Kein Tag vergeht ohne Meldungen über flächendeckende Missbrauchsfälle in westdeutschen Schulen, Internaten, kirchlichen Einrichtungen. Gerade lese ich über die Odenwaldschule, einer UNESCO-Modellschule;
Zitat Ehemalige Schüler berichteten der Zeitung davon, wie sie von Lehrern regelmäßig durch das Streicheln der Genitalien geweckt, wie sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und zu Oralverkehr gezwungen wurden. Einzelne Pädagogen hätten ihren Gästen Schüler zum sexuellen Missbrauch überlassen, schreibt die Zeitung weiter. Lehrkräfte hätten Schutzbefohlene geschlagen, mit Drogen und Alkohol versorgt oder beim gemeinschaftlichen Missbrauch eines Mädchens nicht eingegriffen.
Da tun sich ja Abgründe auf, Auweia.Ist das ein typisch west (deutsches) Phänomen oder sind solche Tendenzen typisch für solche Machtkonstellationen, in denen massenweise junge Menschen alten geilen Böcken unterstellt sind?
Ich fürchte, dass dies ein großes Problem aller Schulen ist, wo Autoritäten ihre Macht missbrauchen.
Bezüglich der katholischen Einrichtungen bin ich nicht davon überzeugt, dass dies eine direkte Folge des Zölibats ist; der Zölibat fördert das Verhalten eher als dass es hindert, aber wesentlich erscheint mir auch zu sein, dass junge Menschen manchmal "ihre" Autoritäten als Vorbilder sehen, ja manchmal für sie schwärmen und sie für sich zu gewinnen versuchen (und wenn es nur darum geht, die Noten positiv zu beeinflussen). Wenn dann die "Autorität" erhebliche Mängel mitbringt ist es zum Missbrauch nicht mehr allzuweit. Speziell wenn man sich in internatsähnlichen Schulen kaum aus dem Weg gehen kann.
Klar muss sein, dass weder körperlicher noch seelischer Missbrauch nicht vorkommen darf.
Meine eigene Schulzeit liegt ja schon lange zurück - zumindest in der Grundschule waren "Tatzen" (Schläge mit dem Rohrstock auf die Hände) und "Überg'legte" (Schläge mit dem Rohrstock auf den Allerwertesten) an der Tagesordnung und niemand hat sich darüber aufgeregt - besonders nicht der bestrafte Schüler, weil es meistens einen handfesten Anlass dazu gab. Ich z.B. hätte die paarmal, die es mich erwischte, niemals zuhause erzählt, weil ich es schlicht als Strafe für freches Benehmen angesehen hatte (nicht zuletzt gibt es ja in Bayern 11 Gebote - das 11. lautet "Du sollst Dich nicht erwischen lassen"). Daher kann ich die Gleichsetzung von sexuellem Missbrauch mit Prügelstrafen so nicht nachvollziehen, wie es in einigen Presseberichten auftaucht.
Ich war ja immer ein Anhänger von Summerhill - niemals aus dem, was in D unter "antiautoritärer Erziehung" verstanden worden ist. Was ich sehe ist, dass wir ein schreckliches Problem mit Autoritäten qua Amt haben, deren innere Größe nicht der verliehenen Autorität entspricht. Da liegt m.E. das Hauptübel. Ich weiß aber auch nicht wie wir den Schulbetrieb aufrecht erhalten sollen, wenn wir 50 % der Lehrkräfte rauswerfen.
Wieder mal ratlos WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat von DP Ist das ein typisch west (deutsches) Phänomen oder sind solche Tendenzen typisch für solche Machtkonstellationen, in denen massenweise junge Menschen alten geilen Böcken unterstellt sind?
Weder typisch westdeutsch noch männlich. Berichte über Gewaltexzesse sind auch aus DDR-Erziehungsanstalten bekannt, auch aus von Frauen geleiteten Erziehungseinrichtungen jeglicher Trägerschaft.
Es geht ja nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um nicht (offensichtlich) sexuell motivierte Gewalt.
Machen wir uns nichts vor. Da werden Sachen aus Zeiten aufgearbeitet in denen die Vorgänge höchstens als Auswüchse gängiger pädagogischer Standards gewertet worden wären, wären sie denn publik geworden. Und sie sind nicht publik geworden, weil die Kinder sich nicht an ihre Eltern wenden konnten, weil es zuhause nicht anders war.
Zitat Da werden Sachen aus Zeiten aufgearbeitet in denen die Vorgänge höchstens als Auswüchse gängiger pädagogischer Standards gewertet worden wären, wären sie denn publik geworden. Und sie sind nicht publik geworden, weil die Kinder sich nicht an ihre Eltern wenden konnten, weil es zuhause nicht anders war.
