Clever ausgedacht; ein englischer Verleger geht in die Archive, kopiert die Tageszeitungen von vor 70 Jahren und verkauft die Faksimiles am Kiosk. Dumm nur, dass die 30er Jahre zwar eine spannende aber auch eine belastete Zeit sind und die dortigen Zeugen recht zweifelhaft. Die Ausgaben bestehen meist aus einer Kommunisten- einer bürgerlichen und einer Nazizeitung.
Nun hat das Amtsgericht München die Zeitschrift verboten. Aus zweierlei Gründen; 1. sieht sich das Land Bayern als Rechtsnachfolger der Zeitschriften und sieht in dem Abdruck eine Urheberrechtsverletzung. Dies wird nun vor Gericht geklärt (ihr kennt ja sicher noch die Geschichte mit dem Reichsverweser, der auch hier bei uns vor sich hin verweste).
Spannender ist aber die Frage, ob solche Nachdrucke überhaupt erlaubt sind. Das Nazimachwerk Jud Süss darf sich anschauen, wer dazu einen Vortrag erhält mit entsprechenden Kommentaren. Die "Zeitungszeugen" kommen kommentiert heraus, aber reicht das oder gilt der Abdruck schon als Nazipropaganda? Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisiert: "Die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda wird hier billigend in Kauf genommen. Die Beilagen sind aus dem Mantelteil der Zeitung leicht herausnehmbar. Sie liegen lose bei. Sie können aus dem Zusammenhang gerissen und von Neonazis missbraucht werden. Für eine geschichtliche, wissenschaftliche Auseinandersetzung ist eine solche Gestaltung nicht notwendig."
Nun, wer sich diese Zeitungen mal anschaut wird sicher rasch feststellen, dass das Potenzial für Propaganda soch ist wie der Abdruck des ND aus dem Jahre 1955. Ich fände solche Sachen eher hilfreich, um den ganzen Nazimist zu entmythifizieren. Sind wir schon soweit?
Wer glaubt, sein Volk vor so etwas schützen zu müssen, hält es offenbar für blöde.
Ich hatte selber schon alte Zeitungen aus dieser Epoche in der Hand. Meine Haupterkenntnis war, dass der deutsche Alltag auch unter den Nazis erschrecken banal war. Da standen viele Sachen, die - sicher sprachstilistisch anders - auch heute in der Zeitung stehen. Will uns die CSU-Ministerin vor dieser Erkenntnis schützen? Also immer noch keine Entmystifizierung?
Immerhin wurden in meiner Jugendzeit die ganzen alten Deutschen Wochenschauen der Nazis komplett und ungeschnitten im Fernsehen gezeigt - mit neuem Kommentar nur hintendran. Ich fand das immer sehr spannend und mir war trotz der Unreife 100% klar, dass das üble Propaganda ist.
Naja, man befürchtet wohl, dass die aktuellen Propagandalügen als schlichte Wiederverwertung alter Propagandalügen entlarvt werden:
Zitat:
Der aufklärerische Wert eines kompletten Neudrucks alter Zeitungen liegt vor allem darin, dass sie auch ganz triviale Meldungen und Werbung enthalten und auf diese Weise zeigen, dass sich der Alltag im Nationalsozialismus in mancher Hinsicht gar nicht so drastisch von dem der Menschen zu Anfang des 21. Jahrhunderts unterschied. Auf diese Weise können sie die Sensibilisierung für Strukturen und Funktionsweisen von Propaganda schärfen.
Das gilt auch für andere Medien: Im dem nur in wissenschaftlichen Instituten zugänglichen "Vorbehaltsfilm" Heimkehr von Gustav Ucicky wird beispielsweise auf eindrucksvolle Weise deutlich, dass der Einmarsch in Polen von der nationalsozialistischen Propaganda durchaus weniger als offener Eroberungsfeldzug zur Versklavung oder Ausrottung von "Untermenschen" verkauft wurde, sondern – ganz im Gegenteil - als "humanitäre Intervention" der Wehrmacht, durch welche die deutsche Minderheit in praktisch letzter Sekunde einem von den Polen geplanten und bereits begonnenen Völkermord entging.
Im 21. Jahrhundert steht dem Betrachter von Heimkehr anders als in den 1940er Jahren des 20. ein Kontext aus einer Vielzahl anderer Medien zur Verfügung, so dass er die "humanitäre Intervention" unschwer als Propagandalüge erkennen kann - eine Wahrheit, die auch für die in "Zeitungszeugen" veröffentlichten alten Zeitungen gilt.
„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Spock schrieb am 27.01.2009 11:26
Immerhin wurden in meiner Jugendzeit die ganzen alten Deutschen Wochenschauen der Nazis komplett und ungeschnitten im Fernsehen gezeigt - mit neuem Kommentar nur hintendran. Ich fand das immer sehr spannend und mir war trotz der Unreife 100% klar, dass das üble Propaganda ist.
Echt? Ich erinnere mich nur an den DEFA Augenzeugen, die Kino Nachrichten für alle ohne Fernseher. Sprache und Propaganda war so ziemlich 1:1 zur Wochenschau der 30er.
Spock schrieb am 27.01.2009 11:26
Immerhin wurden in meiner Jugendzeit die ganzen alten Deutschen Wochenschauen der Nazis komplett und ungeschnitten im Fernsehen gezeigt - mit neuem Kommentar nur hintendran. Ich fand das immer sehr spannend und mir war trotz der Unreife 100% klar, dass das üble Propaganda ist.
Echt? Ich erinnere mich nur an den DEFA Augenzeugen, die Kino Nachrichten für alle ohne Fernseher. Sprache und Propaganda war so ziemlich 1:1 zur Wochenschau der 30er.
