Martin hatte es bereits angesprochen: Die Beschleunigungsspuren auf Autobahnen, und insbesondere deren zuweilen lächerliche Pendants auf Schnellstraßen (Kraftfahrstraßen, zweispurige Bundesstraßen) müssten sicher deutlich länger werden. Da denkt man (insbesondere nachts), man würde sich zwischen zwei Lkws einfädeln, dabei rammt man gerade in die Mitte eines xxx-Liners. Und bemerkt man es noch rechtzeitig, so ist plötzlich auch schon das Ende der Einfädelungsspur erreicht. Also gibt es nur noch die Vollbremsung und daraufhin darf man sich aus dem Stand in den fließenden Verkehr einfädeln (was quasi eine Baustellensituation ist).
Kater,
es sollte mich wundern, wenn die Belastung durch 15 40-Tonner dieselbe ist wie die durch 10 60-Tonner. Zwar bin ich kein Brückenspezialist, aber bei den Schwingungsfällen, für die ich mal Belastungsabschätzungen vornehmen musste, kommen erstaunlich große Unterschiede heraus. Also gleichbleibende Gesamtbelastung, dafür veränderte Belastungsfrequenz bei entspechend veränderter Anzahl der Lastfälle. Ich würde dem Braten nicht trauen.
Letztlich bin ich aber aus strategischen Gründen für die Gigaliner: Ich sehe langfristig keine Zukunft für Bahntransporte, weder für Personen noch für Güter. Bahn ist generell ein aussterbendes Gewerbe, also kommt der Güterverkehr zu einem noch größeren Teil auf die Autobahn. Besser gleich mit dem nötigen Ausbau beginnen und die Gigaliner einsetzen (zunächst nur auf ausgewählten Strecken) als später mit kaltem Schweiß zu erwachen und eine komplett herunter gekommene Struktur quasi neu zu bauen.
dewo:
Also gemäß meinem Wissensstand gibt es hauptsächlich folgende Kosten-Nutzen-Aspekte, die nicht umgangen werden können:
Kostensenkung:
- Erhöhte Nutzlast, dadurch weniger Treibstoffverbrauch, weniger LKW-Fahrer (Schätzung: 20% weniger Betriebskosten)
- Geringere Belastung/Abnutzung der Straßen durch geringere Achslast, dadurch sinkende Instandhaltungskosten
Zusatzkosten:
- Verstärkte Belastung der existierenden Brücken (Schätzung: 8 Mrd € + erhöhte Instandhaltungskosten)
- Nachrüstung von Raststätten mit entsprechenden LKW-Stellplätzen (Alternativ: zusätzliche Kosten für den Mehrwaufwand beim Abstellen)
- Umstellen sämtlicher Signalanlagen auf die neuen Fahrzeuglängen
Interessant wäre in dieser Hinsicht, wie die geringeren Betriebskosten und Instandhaltungskosten sich im Vergleich mit den Umrüstungen und Brücken-Kosten schlagen. Und man muss beachten, dass die Einsparungen kontinuierlich sind, währen die Nachrüstung der Brücken eher kurz- bis mittelfristig anfällt. Zunächst steht also sehr wahrscheinlich erstmal ein Verlust.
Lese ich grade im Spon: Aufgrund der vorliegenden Gutachten und eines Arbeitsgruppenberichts könne die Empfehlung für eine allgemeine Zulassung solcher Gigaliner "in Deutschland nicht ausgesprochen werden", heißt es nach dpa-Angaben in einem gemeinsamen Beschluss der Minister nach einer Tagung im sachsen-anhaltinischen Merseburg.
(...) Die Verkehrsministerkonferenz hält den Einsatz der Riesen-Lkw wegen des erhöhten Verkehrssicherheitsrisikos und unzureichender Tragfähigkeit von Brücken jedoch "für nicht vertretbar".
