Ich habe das immer verstanden, wenn Wirtschaftsexperten gesagt haben, kein Staat kann sich mit Konjunkturprogrammen gegen eine weltweite Rezession stemmen.
Nun bejubeln Wirtschaft und Finanzwelt die dreistelligen Milliardenbeträge, die alle Wirtschaftsnationen in ihre maroden Bankensysteme pumpen. Die Kritik der Wirtschaftsexperten hierzu hält sich indes doch sehr in Grenzen.
An der Stelle kommen mir doch Zweifel, wenn ich überlege, wieviele reale dringend nötige Projekte man 500 Mrd. Euro in Deutschland umsetzen könnte. Das könnten jahrzehntelang verschobene Infrastrukturmaßnahmen sein, die Sanierung maroder Universitäten, usw. Das brächte unserer Gesellschaft eine reale Dividende ein und würde, zumindest für die Umsetzung Arbeitsplätze schaffen.
Was ist nun so falsch an der Forderung der Linken und Gewerkschaften an einem Konjunkturprogramm, wenn die Finanzwelt doch ihres auch bekommt?
Ich verstehe das ja so, dass diese 500 Mrd € nicht komplett als reales Geld zu verstehen sind, sondern zum einen als Bürgschaft (um die Glaubwürdigkeit der Banken zu erhöhen), zum anderen auch als Masse um gegebenenfalls Ausfälle durch faule Risiken bei den Banken zu übernehmen.
Ein weiterer Teil fließt als kurzfristige Kredite in die Banken, werden aber nach ganz kurzer Zeit wieder zurückgezahlt (und existieren eher als Computerzahlen als als "echtes" Geld) und dann der nächsten Bank wieder zur Verfügung gestellt.
Anders ausgedrückt, die Notenpresse wird nur bedingt in Gang gesetzt werden müssen und das auch noch mit zeitlicher Verzögerung. (Wobei ich jetzt davon ausgehe, dass diese Massnahmen letztendlich greifen und die Bürgschaften nicht bedient werden müsssen und das ausgeliehene Geld auch wieder - ggf. mit Zinsen - wieder zurückgebucht wird)
Bei einem echten Konjunkturprogramm muss ja auch "echtes Geld" in die Hand genommen werden, es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden etc, das dauert, und steht in keinem Zusammenhang mit der jetzigen Situation.
Der Großteil der Gelder geht an die vier Millionen Rentner, die 4,8 Milliarden Dollar erhalten. Ein alleinstehender Rentner wird im Dezember eine Einmalzahlung von 1.400, ein Rentnerpaar von 2.100 Dollar erhalten. Wer einen alten Menschen pflegt, wird 1.000 Dollar erhalten. 3,9 Milliarden gehen an Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die Kinder haben. An die Familien der 3,8 Millionen Kinder wird pro Kind ein Betrag von 1.000 Dollar ausgezahlt. Und einen weiteren dicken Brocken erhalten diejenigen, die ein Haus bauen.
wären gerade nicht meine Vorstellungen gewesen. Mir ginge es um nachhaltige Maßnahmen.
Teilweise hat WRL natürlich recht. Diese 400 Mrd werden hoffentlich nie in die Hand genommen werden müssen.
Andererseits werden ja immer noch 70 Mrd einfach mal so freigegeben, die dann gegebenenfalls verteilt werden, nach Kriterien, die bisher vollkommen unklar sind.
Es ist schon interessant zu sehen, welche Summen mal eben für irgendwelche Bankpleiten (das Thema kommt ja regelmässig hoch) in die Hand genommen werden, während man bei den Kindergärten und Schulen faktisch kürzt.
die Billionen, die in die Bankensysteme gehen, sind eine Notmaßnahme, ohne die die 'Realwirtschaft' zusammenbräche. Es geht nicht mehr um die Rettung von Banken, sondern um die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs, ohne den weder Handel funktioniert, noch Deine Gehaltsauszahlung, noch die Kreditkarte. Die Regierungen werfen ihre ultimative Möglichkeit, uns Steuerzahler für ihre Verpflichtungen heranzuziehen, als vertrauensbildende Maßnahme in den Pool der Kreditwirtschaft, um den Zahlungsverkehr nicht zusammenbrechen zu lassen. Noch haben die Regierungen das Vertrauen, notfalls für ihre Schulden aufzukommen (Island nicht mehr, einige andere Länder wackeln).
Konjunkturprogramme wären eine stützende Maßnahme, Geld in die Wirtschaft (oder zum Endverbraucher) zu pumpen, um die Wirtschaft kurzfristig zum Laufen zu bringen. Mittelfristig dürfte diese Maßnahme zur Katastrophe führen, der Preis wäre eine wohl nicht mehr kontrollierbare Inflationsspirale. Das Kalkül bei Konjunkturprogrammen ist zwar, eine zum Ende des Geldsystems führende Deflation zu verhindern, man triebe aber nur den Teufel mit dem Beelzebub aus. Bleibt also höchstens Zeitgewinn, oder die Hoffnung, dass die Bevölkerung Inflation weniger kritisch wahrnimmt.
