Ein in Deutschland derzeit sicher unbekanntes Thema, in der Schweiz aber der Renner; das gestörte Verhältnis der Schweiz zu Libyen. Worum gehts? Vor etwa eineinhalb Jahren kam der Sohn des Diktators, Hannibal Ghadaffi, mit seiner schwangeren Frau nach Genf um sich mit Luxusuhren einzudecken. Während des Aufenthaltes kam es zu Übergriffen der beiden auf das Personal. Die Bediensteten wurden geschlagen und tyrannisiert. Schliesslich kam es zur Anklage des Personals und die Genfer Polizei kam dem nach und verhaftete Hannibal und dessen Frau für einen Tag. Nach deren Freilassung, weil das Personal "plötzlich" (gegen Zahlung) die Anklage widerrief, nahm Ghadaffi zwei Schweizer Bürger (Angestellte von ABB) fest und behielt sie als Geisel. Bis heute. Ausserdem zog er sein Vermögen ab (mehrere Milliarden Euro) und stellte die Öllieferungen in die Schweiz ein. Neueste Entwicklung: Ghadaffi, der routinemässig Vorsitzender der nächsten UN Vollversammlung wird, beantragt bei der UNO die Aufteilung des Schweizer Staatsgebietes an ihre Nachbarn; das Wallis nach Frankreich, Tessin nach Italien und die Deutschschweiz nach Deutschland. (Graubünden ist dem Diktator offenbar entfallen. Ein neues Territorium für Österreich?) Trotz intensiven diplomatischem Bemühen und gar einer Reise des Schweizer Bundespräsidenten nach Tripolis, wo er sich entschuldigte für "die Umstände der Verhaftung" aber trotzdem mit leeren Händen wieder nach Hause geschickt wurde, sind die Geiseln immer noch festgehalten in Tripolis.
So ist das, wenn man sich von "dreckigem Geld" abhängig macht. Was mir aus deiner Zusammenfassung nicht klar geworden ist: Trauern die Schweizer mehr um ihre Bürger im Ghaddafi-Knast oder um die entschwundenen Öl-Milliarden?
Wenn es schon Steinbrück mit seiner Kavallerie nicht schafft, viellicht gelingt es Ghaddafi, dass die Schweizer ihr Geschäftsmodell überdenken.
Die Ölmilliarden, das wurde schnell errechnet, machen nur einen winzigen Bruchteil der schweizer Anlage aus. Das interessiert also niemanden. Die 2 Bürger (nicht im Knast, dafür festgehalten in der Botschaft. Klingt weniger dramatisch, aber bei Familienvätern...) sind auch nicht das Problem sondern die Ohnmacht, mit solchen Fatzkes fertig zu werden. Ich sage ja immer, das ist der Preis für die Unabhängigkeit. Als die Türken gegen Italien wetterten und mit dem Abbruch aller wirtschaftlichen und politischen Beziehungen drohten weil die den Özalan nicht auslieferten kam die Tante EU und alles wurde zurückgenommen. Hier muss sich die Schweiz selbst durchkämpfen und das stellt sich nun als schwierig heraus. Denn wir haben es hier mit einem sehr asynchronen Gefecht zu tun. Den Libyern sind ihre Bürger egal, da könnte man 100 von denen hier festhalten, das juckt da keinen. Die Schweizer Regierung hingegen ist verpflichtet, sich um jeden Schweizer zu kümmern. Das wisswen die Libyer natürlich und kosten es aus, die Schweizer hängen zu lassen, während sie mit ihren Geiseln umspringen wies ihnen passt. Für die Schweizer ist das natürlich unerträglich, zumal dann eben noch so Sachen hinzukommen wie das mit der UNO oder wenn Ghadaffi junior überall herumerzählt, dass man die Schweiz mit der Atombombe auslöschen sollte, was natürlich dann promt in jeder Zeitung für Schlagzeilen sorgt...
Der Umgang mit der Schweiz zeigt eben, dass Gaddaffi nach wie vor der Präsident eines Schurkenstaates ist. Das Nehmen von unbeteiligten Geiseln ist ja nichts anderes als Staatsterrorismus. Wenn nun gegenüber der EU mal ein freundlicheres Gesicht gezeigt wird, dann nur, weil es den eigenen Interessen nützt, aber nicht, weil man sich an irgendwelche internationalen oder gar ethischen Regeln hält.