Du meinst es war normal, dass der deutsche Durchschnittspapa seinen Sprössling morgens durch Streicheln des Genitals geweckt hat? Da müsste ich DP aber Recht geben, denn ich bin sicher dass das dann nur im Westen normal war.
Werner, meine Schulzeit ist schon sehr, sehr, sehr lange her. Ich war auch fuer ein Jahr in einem Internat. Bodenseeschule um genau zu sein. Wenn man heute googelt, dann findet man nichts ueber die Vergangenheit der Bodenseeschule, damals im Neuen Schloss in Meersburg, in dem heute ein Museum ist.
Der Direktor war ein strammer SS-Mann, und auch ausgezeichneter Paedagoge: Kraut (Sorry, so hat er wirklich geheissen). Die Schueler waren in strammer Uniform, auch ich.. Apell war jeden Morgen um acht Uhr in der Halle des Schlosses.
Wer sich daneben benommen hat, wurde ausgerufen, neben den SS-Mann gestellt. Wer zweimal da erschien, war irgendwie verschwunden anschliessend. Weiss nicht wohin.
Ach ja , Kraut. Der hat sich im Maerz 1945 bei seinen Uniformierten Schuelern im Morgenapell verabschiedet. nochmals: Beeindruckender Paedagoge. Er wollte Die Nation mit.... im Oberammergau verteidigen.
Kraut hat's bis Friedrichshafen geschafft. Da wurde er von ...der Himmel weiss wem... erschossen.
Waere das die richtige (autoritaere) Erziehung gewesen?
"Waere das die richtige (autoritaere) Erziehung gewesen?"
Hallo Gerd,
ich vermute Du kennst Summerhill nicht. Es liegt in England und war die "Wiege der anziautoritären Erziehung". Dort gab es einen Schulleiter der Kinder dazu bringen wollte dass sie ohne Druck zu der Erkenntnis kommen dass sie lernen wollen - und nicht "müssen". Seine Erfolge, speziell mit renitenten und notorisch faulen Schülern waren sehr groß so dass andere Pädogogen meinten, dieses System liesse sich auf alle Schüler und Schularten übertragen. Eines der wesentlichen Elemente seiner Pädagogik war auf jede Autorität qua Amt zu verzichten - seine Lehrer mussten Autorität dank ihrer Persönlichkeit vermitteln. Das ist jetzt ganz kurz - und natürlich unvollständig - zusammengefasst was der gute Herr Neill in x Büchern beschrieben hat. Sein m.E. richtiger Ansatz war, dass der Mensch wesentlich bessere und nachhaltigere Leistungen erbringt wenn er selber etwas erreichen will als wenn jemand mit der Peitsche hinter ihm steht. Ich denke dass zwischen ihm und dem Herrn Kraut Welten lagen - auch pädagogische.
Schönen Tag WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
Zitat von DP Ist das ein typisch west (deutsches) Phänomen oder sind solche Tendenzen typisch für solche Machtkonstellationen, in denen massenweise junge Menschen alten geilen Böcken unterstellt sind?
Weder typisch westdeutsch noch männlich. Berichte über Gewaltexzesse sind auch aus DDR-Erziehungsanstalten bekannt, auch aus von Frauen geleiteten Erziehungseinrichtungen jeglicher Trägerschaft. Es geht ja nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern auch um nicht (offensichtlich) sexuell motivierte Gewalt.
FW, diese sexuelle Komponente halte ich in der Tat für typisch kirchlich und somit westdeutsch (...polnisch, irisch, spanisch...) Die Erziehungslager und Internate in der DDR unterstanden nicht der Kirche und waren deshalb zölibatfreie Zone. Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat es da mindestens gleich gegeben wenn nicht noch (wegen der autoritären Ausrichtung) schlimmer. Aber sexuelle Übergriffe in staatlichen Einrichtungen sind mir da noch nie untergekommen.
siehst Du, mir sind sexuelle Übergriffe auch nie untergekommen, und ich kenne sie auch nicht von Bekannten, die ehemalige Internatisschüler in katholischen Einrichtungen waren. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, dass ähnliche Übergriffe auch aus ehemaligen staatlichen Einrichtungen der DDR bekannt werden. Das hat ja auch mit den jetzt publizierten Skandalen sehr lange gedauert.
Bei den bisherigen Berichten aber werden, wie mir scheint, sexuelle Übergriffe und allgemeine Gewalt beliebig vermischt. Zur Gewalt selbst kann ich nur sagen, dass das Meerrohr und der Lederriemen in meiner Schulzeit üblich waren, und dass sich über geprügelte Schüler keine Öffentlichkeit aufgeregt hätte. Vielleicht sollte ich jetzt auch noch zur Bildzeitung gehen, und öffentliche Schulen an den Pranger stellen.