Westerwelle war nunmal überpräsent in der FDP, da konnte sonst keiner in Erscheinung treten, außer vielleicht ein *bibber* *würg* Dirk Niebel. Dass die so jugendlich wirkende FDP keine neuen Leute präsentiert ist allerdings schon unschön. Das Beispiel Guttenberg zeigt, wie erfolgreich ein unbekannter Minister werden kann.
Zitat von LexxWieso das fällt erst jetzt auf? Westerwelle war nunmal überpräsent in der FDP, da konnte sonst keiner in Erscheinung treten, außer vielleicht...
Das ist aber auch einer der Gründe für den Erfolg der F.D.P. So geschlossen wie dieses mal ist die Partei bisher nie aufgetreten, und das nun über viele Jahre hinweg. Der Preis ist, dass alle anderen hinter der starken Fürhrungspersönlichkeit zurückzutreten haben und auf diese Weise keine Profilierungsmöglichkeiten haben.
Die Entwicklung Westerwelles sollte man nicht unterschätzen. Er führt nicht nur die Partei unangefochten, er hat erfolgreich das Image des Spasspolitikers abgelegt, die Standfestigkeit der Partei unter Beweis gestellt und hat den lange vernachlässigten Bürgerrechtsflügel der Partei wieder an Bord geholt und so der Partei Wähler zurückgewonnen, die zu den Grünen abgewandert sind oder wären. Leut-Schnarr ist unter Kohl zurückgetreten weil die FDP anlässlich der Gesetze um den Lauschangriff zentrale liberale Positionen aufgegeben hat. Sie wird nun glaubhaft die Partei gegen Schäuble und seine Vorhaben zu vertreten haben.
Viel interessanter ist für mich, welchen Kabinettsposten Westerwelle einnehmen wird. Letztlich war die Wirtschaft zentrales Thema des Wahlkampfes. Da gilt es nicht nur Wahlversprechen der Partei (Steuersenkungen, Steuerstrukturreform) umzusetzen, sondern auch wirtschaftsliberale Grundwerte erkennbar durchzusetzen. Die Union wird mit Merkel und Guttenberg und vielleicht Koch ihre stärksten Leute in diesem Bereich antreten lassen, die FDP hätte mit dem Weinbäuerchen Brüderle gleich verloren.
Die Verlockung des Aussenministeriums ist gross, gute Umfragewerte sind quasi garantiert. Aber die Aussenpolitik hat im Wahlkampf keine Rolle gespielt und das letzte Wort in der Aussenpolitik hat sowieso die Kanzlerin, das war unter Kohl, Schröder und Merkel I auch nicht anders. Auch eine Vergrösserung des Amtes um die Entwicklungshilfe änderte daran nichts, das Thema geht deutschen Wählern am A... vorbei. Es wäre ein grosser Fehler Westerwelles, sich von Genschman aus Prestigegründen in das Aussenamt schnacken zu lassen. Das wäre der direkte Weg ins politische Abseits. Aus dieser Position hat noch kein kleiner Koalitionspartner die Partei gegen den grossen Partner profilieren können.
In Antwort auf:Es wäre ein grosser Fehler Westerwelles, sich von Genschman aus Prestigegründen in das Aussenamt schnacken zu lassen. Das wäre der direkte Weg ins politische Abseits. Aus dieser Position hat noch kein kleiner Koalitionspartner die Partei gegen den grossen Partner profilieren können.
Mal sehen, ob Westerwelle nun auch clever genug ist, diese Falle zu sehen. Merkel würde sich bestimmt freuen, wenn er diesen Posten übernähme. Die wirklich staatstragenden Sachen macht sie ohnehin selber, der Außenminister wäre, wie schon Steinmeier, meist nur Staffage.
Davon abgesehen haben sich die FDP und Westerwelle im Wahlkampf nicht mit außenpolitischer Kompetenz aufgestellt. Es wäre für ihre Wählerschaft doch sehr irritierend, wenn sich der Parteichef nach den markigen wirtschaftsliberalen Sprüchen nun ins Außenministerium zurückzöge.
Den grössten Handlungsspielraum sehe ich eher als Chef des Finanzministeriums, zumal die Steuern ja das Kardinalsthema der Liberalen war. Aber Finanzen und Aussenministerium wird die FDP nicht bekommen und Finanzen und Wirtschaft zusammen könnte auch ein teurer Preis für Merkel sein. Schliesslich muss ja die CSU auch noch ihre Happen bekommen, auch wenn sie sich erstmal hinten anstellen muss, wie Merkel gestern in ungewohnter Deutlichkeit bereits klar machte. Vielleicht gehts ja so; FiMi+ WiMi als SuperMi = Westerwelle und dazu zwei unbedeutende Ministerien (Justiz/Piper oder L-S+Bildung/Piper oder Koch-Meyrin). Die CSU bekommt Verteidigung (Guttenberg), Landwirtschaft (Aigner) und Gesundheit. Der Rest geht an die Union, immerhin mit dem AM, dem IM, Umwelt, Arbeit insgesamt 8 Ministerien, dazu das Quasiministerium für Kultur und das Bundeskanzleramt.
In Antwort auf:Den grössten Handlungsspielraum sehe ich eher als Chef des Finanzministeriums
Ist da wirklich ein Handlungsspielraum? Ist die klassische Fimi-Karriere nicht die, erst mit eiserner Hand die Kasse zu bewachen um dann im Lauf der Legislaturperiode vor den Begehrlichkeiten der Ressorts zu kapitulieren, um endlich mit einem neuen Rekorddefizit dazustehen? Und echtes Mitspracherecht etwa bei Steuerreformen hat er auch nur am Rande. Ist doch auch eher ein Looserposten, oder?
