Das Thema ist zwar schon ein paar Tage alt und aus den Toplisten der news verschwunden. Aber nachdem ich gesehen habe, dass sich unser Irlandexperte Kliemann registriert hat, komme ich doch noch damit.
In einer ohne Manuskript auf deutsch gehaltenen (und für die anglophonen Zuhörer simultan übersetzten) Rede wollte der deutsche Botschafter Pauls einer Delegation deutscher Geschäftsleute ihr Gastgeberland nahebringen.
Dabei mokierte er sich u.a. über die „ungehobelten“ Iren und ihre Geldbessenheit, die katholische Kirche und das Gesundheitssystem.
Einen anwesenden irischen Abgeordneten muss das wohl ziemlich geärgert haben. Er machte die Sache öffentlich und löste einen Sturm der Entrüstung aus.
Eigentlich sind die Iren (wie die Briten) für ihren speziellen, gelegentlich derben Humor bekannt, der immer auch das Lachen über sich selbst mit einschliesst. Was hat der gute Mann da in den falschen Hals bekommen?
War die Simultanübersetzung so schlecht, dass die humoristische Intention nicht 'rüberkam – wie der Botschafter vermutet? Oder ist es ein Unterschied, ob man sich selbst auf den Arm nimmt statt ein Fremder, selbst wenn die Wortwahl die gleiche wäre? Oder schimmerte bei den Bemerkungen des Botschafters doch zu stark der Neid über die beispiellose Erfolgsgeschichte der Iren durch? Oder macht ein Diplomat einfach keine Scherze?
Vielleicht erklärt uns Kliemann die irische Sicht.
Ich kann Dir zumindest die Sicht eines Deutschen in der Schweiz sagen; Kritik an der Schweiz steht mir nicht zu. Da kann man 10 mal mehr Steuern zahlen als ein anderer Stadtbewohner, wer da nicht geboren ist hat sich mit Kritik gefälligst zurückzuhalten.
Für mich ist das natürlich ein wunderbares Einfallstor. Es macht ja nichts so sehr Spass wie einen Schweizer, zumal einen echten, mit seinem Nationalstolz hochzunehmen.
"Irlandexperte" Kliemann ist zwar registriert aber derzeit damit beschaeftigt, seine deutsche Verwandschaft auf Inselbesuch zu unterhalten.
Jene Worte des deutschen Botschafters waren durchaus treffend, jedoch dem Anlass entsprechend unpassend, da es sich um eine Art Werbeveranstaltung fuer unsere Insel handelte.
Die irische Gesellschaft befindet sich nicht zuletzt durch den relativ neuen, noch nie dagewesenen Reichtum, in einem Umbruch, der sich infast allen Bereichen des alltaeglichen Lebens wiederspiegelt: man faehrt nach Uebersee zum Urlauben und nicht zum arbeiten, jeder hat Geld und das Familienleben kommt erheblich kuerzer, der Einfluss der Kirche schwindet dramatisch, der Umgang der Leute untereinander wird "unpersoenlicher", die Jugend nimmt Drogen und urploetzlich gibt es Gastarbeiter.
Herr Pauls hat sich dazu verstiegen, negative Erscheinungen, die sehr wohl in Irland ausgiebig thematisiert werden, Gaesten im Land zu praesentieren, was man ihm offensichtlich gar nicht so uebel nimmt, und wofuer er in der hiesigen Presse viel Lob erntete.
Jedoch stimme ich DP im Tenor zu, wenn er sagt, dass man sich in dieser Situation mit Kritik auch haette etwas zurueckhalten koennen.
Ich werde mich naechste Woche mit unserem Honorarkonsul hier in Galway mal drueber unterhalten; den Pauls kenne ich nicht persoenlich.
Ansonsten moechte ich noch anmerken, dass dieses Forum hier hoffentlich wesentlich stabiler laeuft als Boardy.