Überdies lasse sich eine Gütermenge, für deren Transport bisher drei Lastzüge, drei Motoren und drei Fahrer benötigt wurden, dann mit zwei Zügen, zwei Motoren und zwei Fahrern bewältigen.
(...)
Dazu kommen zusätzliche Gefahren im Straßenverkehr: Abgesehen davon, dass die Aufprallenergie eines 60-Tonners etwa auf einen Stau um einiges höher ist als die eines 40-Tonners, haben solche Riesenlaster auch bisher nicht untersuchte Auswirkungen auf den Verkehrsfluss auf anderen Straßen. Die Durchfahrung von Kreisverkehren oder engen Ortsdurchfahrten ist ebenso problematisch wie das Überholen durch Personenwagen.
Sehr große LKW kennt man aus Australien und -bereits schon nicht mehr so groß- aus den USA. Eine Einführung in dem im Vergleich Flächenmäßig winzigen Flecken Deutschland halte ich für sehr unwahrscheinlich.
1. Wie bereits gesagt geht der Vorteil der Infrastrukturvermetzung verloren. Große LKW wären also eine Konkurrenz zur Bahn. Das allein würde das ganze schon kippen ;-) die Bahn muss ja aus "Umweltschutzgründen" erhalten bleiben.
Aber insgesamt ist nur schwer vorstellbar, dass ein nicht-vernetzter LKW sich ökonomisch durchsetzen kann.
2. Die großen LKW würden sehr viel Masse transportieren können - da geht es dann auch um Unfallrisiken, Schlechtwetter-Fähigkeit und mehr.
3. Mit Autobahnen allein ist es auf keinen Fall getan - die LKW müssen ja mal zumindest bis zu den Verladerampen kommen. Und so bald man die Autobahn verlassen hat reden wir von Länderinvestitionen. Es sollte klar sein, wie langwierig und schwierig die Verhandlungen von Bund und Ländern bezüglich dem vernetzten Ausbau von Verkehrsinfrastruktur sind...
4. Ob das wirklich so viel Entlastung bringt, ist völlig offen. Die Straßenbauinvestitionen fallen sofort an und müssen verzinst werden, die Entlastung könnte sich höchstens im Laufe von vielen Jahren einstellen. Da wären anderen Konzepte viel kostengünstiger zu haben wie die Idee der Zwangskolonne (Fahrzeuge haben Bordcomputer, die sich an den Vorderfahren dranhängen). Grundsätzlich sind ja nicht die "kurzen" LKWs sondern die Sicherheitsabstände das Problem. Die Sicherheitsabstände können aber verringert werden, wenn man automatische Abstandshalter und Zwangsbremser einbaut.
Die werden auf jeden Fall kommen - Luxusfahrzeugen kann man die ersten Modelle dazu bereits bewundern.
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Ehrlich gesagt halte ich das für eine Phantomdiskussion. Für den Warenverteilverkehr an Zwischenhändler oder Endkunden wären solche Fahrzeuge völlig unattraktiv. Es kann also nur um den Punkt-zu-Punkt-Warentransport der Großproduktion gehen. Und da sehe ich eher die Produzenten in der Pflicht; wenn die unbedingt den Joghurt in zentralen Produktionsstandorten in Italien verfüllen wollen, weil das 0,0001 Cent billiger ist, dann ist es auch deren Problem die befüllten Joghurtbecher zum Bedrucken nach Spanien zu transportieren. Ich sehe nicht ganz ein, warum der Steuerzahler mittels steuergeldfinanzierten Straßenbauinvestitionen hier den Produzenten eine versteckte Subventionen für verteilte Großproduktion liefern sollte.
MfG Frank
PS. DP hat parallel gepostet und dabei einige meiner Argumente auch gebracht. Wollte nur betonen, dass obiger Beitrag auf meinen Mist gewachsen ist. ;-)
Interessant wäre in dieser Hinsicht, wie die geringeren Betriebskosten und Instandhaltungskosten sich im Vergleich mit den Umrüstungen und Brücken-Kosten schlagen.