Die ganzen Wochenschauen liefen so um 1980 in der Reihe 'Vor vierzig Jahren' in einigen Dritten Programmen, auf jeden Fall auf der Nordkette (NDR/RB/SFB) und meines Wissens definitiv NICHT beim Bayerischen Fernsehen. Womit wir wieder bei Frau Merk sind.
> Wer glaubt, sein Volk vor so etwas schützen zu müssen, hält es offenbar für blöde.
Waere dem so, waere kein "Schutz" bzw. Verbot noetig. So hat man eher den Eindruck, das Volk solle bloed gemacht werden, indem man verhindert, dass es ueber diese Ereignisse informiert wird, nachdenkt und daraus lernen koennte.
zusammengefaßt, hauptsächlich als Zeitungsausschnitte, Fotos und internen Schriftstücken.
Der Verfasser hat das damals alles trotz des Verbotes zusammengetragen und in mehr als 1600 Seiten als Buch herausgebracht.
Weil er da immer noch eine stille Bewunderungn für die damals Herrschenden zu hegen schien, ist dieses Buch - leider - als Zeitdokument nicht so bekannt geworden. Als kritischer Leser kann man aber sehr wohl "stille Bewunderung" von den Fakten trennen und erhält z.B. zusätzlich zu der Lektüre der mehreren 1000 Seiten der Tagebücher von Victor Klemperer einen umfassenden bebilderten Überblick für diese Zeit in Deutschland.
[uV]Ephraim Kishon: "Für mich ist Rassismus eine unverzeihliche Sünde, und dazu gehört auch der Haß auf die eigene Rasse."
Imam von Izmir 1999 (von wegen 'der Islam gehört zu Deutschland'): "Dank eurer demokratischen Gesetze werden wir euch überwältigen, dank eurer religiösen Gesetze werden wir euch beherrschen."
Dr. Gottfried Curio, AfD 2017: „Wenn der Ausreisepflichtige nicht ausreist, braucht der Steuerpflichtige auch keine Steuern zu zahlen“
Die Zeitungszeugen sind keine clevere Geschäftisidee, wie man beim Lesen des Eingangsbeitrages denken könnte, sondern ein klar wissenschaftlich orientiertes Projekt. Jedermann, insbesondere Forschern, sollen die Schriften zugänglich gemacht werden um so ein unzensiertes Bild der damaligen Zeit erhalten zu können.
Das Land Bayern beruft sich neben dem Urheberrecht - das allerdings für alle Schriften vor 1939 bereits erloschen sein dürfte - auch auf eine Weisung der Alliierten, nachdem keine Nazi-Publikationen für politische Zecke verwendet werden dürfen. Dem steht vor Gericht die Freiheit der Wissenschaft entgegen, die vermutlich und HOFFENTLICH auch gewinnen wird.
Uiuiui, das klingt nach sozialistischem Hardcore-Elternhaus.
Na bist ja trotzdem recht gut im Westen angekommen, um nicht zu sagen, die Konvertiten sind immer die schlimmsten.
Das Land Bayern beruft sich ... auch auf eine Weisung der Alliierten ...
Da kann man ja von Glück sagen, dass die Aliierten in Bayern nicht noch Ausgangssperren verhängen, die Redakteure der Tageszeitungen bestimmen, Polizeistationen schließen und wiedereröffnen etc. Oder steht Bayern etwa noch unter Viermächtestatus? Dann aber zum Teufel mit Seehofer!
Vielleicht will das Land ja auch nur selbst die eigenen Archive plündern und damit Kohle machen und ärgert sich, dass so ein hergelaufener Brite vorher auf die Idee kam.
Nein, die wollen nur nicht dass rauskommt, woher ihre Parolen "Sozial ist, was Arbeit schafft" (ursprünglich von Alfred Hugenberg, Steigbügelhalter Adolf Hitlers) und "Du bist Deutschland!" herkommen...
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Lexx schrieb am 27.01.2009 20:50
Die Zeitungszeugen sind keine clevere Geschäftisidee, wie man beim Lesen des Eingangsbeitrages denken könnte, sondern ein klar wissenschaftlich orientiertes Projekt. Jedermann, insbesondere Forschern, sollen die Schriften zugänglich gemacht werden um so ein unzensiertes Bild der damaligen Zeit erhalten zu können.
Das Land Bayern beruft sich neben dem Urheberrecht - das allerdings für alle Schriften vor 1939 bereits erloschen sein dürfte - auch auf eine Weisung der Alliierten, nachdem keine Nazi-Publikationen für politische Zecke verwendet werden dürfen. Dem steht vor Gericht die Freiheit der Wissenschaft entgegen, die vermutlich und HOFFENTLICH auch gewinnen wird.
Der Freistaat Bayern verfügt nach wie vor über diverse Urheberrechte, sowohl an "Mein Kampf" wie auch an Zeitschriften.
Diese Urheberrechte wurde Bayern von den Allierten übertragen.
Ansonsten verwechselst Du da was. Es gibt keine Weisung der Allierten.
Wie solllte das juristisch möglich sein oder willst Du auf der Rechtsextremenmasche herumreiten, wonach Deutschland in Wirklichkeit gar nicht souverän sei?
Was hat ein kommerzielles Projekt mit der Freiheit der Wissenschaft zu tun?
Nix!
Wissenschaftler aus aller Welt haben einen unbegrenzten Zugang zu allen Dokumenten usw. aus der NS-Zeit.
Im Übrigen ist kein Grundrecht schrankenlos, auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.