Die lieb e Anne wird ja heute ziemlich in der Luft zerrisen. Zu Recht meine ich. Schon die Anwesenheit von Lafontaine führt unweigerlich zum fröhlichen Phrasendreschen.
Ich muss echt sagen, dass das gestern so ziemlich die mieseste Talkshow seit Jahren war.
DP schrieb am 07.04.2008 11:52
Die lieb e Anne wird ja heute ziemlich in der Luft zerrisen.
Dazu kommt noch der Spiegel - auch nicht besser. Mir reichen eigentlich die Kritiken, da verplämpere ich keine Zeit vor dem TV, kann mich amüsieren und weiss, dass ich nichts versäumt habe.
Im Spiegel stand vor Wochen mal was kluges zu Will und Polit-Talkshows:
Im Talkshow-Mutterland USA würde niemand, kein Macher und kein Zuschauer, eine Talkshow als etwas anderes als Unterhaltung ansehen. Interessante These: Vielleicht kann eine Talkshow vom Naturell her nicht unendlich informativ, ausgewogen und seriös sein.
Dies mal als Ansatz und den guten alten Erich Böhme im Hinterkopf, der seine Zuschauer und Gäste nie damit quälte, beflissen informativ und ausgewogen sein zu wollen, sondern einfach plauderte und allenfalls mal mäßigte... Aber auf sowas kommen die beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht in hundert Jahren.
Jauch wird noch heuer jeden Sonntag drei Kreuze machen, dass er sich nicht für diesen Affenzirkus einspannen ließ.
Spock:
Gibt es in den USA Polit-Talkshows?
Das typische Nachmittagsprogramm sieht schließlich auch hierzulande niemand als etwas anderes als als Unterhaltung.
Ich bin kein US-Experte, aber interessiere mich immer sehr für das mediale Angebot, wenn ich mal dort bin. So etwas wie Will oder Christiansen habe ich noch nie in den USA gesehen, jedenfalls nicht mit dem Anspruch, ernst genommen zu werden. Allenfalls religiöse und sonstige Fanatiker liefern sich Wortgefechte politischen Inhalts (wenn man das so nennen will) in derartigen Shows.
Ansonsten gibt es eher seriöse 1:1 Interviewsendungen, wie es die Maischberger mal auf n-tv gemacht hat oder kleine Gesprächsrunden mit 2-3 Teilnehmern. Die sind aber weit vom ARD-Affenzirkus oder auch Kerners Darbietungen entfernt. Kerner wäre wohl in Amerika noch dort, wo er herkam: In den Nachmittagsshows.
Die Polittalks leben natürlich auch davon, dass es herausragende, viele Menschen bewegende aktuelle Themen gibt. Die 5. Runde zu Hartz IV oder Managergehältern mit möglichst immer den gleichen Teilnehmern reisst da niemanden vom Stuhl. Da können Will, Illner & Co. sich so anstrengen wie sie wollen.
So wie diese Woche - tote Hose im Nachrichten- und Skandalgewerbe. In ihrer Not verfallen sie dann auf so umwerfende Themen wie Casting-Shows und Diskussionsteilnehmer wie Kübelböck. Die Qutoen-Quittung folgt da zwangsläufig auf dem Fuss. Und die Seriositätsabgrenzung, auf der ARD & ZDF so eifersüchtig bestehen, beginnt zu schwimmen. Das geht dann schon bedenklich Richtung Vormittags-Trash-Talk. Besonders die Maischberger ist da anfällig für. Wenn die eine brave Putzfrau einlädt, deren Mann morgens nicht aus dem Bett kommt, dann ist das RTL/SAT1 Vormittags-Talk reinsten Wassers.
Also ich hatte den Eindruck, dass auch bei herausragenden Themen Schwachsinn geredet wird. Der Quote mag es helfen, der Qualität nicht. Und wenn dann noch der Frustrationseffekt beim Zuschauer am Ende der Sendung einsetzt, schaltet er das nächste Mal auch beim guten Thema nicht mehr ein.
Hab mir gestern mal wieder Will angetan, weil der Tatort so gross angekündigt wurde.