Nimm die gewaltigen Summen einfach als Zeichen der Verzweiflung und der Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ich vermute, dass Dir momentan niemand den Weg aus dem Dilemma beschreiben kann. Da ist dann notfalls auch egal, ob man nochmals ein paar hundert Milliarden irgendwo hineinpumpt.
Man sollte bei dieser riesigen Summe eins nicht vergessen:
Was es den Staat am Ende tatsächlich kostet ist vollkommen unklar. Die 400 Mrd. Bürgschaft und Garantien werden im besten Fall ja überhaupt nicht bezahlt werden müssen.
Aber auch die anderen 80 Mrd. € sind nicht verloren. Es wird schließlich kein Geld verschenkt, sondern mit den 80 Mrd. € werden Bankaktien und Derivate gekauft. Im besten Fall macht der Staat am Ende durch die Bürgschaftsgebühren, Kurssteigerungen bei den Beteiligungen und Wertsteigerungen bei den Derivaten sogar Gewinn in Millardenhöhe und kann gleichzeitig den Banken ins Handwerk pfuschen (Vorstandsgehälter und Prämien).
Es ist schon interessant zu sehen, welche Summen mal eben für irgendwelche Bankpleiten (das Thema kommt ja regelmässig hoch) in die Hand genommen werden, während man bei den Kindergärten und Schulen faktisch kürzt.
Gruss
Kater
Naja wenn das Kindergartensystem zusammenbricht organisiert man die Oma oder ein paar Eltern schliessen sich zusammen. Wenn das Bankensystem zusammenbricht dann wird der Zahlungsverkehr eingestellt und die Wirtschaft kollabiert. Langfristig ist es für alle besser wenn wir die Banken pampern, auch wenn es einen gegen den Strich geht, dass die Geldsäcke in guten wie in schlechten Zeiten die Kohle vorn und hinten reingesteckt bekommen.
Lexx schrieb am 17.10.2008 09:39
Man sollte bei dieser riesigen Summe eins nicht vergessen:
Was es den Staat am Ende tatsächlich kostet ist vollkommen unklar. Die 400 Mrd. Bürgschaft und Garantien werden im besten Fall ja überhaupt nicht bezahlt werden müssen.
Aber auch die anderen 80 Mrd. € sind nicht verloren. Es wird schließlich kein Geld verschenkt, sondern mit den 80 Mrd. € werden Bankaktien und Derivate gekauft. Im besten Fall macht der Staat am Ende durch die Bürgschaftsgebühren, Kurssteigerungen bei den Beteiligungen und Wertsteigerungen bei den Derivaten sogar Gewinn in Millardenhöhe und kann gleichzeitig den Banken ins Handwerk pfuschen (Vorstandsgehälter und Prämien).
Lexx,
der Staat kann den Banken kaum ins Handwerk pfuschen, die Anteile, wenn überhaupt sind ohne Stimmrecht. Der Staat kann also höchstens von einer Gesundung der Anteile profitieren.
Man darf aber bei dem ganzen Kalkül nicht vergessen, dass eine so öffentlich verkündete Bürgschaft dazu einlädt, seine faulen Assets risikolos genau dort abzuladen, wo der Staat dafür garantiert. Und wer will Lonestar davon abhalten, aus seiner neuen IKB Beteiligung Kapital abzuziehen, und diese dann Pleite gehen zu lassen? Gehe davon aus, dass einige Institute und Fonds so verzweifelt nach Kapital suchen, dass Wildwestmethoden zum Normalfall werden. Island klagt jetzt gegen die britische Regierung, weil die Briten unter Anwendung ihrer Antiterrorgesetze die Konten einer isländischen Bank gesperrt haben.
An der Stelle kommen mir doch Zweifel, wenn ich überlege, wieviele reale dringend nötige Projekte man 500 Mrd. Euro in Deutschland umsetzen könnte. Das könnten jahrzehntelang verschobene Infrastrukturmaßnahmen sein, die Sanierung maroder Universitäten, usw. Das brächte unserer Gesellschaft eine reale Dividende ein und würde, zumindest für die Umsetzung Arbeitsplätze schaffen.
Was ist nun so falsch an der Forderung der Linken und Gewerkschaften an einem Konjunkturprogramm, wenn die Finanzwelt doch ihres auch bekommt?
Also es wurde ja schon festgestellt, dass die 500mrd kein Konjunkturprogramm für Banken sind sondern dieser Notfallfonds den Zahlungsverkehr sichern helfen soll. Die 1,irgendwas Billionen Euro Sparkapital, die die Bundesregierung verbal abgesichert hat, nimmt ja auch niemand in die Hand und keiner würde von neinem Konjunkturprogramm für Sparer sprechen.