Das ist doch auch nicht anders als zuhause; der Papa hat das Geld und macht das Budget. Die Familienangehörigen kommen mit ihren Wünschen und Forderungen und Quengeleien. Aber entschieden wird am Ende nach dem Budget. Ich sehe hier mehr Möglichkeiten als der Forderer. Und das wird sich in der kommenden Legislatur noch verschärfen. Ich lese gerade, dass die Neuverschuldung des Bundes im ersten HJ 57mrd Euro betrug. Meine Fresse.
Zitat von DPIch lese gerade, dass die Neuverschuldung des Bundes im ersten HJ 57mrd Euro betrug. Meine Fresse.
Das ist zwar erschreckend viel, aber viel erschreckender finde ich, dass in den Jahren zuvor trotz sehr guter Konjunktur, trotz relativ niedriger Arbeitslosigkeit, trotz Rekordsteuereinnahmen es eine satte Neuverschuldung gab.
Das spricht eine deutliche Sprache: Schulden werden niemals abgebaut werden. Die einzige "Hoffnung" ist, dass die Inflationsrate höher ist als die Neuverschuldungsrate.
FW: "Da gilt es nicht nur Wahlversprechen der Partei (Steuersenkungen, Steuerstrukturreform) umzusetzen"
...oder zu brechen. Denn jedem halbwegs intelligenten Wirtschafter ist klar, dass Steuersenkungen im Moment deutlich außerhalb der Möglichkeiten des Bundes sind. Zumindest wenn man die Neuverschuldung nicht noch weiter ausbauen will.
Zitat von LexxFW: "Da gilt es nicht nur Wahlversprechen der Partei (Steuersenkungen, Steuerstrukturreform) umzusetzen" ...oder zu brechen. Denn jedem halbwegs intelligenten Wirtschafter ist klar, dass Steuersenkungen im Moment deutlich außerhalb der Möglichkeiten des Bundes sind. Zumindest wenn man die Neuverschuldung nicht noch weiter ausbauen will.
Na ja, Kompromisse müssen in den Koalitionsverhandlungen ja gemacht werden. Und ein kürzer Treten bei den Steuererleichterungen kann man da ganz gut verkaufen. Ein bisschen weniger und die einzelnen Trippelschritte ein bisschen später als versprochen kann man immer noch als auf der Linie des Angestrebten verkaufen. Da müssen keine Prinzipien über Bord geworfen werden. Die Strukturreform und Steuersenkungen hatten sich sowieso alle 3 Parteien aufs Panier geschrieben, grossen Streit wird es da nicht geben. Der gemeinsame Gegner ist die Kassenlage. Wichtig ist, dass die kalte Progression eingedämmt wird (auch da sind sich alle 3 einig). Die FDP hat da immer noch die Ausrede, dass die miserable Kassenlage ja von der grossen Koalition hinterlassen wurde.
Schwierig wirds im Gesundheitsbereich. Merkel will den Gesundheitsfonds behalten, die FDP will ihn weg haben. Da kann nur ein fauler Kompromiss herauskommen. Die FDP wird sich mit kosmetischen Korrekturen abfinden müssen und kann hoffen, sich dafür woanders durchzusetzen (Wehrpflicht, Schäubles Überwachungsstaat, BW im Inneren?) Das könnte sich vertreten lassen.
Schwierig wirds im Gesundheitsbereich. Merkel will den Gesundheitsfonds behalten, die FDP will ihn weg haben. Da kann nur ein fauler Kompromiss herauskommen. Die FDP wird sich mit kosmetischen Korrekturen abfinden müssen und kann hoffen, sich dafür woanders durchzusetzen (Wehrpflicht, Schäubles Überwachungsstaat, BW im Inneren?) Das könnte sich vertreten lassen. FW
Natürlich öffnet Merkel nicht nach der Wahl die Themenschatulle der letzten Jahre und stellt sie zur Disposition. Ich glaube auch nicht mal, dass die Liberalen oder die CSU ein Interesse daran haben, dieses unliebsame Thema zu forcieren. Schliesslich muss man auch erstmal die ganze Admin auf die Beine stellen für diese Fondsgeschichte, da reicht nicht einmal eine Legislaturperiode für grössere Korrekturen.
In Antwort auf:Schliesslich muss man auch erstmal die ganze Admin auf die Beine stellen für diese Fondsgeschichte, da reicht nicht einmal eine Legislaturperiode für grössere Korrekturen.
Mehr Zeit werden sie aber nicht haben. Wenn die neue Regierung die 'Zumutungen' erst in drei Jahren aufs Tablett bringt, reibt sich Rot-Rot-Grün schon die Hände für einen dicken Wahlsieg.
Zitat von KaterAndererseits ist in ein paar Monaten Wahl in NRW und Rüttgers wird sich schön bedanken, wenn man jetzt dem Gegner in die Hände spielt. Und ohne NRW ist dann auch die Mehrheit im Bundesrat wieder weg. Gruss Kater
Richtig. Rüttgers hatte ja damals gegen die rot-grüne Stimmung im Bund gewonnen. NRW ist eigentlich rot und mit den nun zu erwartenden Massnahmen kann das neue SPD Parteiestablishment auf ein schönes Comeback hoffen. Die neue Bundesregierung wird bis dahin die wichtigsten Beschlüsse durchboxen, sonst wirds eng.