Für mich ist es eher ein Rätsel, warum das nicht längst früher geschah. Offenbar ist Polanski während seiner früheren Besuche in der Schweiz wenig aufgefallen. Dass die Staaten Polanskis Bürgerschaft Polen und Frankreich den Regisseur nicht darauf drängen, die Verhandlung gegen ihn fortzusetzen, ist mir schleierhaft und die Begründungen kaum haltbar. Nur noch mal zur Rekapitulation; Polanski hat als 45jähriger Mann ein 13jähriges Mädchen mit Champagner gefügig gemacht, mit KO Tropfen betäubt und sie anschliessend sexuell missbraucht. Das ist nicht irgendeine üble Nachrede sondern seine Aussage vor dem Gericht in Los Angeles, wiederholt in verschiedenen Talk Shows. Polanski floh vor der Urteilsverkündung aus den USA und entging so bisher dem Vollzug der Strafe für dieses Kapitalverbrechen. Fast noch bemerkenswerter in diesem Zusammenhang die Ausreden und Beschwichtigungen der sonst stets auf Korrektheit bedachten Linken. SZ Chefredakteur Prantl begründete seine Forderung nach sofortiger Freilassung damit, dass das Opfer Polanski mittlerweile verziehen hat. Ein Kölner Kinofestival vergleicht die Schweizer Justiz mit der des Iran. Ein Kommittee zur Freilassung Polanskis hat sich gebildet und täglich melden sich die Unterstützer. Ich finde das unfassbar und verstehe nicht mal die Logik dahinter. Ist jetzt sexueller Missbrauch Minderjähriger (und sorry, der war ja nicht 19 oder so sondern 45) weniger schlimm weil der Täter ein netter Kerl ist oder berühmt oder sonst was?
Also ich habe auch gestaunt, wie hier in der Öffentlichkeit unverblümt mit zweierlei Maß gemessen wird. Dem einfachen Kinderschänder aus der Nachbarschaft droht mittlerweile in unseren zivilisierten westlichen Ländern fast Tod durch den Lynchmob, ist man dagegen prominent genug, scheint das verzeihlich.
Außer bei Michael Jacksons kleinen Jungs, da war es wieder anders.
Nicht unbedingt. Michael Jackson ist verzeigt worden, angeklagt und wurde freigesprochen.
Man könnte auch Parallelen zum "Fall Marco" sehen. Natürlich lag der Fall noch ganz anders; ein junger und unerfahrener Jugendlicher hatte "irgendwas" mit einer Minderjährigen. Aber auch hier muss man sagen war die deutsche Öffentlichkeit nur wenig bereit sich auch mal auf die Sicht des vermeintlichen Opfers einzulassen.
Ja, sehr erstaunlich. Immerhin konnte man vor kurzem erst das lesen (z.B. auf SPON):
In Antwort auf:Warschau - In Polen sollen verurteilte Pädophile und Inzesttäter künftig einer sogenannten chemischen Kastration unterzogen werden. Das Unterhaus des polnischen Parlaments votierte am Freitag in Warschau nahezu einstimmig für einen entsprechenden Gesetzesantrag der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk.
Zitat von F-WDas soll offenbar nicht für alle gelten. FW
Naja, ich weiss nicht, ob das bei einem alten Sack von längst über siebzig Jahren noch unbedingt nötig wäre. Seine Munition dürfte vermutlich sowieso nix mehr taugen, Viagra hin oder her. - Andererseits, wenn ich mir den verblichenen Anthony Quinn angucke, der hat noch mit weit über achtzig erfolgreich den Deckhengst gemacht. Also, von da her...
die schweiz verhält sich hier meines erachtens völlig korrekt, schließlich geht es hier nicht um falschparken. dass das opfer polanski verziehen hat, ist unerheblich.
"Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen. Wer nicht einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen - der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schusshöhe." ~André Breton
Also wenn man die vielen Begründungen so liest; schon so lange her, eine Haftstrafe würde nichts mehr nützen, das Opfer hat ihm verziehn, die Tat ist längst verjährt etc. dann frage ich mich, warum denn so eine Angst wegen der Auslieferung besteht. Es gäbe also gute Gründe vor dem Court in LA, die Strafe für Polanski sehr milde ausfallen zu lassen. Nur sollte diese Milde tatsächlich vom Gericht ausgesprochen werden und nicht vom Feuilleton.
Nun wird kolportiert, dass der Staat Frankreich dem Auslieferungsantrag zuvor kommen und seinerseits einen Auslieferungsantrag stellen kann. Das wäre ein starkes Stück. Der Staat als Handlanger eines pädophilen Vergewaltigers.