Doch die Frage bleibt: Krise als Chance, was kann man jetzt draus machen? Ich denke, jetzt kann man vor allem viel falsch machen. Sanierung maroder Universitäten oder verschobener Autobahnen in Ehren, aber das sind Projekte, die man unabhängig von Krisen je nach Haushaltslage finanzieren sollte.
Jetzt wäre die Chance, den Sparstift anzusetzen. Alle Projekte, die nicht investiv sondern konsumptiv sind sollten jetzt auf den Prüfstand also Renten, Kindergeld, Steuererleichterungen usw. Jetzt wäre eine wunderbare Chance für den Staat sich gesund zu schrumpfen. Die Rohstoffe werden eh billiger. Wer jetzt die richtigen Massnahmen trifft steht in einem Jahr womöglich besser da als vor der Krise.
"Naja wenn das Kindergartensystem zusammenbricht organisiert man die Oma oder ein paar Eltern schliessen sich zusammen."
Das Kindergarten- und Schulsystem IST zusammengebrochen. Oder wie willst Du die hohe Zahl der Kinder ohne Abschlüsse, oder mit miserablen Hauptschulabschlüssen sonst bewerten. Und offensichtlich klappt das mit den Eltern und Omas nur bei den besser begüterten.
Und der Spass kostet uns langfristig ebenfalls Milliarden. Dennoch wird dort immer noch drastisch gespart.
" Wenn das Bankensystem zusammenbricht dann wird der Zahlungsverkehr eingestellt und die Wirtschaft kollabiert. Langfristig ist es für alle besser wenn wir die Banken pampern, auch wenn es einen gegen den Strich geht, dass die Geldsäcke in guten wie in schlechten Zeiten die Kohle vorn und hinten reingesteckt bekommen."
Wenn ich mir die Summen und den Schaden ansehe, würde ich das mindestens vergleichbar finden.
Wir reden im einen Fall davon, dass man trotz der Katastrophe Geld rauszieht und im anderen Geld reinpumpt.
Es mag ja sein, dass an den Milliarden für das Banksystem kein Weg vorbeiführt. Dennoch ist es befremdlich, wie die Prioritäten in Deutschland gesetzt werden. Eine mögliche Bankpleite führt innerhalb von Tagen zum Ausschütten fast beliebiger Summen, wogegen die Schul- und Kindergartenpleite allenfalls für ein paar Kommentare bei Christiansen reichen.
"Jetzt wäre die Chance, den Sparstift anzusetzen. Alle Projekte, die nicht investiv sondern konsumptiv sind sollten jetzt auf den Prüfstand also Renten, Kindergeld, Steuererleichterungen usw. Jetzt wäre eine wunderbare Chance für den Staat sich gesund zu schrumpfen."
Ähem, wie willst Du das denn den Wählern ein Jahr vor der Wahl klarmachen ?
DP schrieb am 17.10.2008 10:04
Jetzt wäre die Chance, den Sparstift anzusetzen. Alle Projekte, die nicht investiv sondern konsumptiv sind sollten jetzt auf den Prüfstand also Renten, Kindergeld
kater_5 schrieb am 17.10.2008 10:09
"Jetzt wäre die Chance, den Sparstift anzusetzen. Alle Projekte, die nicht investiv sondern konsumptiv sind sollten jetzt auf den Prüfstand also Renten, Kindergeld, Steuererleichterungen usw. Jetzt wäre eine wunderbare Chance für den Staat sich gesund zu schrumpfen."
Ähem, wie willst Du das denn den Wählern ein Jahr vor der Wahl klarmachen ?
Gruss
Kater
Gar nicht, ich hab ja keine. Frau Thatcher hat es vorgemacht; mit einer rigorosen Sparpolitik hat sie das marode Grossbritannien wieder ins europäische Mittelfeld geführt. Das haben schliesslich auch die Wähler honoriert. Aber dafür gehts den Deutschen noch viel zu gut.
Sanierung maroder Universitäten oder verschobener Autobahnen in Ehren, aber das sind Projekte, die man unabhängig von Krisen je nach Haushaltslage finanzieren sollte.
Jetzt wäre die Chance, den Sparstift anzusetzen.
Rotstift bei konsumptiven Ausgaben, wie du sie nennst - ja. Aber m.E. eben nicht bei den investiven Projekten.
Nicht nur die Rohstoffpreise sinken ja in Krisenzeiten, sondern z.B. auch die Baupreise. Der Staat sollte den Spielraum haben, nötige langfristig wirksame Investitionen in konjuntkurell schlechten Zeiten zu tätigen. Damit kann er zum einen Geld sparen und zum anderen die Auswirkungen der schlechteren Konjunktur abmildern.