Man wusste schon lange, die hessische Links-Opposition wollte die Studiengebühren abschaffen. Nach der letzten Wahl, nennnen wir sie mal "durchwachsen", waren sie immerhin dazu in der Lage und haben das auch in den Landtag eingebracht. Seit gestern lesen wir nun, die haben die Studiengebühren per Abstimmung im Landtag abgeschafft, aber das Gesetz, über das abgestimmt wurde, enthielt einen "handwerklichen Fehler". Der wichtigste Satz (ohne dass er benannt worden wäre) fehlte. Die Linken beschimpfen nun Koch, Koch beschimpft die Linken.
a) Aus Sicht der Linken: Die wollen die Studiengebühren abschaffen, aus welchen Gründen auch immer (es gehörte jedenfalls zu ihrem Wahlprogramm), und haben wenig Erfahrung mit der Erstellung eines Gesetzestextes. Sie hoffen auf Unterstützung aus der dazu berufenen Staatskanzlei oder Abteilung oder Ähnlichem. Machen einen dusseligen Fehler (nämlich den wichtigsten Satz [ohne dass er in den Zeitungen benannt worden wäre] zu vergessen), und laufen in ein offenes Messer. Satz vergessen, Gesetz tot.
b) Aus Sicht der Rechten: Die hessische CDU ist zweifelsohne gegen die Abschaffung der Studiengebühren, aus welchen Gründen auch immer (es war kein Thema in ihrem Wahlprogramm, aber sie haben die Gebühren kurz zuvor selbst eingeführt), haben aber viel Erfahrung mit der Erstellung von Gesetzestexten. Sie bekommen eine Vorlage auf den Schreibtisch und helfen der Opposition nicht aus der Bredoullie. Wäre ich Koch, so hätte ich die Ypsilanti angerufen, einen dreckigen Scherz gemacht (Oh man bist du doof), hätte aber doch dafür gesorgt, dass dieses Gesetz durchkommt.
Ich selbst bin zwar der Meinung, dass es Studiengebühren geben sollte, aber das wollte ich nicht zum Thema machen. Vielmehr prangere ich an, dass wir hier ein schönes Beispiel erleben, mit dem uns die Parteien in's Nichtwählertum hinein treiben. Die Linken wollen Studiengebühren loswerden, haben dies auch immer gesagt und haben nach der letzten Wahl auch ganz unbestritten die Mehrheit, um dies durchzusetzen. Das Ding lief also mit Ansage, und ist demokratisch gewählt, um nicht zu sagen geradezu folgerichtig. Der amtierende MiPrä nutzt aber die Dummheit der Linken aus, um sie in's offene Messer rennen zu lassen.
Meine Frage ist nun: Wieviel soll ich mir als simpler Wähler von unseren Politikern eigentlich gefallen lassen, um nicht zur Partei der Nichtwähler überzulaufen? Die einen sind zu doof und die anderen nutzen die Dummheit aus, um daraufhin auch noch eine Medienkampagne der einen gegen die anderen zu starten. Beide fühlen sich in dieser Kampagne wohl, wobei beide das vergessen, was ich als Bürger dieses Landes als erstes verlange: Dass nämlich die Tätigkeit unserer regierenden Parteien irgendeine Zielrichtung für das Leben der Bürger unterstützt. Über die jeweilige Zielrichtung darf man sich dann ja gerne streiten und man sollte das sogar auch; das macht für mich Demokratie aus. In diesem hessischen Beispiel sehen wir jedoch, dass die Parteien nur noch für die Medien arbeiten; sie produzieren und behandeln ein Thema, um ihre Argumente in den Medien zu präsentieren, nicht jedoch, um zu einer Entscheidung zu kommen, denn offenbar ist Links wie Rechts egal, ob es nun Studiengebühren gibt oder nicht.
Der Fall Hessen zeigt mir aber deutlich, dass ich zwingend zum Nichtwähler werden muss. Wo ich früher anderen Leuten sagte "Wählen ist besser als Nicht-Wählen", frage ich mich mittlerweile, wozu ich solche Sprüche loslassen soll. Letzendlich kommt bei mir heraus, dass Koch sein Image als Arschloch pflegt, die Ypsilanti ihr Image als Dummbeutel pflegt, sich aber keiner der beiden um das kümmert, was ich unter dem Begriff "Politik" verstehe.
Die Verlockung, Ypsilantis Steilvorlage zu nutzen war halt zu gross.
Aber weiter bringt das Koch auch nicht. Die Studiengebühren werden halt im 2. Anlauf abgeschafft und eine Mehrheit zur Auflösung des Landtags und damit Neuwahlen hat er auch nicht.
Eine Werbung für höhere Wahlbeteiligung war das ganze sicher nicht. Aber ist das so schlimm?
Wir hatten vor 2 Wochen Kommunalwahlen in S-H (hat das überhaupt jemand gemerkt im Rest der Republik?) mit einer Beteiligung von unter 50%. Mein Trost: Meine Stimme zählt dadurch quasi doppelt.
Für Koch stellte sich hier die Frage; die Politik als Ganzes schlecht aussehen zu lassen (und das Gesetz zu kippen) oder den Linken ihren Erfolg zu gönnen.
Vielleicht kann Koch hierdurch nicht gewinnen und mit den Grünen hat ers sich wohl endgültig verscherzt aber während die Union hier nur partiell schlecht aussieht ist das für die Oppositionsführerin natürlich ein Desaster ohnegleichen und passt in ihre von Pleiten und Pannen geprägte Führung. Ich kann Koch verstehen, dass er da nicht nein sagen konnte und im nachhinein genüsslich berichtete, dass ihm der Fehler vorher bekannt war, ihn aber niemand von den 3 Parteien konsultierte, wie er es anbot.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell Ereignisse als Anlass genommen werden, gar nicht mehr wählen zu gehen.
