In letzter Zeit begegnet sie mir immer wieder. Das fängt im Grunde bei dem festgeklebten 50-Cent-Stück auf der öffentlichen Toilette an, wo man nach der Notdurft zwar nicht mehr muss - aber dennoch "muss", ein paar Cent für die Klofrau (Gott weiss, wie sich diese fi- nanzieren). Trinkgeld ist quasi Pflicht in Restaurants, beim Friseur oder im Taxi. Ich bin eigentlich bereit, immer bei spürbaren Mehrleistungen auch etwas zu geben, aber dieses per- manente Voraussetzen dieser Geldleistungen mit anschliessend mindestens pikierten Blick bei Nichterfüllung der Erwartung, geht mir auf den Zünder. Unterschwellig wird einem Geiz unterstellt, wenn man nichts gibt - sollen sie doch die Preise so gestalten, dass der Gast sich nicht genötigt sieht, darüber nachzudenken, wirklich.
In anderen Ländern -meist solche, die vom Tourismus leben- ist es noch viel extremer. Aber es gibt auch Länder, in welchen es sogar verpöhnt ist, Trinkgelder zu geben, weil man damit denjenigen herabwürdigt als Bettler. Die ",99€-Preise" haben manchmal zur Folge, dass die Kunden den einen Cent großzügig liegen lassen, ich würde es ehrlicher finden, gleich den gerundeten Preis hinzuschreiben. Die Leute sind nicht immer so dumm und vermutlich würde es weniger Aufwand = Kosten sparen, nur mit Vollpreisen zu arbeiten. Bei Benzin auch.
Im Fernsehen wird auch immer mehr gebettelt, natürlich auf moderne Weise ("Ruft an"), schlimm.
Es ist doch im Grunde ganz einfach. Man gibt das Trinkgeld nur, wenn man mit der Dienstleistung wirklich zufrieden war. Dazu muss man dann auch stehen. Ich habe mich dafür schon mit einem wirklich unfreundlichen und schlechten Kellner in Manhattan gestritten, der auf den vollen 18% bestand, die ich ihm auf die Hälfte gekürzt hatte.
Auf Toiletten gebe ich 20 Cent nur *nach* dem Aufsuchen der Örtlichkeit und nur dann, wenn der Zustand tadellos war. Falls dem nicht so ist und Forderungen erhoben werden, mache ich laut und deutlich auf die Zustände aufmerksam (es sind ja meistens noch andere Kunden anwesend) und sage, dass ich dafür keine Münze hinlege. Damit ist das Thema immer beendet.
Als mündiger Konsument muss man eben bei schlechtem Service auch den Mut haben, darauf hinzuweisen. In guten Geschäften freut sich das Personal sogar oft über das ehrliche Feedback und man bekommt einen Espresso o.ä. aufs Haus und geht noch zufrieden durch die Tür. Schlecht finde ich, wenn sich Leute mit beleidigter Miene wortlos auf den letzten Cent rausgeben lassen, damit ist keiner Seite geholfen.
In der Schweiz musste ich mich auch erstmal umgewöhnen, da gibt man etwa 2% Trinkgeld oder einfach gar nichts. Schief angesehen wird man deswegen nicht. Es ist auch so, dass hier jeder für sich zahlt, das musste ich auch erstmal zur Kenntnis nehmen. Auf Toiletten zahle ich grundsätzlich nicht, denn dieser Service ist bereits im Umsatz der Speisen, Getränke oder gekauften waren enthalten. Auf den deutschen AB Raststätten kann man seine 50 Cent Klogebühr gegen Konsum rückerstatten lassen, das finde ich fair und angemessen. Wer nichts kauft zahlt halt den Aufenthalt als Servicegebühr.
Das Feedback über Qualität oder Quantität der Dienstleistung gebe ich auch gern, habe aber gelernt, dies gezielt einzusetzen. Eine überforderte Servicekraft auf eine schnellere Bedienung zu verweisen macht wenig Sinn, da sollte der Oberkellner oder der Chef des Hauses auf den personellen Engpass aufmerksam gemacht werden. Wenn das Essen nicht schmeckt bespreche ich das direkt mit dem Koch, sonst bleibt die Beschwerde auf dem Flur hängen oder wird verfälscht, dann hat der Koch nichts davon. Meine Erfahrung: Offenes Feedback an die richtige Adresse ist immer erwünscht und tatsächlich gern gesehen.
Ich habe hierzu ein sehr interessantes Buch gelesen, welches ich hier kurz vorstellen möchte:
Sag Nein ohne Skrupel Verlag: Weltbild Taschenbuch * ISBN: 978-3-8289-3521-1 * Amazon-Preis: 5,99 * Autor: Smith
Heute mal wieder eine Buchempfehlung von mir. Das Buch habe ich im Juli gekauft und jetzt bin ich durch. So ein Buch kann man auch nicht in einem Rutsch durcharbeiten, weil gewisse Dinge auch noch einmal überdacht werden müssen oder bestimmte Passagen zweimal gelesen werden sollten. In jedem Falle ein für mich wichtiges Buch zu einem viel zu kleinen Preis.
Der Autor Dr. Manuel Smith ist Psychologe und führt einen im ersten Teil an die eigene Kindheit heran und findet in einigen Verhaltensweisen gegenüber anderen den wirklichen Ursprung. Egal ob es um Gespräche geht mit Lebens-, Geschäftspartnern, Chefs, Mutter, Vater, Kind, Arzt oder anderen Beratern, denen man im Alltag so begegnet und natürlich auch Kunden – Dr. Manuel Smith spielt viele Gespräche, so wie sie wirklich stattfinden könnten, komplett von Anfang bis Ende durch und gibt somit eine wertvolle Hilfe, auf die ich immer zurückgreifen kann.
Evelyn Linke hat ins Deutsche übersetzt aus dem Originaltitel: “When I say no, I feel guilty” und in den 350 Seiten wird sich viel mit den Themen Manipulation, Selbstbewusstsein, Ziele, Beeinflussung, Gesprächsführung und Schuldgefühle gesprochen und wie man mit anfangs relativ einfachen Mitteln geschickt Begegnungen lenkt und das Heft des Handelns behält. Das bedeutet jetzt nicht, dass alle Wortwechsel nach den dort besprochenen Mustern geführt werden sollten – aber dann, wenn man sich manipuliert fühlt oder wie er schreibt, gefühlt nicht sein eigener Richter ist – ist es anzuwenden.
Die Techniken, die sich Dr. Manuel Smith bedient, sind unter anderem die “Schallplatte mit Sprung”, also ständige Wiederholung des eigenen Wunsches (z.B. bei Reklamationen) oder Vernebelung, negative Selbstsicherheit und praktikabler Kompromiss. Was sich dahinter verbirgt, erfährt der geneigte Leser wie gesagt in dem Buch und wenn ein Psychologe im wahrsten Sinne des Wortes aus der Praxis erzählt, dann ist so etwas immer interessant.
Gerade die Anwendung der Beispieltexte aus den Rollenspielen seiner Patienten und Hilfesuchenden ist für mich sowohl als Verkäufer, als auch privat überaus hilfreich und die Art und Weise, wie das Buch aufgebaut ist, macht es mir einfach, dieses Buch zu empfehlen! http://funtas-world.de/blog/bucher/sag-nein-ohne-skrupel/