ins Verkehrsministerium (zurück) fliesst, das die Infrastrukturkosten der Bahn weitenteils übernimmt.
DP: Ich weiß nicht, wie du auf Einheits- und Regulierungsbrei kommst angesichts der Forderung nach einem Branchentarifvertrag. Das ist in vielen anderen Wirtschaftszweigen gang und Gäbe, in denen sich die Aufgaben in verschiedenen Betrieben derart ähneln wie bei den Lokführern. In Zukunft müssen die privaten Konkurrenten der Bahn eben mit höheren Preisen in Ausschreibungen gehen. Das wäre die Gelegenheit, auf den oft besseren Service im Nahverkehr hinzuweisen.
Was mit der Bahn-Dividende im Bundeshaushalt geschiet, weiß ich gerade nicht. Kannst du mir da eine Quelle nennen, aus der die Verwendung ersichtlich ist?
Im Prinzip ist ein Branchentarifvertrag mit dem Euro vergleichbar; er nützt einigen, schadet anderen und macht Systeme starr und unbeweglich. Denn es hat ja seinen Sinn, dass die Währung gesunder, export- und konjunkturstarker Wirtschaften steigt und die der Schwachen fällt. Der Lohn der Belegschaft ist für mich ein wesentlicher Teil der unternehmerischen Freiheit. Wem es schlecht geht muss die Schraube nach unten drehen, unter anderem mit dem Resultat die Besten zu vergraulen. Aber ich kaufe ja auch ein günstiges Produkt im Bewusstsein, dass es teureren gegenüber Mängel aufweist resp. aufweisen kann. Der Manteltarif verhindert das und zwingt alle Betriebe dasselbe zu zahlen. Ich finde aber gerade die Unterschiede spannend und meine, selbst schwarze Schafe muss ein Markt und eine Gesellschaft aushalten.
"und macht Systeme starr und unbeweglich....Der Manteltarif verhindert das und zwingt alle Betriebe dasselbe zu zahlen."
Nicht ganz, es niveliert nur den Teil der Gehälter, der unter dem Tarifvertrag liegt. Nach oben kann man ja immer abweichen. Wer also gute Leute will, kann die immer höher bezahlen oder mit anderen Goodies bei Laune halten.
Aber da gehts doch schon los, alternative, innovative Modelle, z.B. unter Tarif zahlen aber dafür als Ausgleich Beteiligungen oder was auch immer zu offerieren geht nicht, weil im Gewerkschafts ABC nicht vorgesehen. Und die Höhe dieses Tarifes hat auch nichts mit der Wirklichkeit des Marktes zu tun sondern mit dem Selbstdarstellungswillen der jeweiligen Gewerkschaft resp. deren Zwang Mitglieder zu rekrutieren. Da nimmt man auch mal in Kauf, dass kleinere Betriebe hops gehen, solange die Platzhirsche mit ihnen verhandeln.
"Und die Höhe dieses Tarifes hat auch nichts mit der Wirklichkeit des Marktes zu tun"
Wieso das denn jetzt nicht ? Wo ist denn Deiner Meinung nach die "Wirklichkeit des Marktes" ?
Die organisierten Lokomotivführer weigern sich, zu einem Lohn zu arbeiten, den sie für zu niedrig halten. Oder anders geschrieben: Zu dem Lohn, den die Arbeitgeber anbieten, finden sie derzeit keine Lokführer.
Klassischer Fall von Marktgeschehen.
Und es ist natürlich auch richtig, dass die Gewerkschaften auch Mitglieder rekrutieren wollen und müssen. Die brauchen die Mitgliedsbeiträge und nicht zuletzt können sie nur dann attraktiv für Mitglieder sein, wenn sie was für die erreichen und umgekehrt. Die machen das auch nicht aus Idealismus. Aber auch das ist letztlich normales Marktgeschehen.
Wobei ich Dir recht gebe, dass es durchaus skurrile Gegebenheiten zu diesem Streik gab, z. B. wenn man ein Unternehmen bestreikt, welches den Tarifvertrag respektiert um die anderen Unternehmen zu treffen.
Übrigends Tarife mit Gewinnbeteiligungen und ähnlichem gibt es schon lange. Allerdings ist meine Einschätzung, dass die meisten Arbeitgeber da nicht besonders glücklich mit sind. Zum einen müssen die dann nämlich den Mitarbeitern darlegen, wie viel Gewinn sie denn nun machen. Zum Anderen ist es zwar in schlechten Zeiten ganz toll, die Löhne niedrig zu halten, aber in guten Zeiten plötzlich einen ordentlichen Batzen vom Gewinn abgeben zu müssen, ist dann doch komplett uncool.
Zitat von Kater"und macht Systeme starr und unbeweglich....Der Manteltarif verhindert das und zwingt alle Betriebe dasselbe zu zahlen."
Nicht ganz, es niveliert nur den Teil der Gehälter, der unter dem Tarifvertrag liegt. Nach oben kann man ja immer abweichen. Wer also gute Leute will, kann die immer höher bezahlen oder mit anderen Goodies bei Laune halten.
Das ist schon was anderes als beim Euro.
Gruss Kater
Woraus man schließen könnte, dass 'nur' nach Tarif bezahlte Mitarbeiter keine guten Leute sind.
DP's Vergleich ist im Prinzip richtig. Andererseits führen höhere Arbeitskosten zwar zum Sterben von Unternehmen, erzwingen aber letztlich höhere Produktivität. Das muss aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht schlecht sein, ich würde das deshalb nicht verallgemeinern.
Ich sehe die Situation bei der Bahn für speziell: Hier geht es nicht um Bezahlung adäquat zur Qualifikation, sondern um die Nutzung des Erpressungspotentials der Zugführer, ähnlich dem englischen Bremser. Die Bahnen werden dem erst einen Riegel vorschieben können, wenn sie die Abläufe weiter automatisieren, und die formalen Qualifikationsanforderungen senken, ganz einfach weil dann der Lokführer zum Komparsen wird. Dann kann sich bei einem Streik notfalls auch das Bahnmanagement in den Führerstand setzen.
Marktwirtschaftlich gesehen müssten Lokführer auf manuell zu kontrollierenden Nebenstrecken besser bezahlt sein als Knöpfchendrücker im ICE. Und marktwirtschaftlich gesehen müsste dies einen Druck auf Investitionen auch in Nebenstrecken fördern. Marktwirtschaftlich gesehen führen die Streiks vielleicht in genau diese Richtung. Wenn bei PKWs die Technik für automatisches Fahren bald serienreif ist, dann ist sie dies für die Bahnen schon längst. Dann können sich Lokführer als Zugbegleiter betätigen und Dienst am Kunden üben.