Sowie ich das sehe, ist die Tat eben nicht verjährt, weil die in den USA nicht verjährt. Und die Strafen in den USA für solche Verbrechen sind ja eher schärfer geworden.
Allerdings frage ich mich schon, was jetzt noch der Sinn einer solchen Strafe sein soll, wenn nicht mal das Opfer das mehr verlangt.
Hier habe ich vor ein paar Tagen gelesen, dass das Auslieferungsersuchen wohl unbeabsichtigt von einem der Polanski-Anwälte angestossen wurde der in einem Antrag auf Beendigung des Verfahrens auf die jahrelange Untätigkeit der Staatsanwaltschaft hingewiesen hat und eben diese als Begründung gebracht hat. Daraufhin soll sich die Untätigkeit in Tätigkeit verwandelt haben. Schönen Abend WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
In Antwort auf:Sowie ich das sehe, ist die Tat eben nicht verjährt, weil die in den USA nicht verjährt. Und die Strafen in den USA für solche Verbrechen sind ja eher schärfer geworden.
Allerdings frage ich mich schon, was jetzt noch der Sinn einer solchen Strafe sein soll, wenn nicht mal das Opfer das mehr verlangt.
Leider haben wir ja unseren bisweilen bissigen Juristen verloren, aber ich weiß, dass Verzeihen seitens des Opfers bei Kapitalverbrechen irrelevant ist. Hier besteht ein öffentliches Interesse an der Verurteilung und Bestrafung des Täters. Es klagt ja auch nicht das Opfer an (allenfalls als Nebenkläger), sondern der Staatsanwalt.
Ich fände es beschämend für ein Rechtssystem, wenn es achselzuckend kapituliert, nur weil der Täter sich lange genug drumherumgemogelt hat.
In der Schweiz ja, in den USA nicht. Das ist nämlich das Pikante an der sache: Polanski soll ausgeliefert werden für ein Verbrechen, dass nach Recht des Auslieferungslandes garnicht mehr verfolgt würde.
Verjährung ist m.M. kein Thema. Das zöge nur, wenn der Fall nie angeklagt worden wäre. Das Gerichtsverfahren war aber bereits eröffnet (mit Geständnis Polanskis) und der Angeklagte hat sich durch Flucht dem Gericht entzogen. Das hält meiner Ansicht nach die Verjährung an. In den USA wie bei uns.
FW: "Das hält meiner Ansicht nach die Verjährung an. In den USA wie bei uns."
War es nicht in Italien so, dass laufende Verfahren gegen Berlusconi wegen der neuen Verjährungsfristen (von ihm selbst durchgesetzt) hinfällig waren? Oder waren das nur Ermittlungen und keine Gerichtsprozesse?
"Ich fände es beschämend für ein Rechtssystem, wenn es achselzuckend kapituliert, nur weil der Täter sich lange genug drumherumgemogelt hat."
Das sehe ich teilweise anders. Egal was für einen Sinn man bei so einer Strafe ansieht, mit den beiden Extremen, dass man eine Besserung des Täters oder Genugtuung fürs Opfer haben will, dürften aus diesen beiden Sichten die Strafe eher sinnlos sein.
Denn der Täter wird sich nicht bessern können, weil er schlicht mit seinem Lebenswandel seitdem bewiesen hat, dass es dazu keiner Strafe bedurfte und das Opfer will gar keine Genugtuung mehr, im Gegenteil dürfte sie wohl eher ein Interesse daran haben, dass das nicht wieder hochkocht.
In unserem westlichen Rechtssystem wird eine Strafe primär nicht aus Sühne dem Opfer zuliebe oder als Strafe für den Täter verhängt sondern als Exempel für die Gesellschaft. Und ich muss sagen dass dies auch bitter nötig ist, gerade im Falle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger. Jahrhundertelang war das ja so eine Art Kavaliersdelikt, wenn der Vater, Onkel oder sonstwie männlicher Verwandter die minderwertige weibliche Aufzucht missbrauchte oder die Kirchenoberen sich an ihren Zöglingen vergriffen. Das wurde schnell unter den Teppich gekehrt, beschwichtigt und der Spiess umgedreht; was zieht die auch immer so kurze Röcke an! Ich hoffe doch sehr, dass dieser Zeitgeist nie wieder kommt, dass sich sonstwie mächtige oder mächtig fühlende Männer an Kindern vergreifen. Was für ein Signal wird denn ausgesendet, wenn der Staat auf eine Verurteilung verzichtet? Doch die, dass jeder pädophile oder notgeile Erwachsene nur abwarten muss, bis etwas Gras über "die Sache" gewachsen ist. Das kanns ja wohl nicht sein.