So, als ob unser demokratisches System gerade beim Kippen wäre.
Koch hat gezeigt, dass sein Kreidefressen keine langfristigen Wirkungen hat.
Sein Ziel scheint Neuwahlen zu sein, die natürlich von SPD und Grünen nicht gewollt werden.
F-W schrieb am 08.06.2008 11:22
...
Wir hatten vor 2 Wochen Kommunalwahlen in S-H (hat das überhaupt jemand gemerkt im Rest der Republik?)...
FW
Zum Rest komme ich vielleicht später, aber um auf diese Frage zu antworten: Nein.
Meinst du wirklich Kommunalwahlen wie die, wo zuletzt diskutiert wurde, weshalb ein SPD-Fuzzi in Aschaffenburg oder Ingolstadt oder so gegen einen aus irgendeiner Opposition ausgetauscht wird, und wo dann gesagt wurde, Bayern ginge zugrunde daran? Wenn ihr sowas in S-H hattet, dann tut es uns wirklich leid.
ich glaube, dass ihr Parteipolitik betreibt, wenn ihr hier die Parteistrategien beschreibt, ob von Koch, der Ypsilanti, dem Al-Green oder sonstwem. Ich hingegen bin so frech zu behaupten, dass einem nichts anderes übrig bleibt, als gar nichts zu wählen, egal, ob man nun tendenziell CDU- oder SPD-Anhänger ist. Und das nicht aus einem Gefühl heraus des "Mir-fällt-nichts-besseres-ein", sondern anhand des ganz klaren Beispiels, wonach den Volksparteien es gänzlich Wurscht ist, ob es Studiengebühren gibt oder eben nicht. Die kümmern sich nicht darum, diskutieren aber darüber. Die Diskussion ist der Zweck des ganzen, das Resultat ist aber egal.
Es geht mir also um den Beweis, dass man nichts mehr wählen darf. Das hat nicht viel zu tun mit der Strategiediskussion, die ihr ja gerne betreibt. Wenn die Politik uns Wählern ein dermassen klares "Ist-mir-doch-egal" vorsetzt, dann kann man keinen von denen mehr wählen.
Die Linken wollen Studiengebühren loswerden, haben dies auch immer gesagt und haben nach der letzten Wahl auch ganz unbestritten die Mehrheit, um dies durchzusetzen. Das Ding lief also mit Ansage, und ist demokratisch gewählt, um nicht zu sagen geradezu folgerichtig. Der amtierende MiPrä nutzt aber die Dummheit der Linken aus, um sie in's offene Messer rennen zu lassen.
Wenn sie das wollen, dann sollten sie auch in der Lage sein, eine adäquaten vollständigen Gesetzestext abzufassen. Übrigens behaupten die Linken zumindest, die fehlende Passage wäre durch einen technischen Fehler aus dem Dokument verschwunden. Also nix mit handwerklichem Fehler und Hilfe durch die Staatskanzlei.
Für mich hat Koch hier völlig richtig gehandelt, er hat damit mein Vertrauen in die Demokratie eher bestärkt. Das Gegenteil wäre der Fall gewesen, hätte er an einem krummen Gesetz, gegen dessen Inhalt sich seine Partei definitiv aussprach, zum Inkrafttreten verholfen.
Davon abgesehen haben die Linken auch noch die Gebühren für Langzeitstudierer gekippt. Auf Hessens Hochschulen und den dafür geradestehenden Steuerzahler kommen rosige Zeiten zu.
Kodo schrieb am 08.06.2008 12:20
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell Ereignisse als Anlass genommen werden, gar nicht mehr wählen zu gehen.
So, als ob unser demokratisches System gerade beim Kippen wäre.
Koch hat gezeigt, dass sein Kreidefressen keine langfristigen Wirkungen hat.
Sein Ziel scheint Neuwahlen zu sein, die natürlich von SPD und Grünen nicht gewollt werden.
Das verstehe ich nicht. Nach dem von mir benannten Beispiel muss man zum Nichtwähler werden, rein logisch gesehen. Aber davon geht unser demokratisches System doch nicht zugrunde. Oder meinst du das so, Kodo?
Flecki5 schrieb am 08.06.2008 03:37
Der Fall Hessen zeigt mir aber deutlich, dass ich zwingend zum Nichtwähler werden muss. Wo ich früher anderen Leuten sagte "Wählen ist besser als Nicht-Wählen", frage ich mich mittlerweile, wozu ich solche Sprüche loslassen soll. Letzendlich kommt bei mir heraus, dass ... sich aber keiner der beiden um das kümmert, was ich unter dem Begriff "Politik" verstehe.
Man darf nicht mehr wählen unserer Tage.
Naja, es gibt noch ein paar Parteien mehr, die man waehlen koennte. Man muss sich nicht unbedingt auf die viereinhalb Klassiker beschraenken...
Grosse Koalitionen, bzw. so ein Abklatsch davon in Hessen, spornt deren Wähler nur selten an zur Urne zu gehen, das liegt in der Natur der Sache. Ein Teil geht immer an die Nicht- und Wechselwähler verloren, weshalb solche Konstellationen immer nur auf Zeit geschmiedet werden.
Und deswegen brauchen wir DRINGEND Volksentscheide auf Bundes- und Landesebene (Bayern hat übrigens welche). Das allerdings wird von den Volksparteien konsequent gegen den Willen der Mehrheit verhindert. Dieser Stachel in meiner Begeisterung für die deutsche Demokratie schmerzt ungemein.