Ihr Clou, von der Union die Sozial- und von der SPD die Finanz- und Wirtschaftspolitiker einzuladen verpuffte, weil gerade die Sozialen nur Mist laberten. Ganz schlimm, wirklich übelst der als Wirtschaftswissenschaftler angepriesene Rudolf Hickel, der seine Aufgabe allein darin sah, den Abend über mehr zu fordern; mehr Rente, mehr Lohn, mehr Mindestlöhne, höhere Mindestlöhne, weit höhere Löhne, weit höhere Renten, höhere Hartz IV Bezüge. Alles andere war dann 'ein Skandal' für ihn. Genial wiedermal: Thilo Sarrazin. Man freut sich ja schon, wenn es einen Menschen gibt, der die Definition des Wortes Armut weiss ('die Verdoppelung aller Gehälter würde keinen einzigen Armen weniger bedeuten'). Überhaupt war die Sendung auf Sarrazin zugeschnitten; um ihn herum sassen mit Laumann, Hickel und Cindy von Marzahn weinerliche Betroffenheitsmenschen, die den Dauer Skandal beschwörten, dass weite Teile Deutschlands in Armut dahin vegetierten. Während Sarrazins Einwürfe, dass Harzt IV deshalb so knapp bemessen ist, weil es einen spürbaren Übergang zur bezahlten Arbeit geben muss, schnell weggeätzt wurde ('Ick will mir ja ooch im Leben schliesslich wat schönes koofen') wurden Hickels neuerliche Rufe nach mehr Geld lange und ausgiebig beklatscht.
Man mochte ihm gern zurufen; halte durch, Thilo!
Ja, der Sarrazin. Klar ist er gelegentlich herzerfrischend offen. Derzeit karikiert er die Managergehälter-Pläne seiner Partei als "lustige Nummer" und "klassische Symbolpolitik".
Aber sein kauziger Kultstatus (siehe Spiegel) mindert seine Durchschlagskraft doch erheblich. Er wird am Hof der aufrechten Kämpfer für soziale Gerechtigkeit geduldet wie einst der gute alte Hofnarr.
Wenn der Hickel irgendwo eingeladen ist, ist das ein guter Grund, ab- oder gar nicht einzuschalten.
Gruß, Martin
PS: Habe den Tatort gesehen und fand ihn - im Gegensatz zu anderen - ganz gut. Allerdings scheint es bei den Krimis in Mode zu kommen, Polizei und sogar die Ermittler selbst zu Übeltätern, bzw. quasi-Opfern zu machen.
Ich hab die Sendung nur teilweise gesehen. Man muss aber schon sagen, dass da gestern sehr gute Dinge gesagt wurden. Zum Beispiel, dass man nicht immer alles bei der Politik abladen kann - für die hohen Managerabfindungen (um die Gehälter gings ja eigentlich garnicht) sei zunächst mal der Aufsichtsrat verantwortlich, in dem auch Gewerkschaften säßen.
Man muss halt nur das Kampfgegacker der Streithähne rausfiltern. Die meisten m.E. guten Äußerungen kamen von Sarrazin.
MartiS2 schrieb am 03.06.2008 21:20
Läuft in unserer politischen Republik alles aus dem Ruder?
Zitat:
Damit hatte sie Äpfel und Toastbrote miteinander verglichen. Sie hatte nämlich Vermögen (hier in Form von Schulden) und Gewinn, zwei völlig unterschiedliche Dinge gleichgesetzt
...
Anne Will, die selber Medienunternehmerin ist (Kapitalistin) müsste soviel Grundwissen von Buchhaltung haben, dass sie eine Vermögensaufstellung von einer Einnahme-Überschussrechnung unterscheiden kann.
Der Autor des Textes ist wohl etwas naiv, wenn er voraussetzt, dass Unternehmer irgendein Grundwissen haben (muessen).
Und die Unternehmerin hat anscheinend kein Grundwissen.
Alltag, ja. Aber was hat das mit Politik, Republik und aus dem Ruder Laufen zu tun?
Soll eine Eignungspruefung fuer Unternehmer eingefuehrt werden?! Dann gibts aber wohl kaum noch Unternehmen...
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