Was ist daran interessant? Die Betriebskosten sparen die Halter und die Umrüstungskosten trägt die öffentliche Hand. Da ist es ziemlich wurscht, ob das eine höher als das andere ist. Oder haben die Spediteure gesagt, sie wollten die Infrastrukturkosten tragen?
"Da denkt man (insbesondere nachts), man würde sich zwischen zwei Lkws einfädeln, dabei rammt man gerade in die Mitte eines xxx-Liners."
Also ich bin ja doch verblüfft, wo ihr Euch noch reinquetschen würdet.
Wenn da zwei LKW direkt hintereinander kommen, passt man da doch sowieso nicht zwischen, ohne den hinteren in die Eisen zu zwingen. Und das ist ein ziemlich riskantes Unterfangen, der muss ja kein ABS haben.
Was die Brücken angeht, muss man wohl den Experten glauben. Ich kann es nicht wirklich nachvollziehen, die Achslast ist geringer und ich könnte mir auch eine Regelung vorstellen, nach der Gigaliner mindestens 200m Abstand zueinander halten müssen.
Was die Sicherheit angeht, gibt es eine Menge technische Lösungen, die man für diese Laster verbindlich vorschreiben könnte, die die Sicherheit dieser Laster drastisch auch im Vergleich zu anderen Lastern erhöhen würde und unter Umständen die Einführung dieser Technologien deutlich beschleunigen würde.
Für mich ist jedenfalls nicht wirklich erkennbar, wie sich die Sicherheit verschlechtert, wenn ich ein Drittel der LKW von der Strasse bekäme. Mal davon abgesehen, dass durch die reduzierten Staus schneller gefahren wird.
Irgendwie erinnert mich diese Diskussion an die Regelungen für die PKW Anhänger für 100km/h. Da hatte man auch erst unheimliche Angst, dann wurde das aber doch unter harten Auflagen zugelassen. Diese hat man dann nach und nach zurückgenommen, weil sich herausstellte, dass die ganzen Ängste unbegründet waren.
kater_5 schrieb am 10.10.2007 17:54
"Da denkt man (insbesondere nachts), man würde sich zwischen zwei Lkws einfädeln, dabei rammt man gerade in die Mitte eines xxx-Liners."
Also ich bin ja doch verblüfft, wo ihr Euch noch reinquetschen würdet.
Wenn da zwei LKW direkt hintereinander kommen, passt man da doch sowieso nicht zwischen, ohne den hinteren in die Eisen zu zwingen. Und das ist ein ziemlich riskantes Unterfangen, der muss ja kein ABS haben.
kater,
manchmal komme ich mir bei Deinen Kommentaren tatsächlich vor, als würde ich hinterm Mond leben, und die Realität ist eigentlich nur ein Spuk. Was ich beschreibe ist meine tägliche Verkehrssituation. Nein, die LKW-Fahrer sind keine bösen Feinde, sie denken sogar mit, wenn sie an einer Einfahrt vorbeifahren. Und ich hatte tatsächlich schon zwei- dreimal die beschriebene Situation in ähnlicher Form, wenn ich dann in der nächtlichen Gischt in letzter Sekunde noch wahrgenommen habe, dass hinter einem PKW noch so ein flacher Anhänger kommt.
Wie gesagt: Nur ein Mosaiksteinchen. Es gibt ja nebenbei noch eine Menge überfahrene Fahrradfahrer, weil die Übersicht bei LKW beim Abbiegen nun mal etwas begrenzt ist. Das wird bei noch mehr Länge sicher nicht besser.
man kann sich beliebige Situationen ausdenken, in denen irgend etwas für irgend jemanden u. U. gefährlich oder unpraktisch ist. Wollen wir jetzt deswegen alles gleich verbieten ?
Mir wäre jedenfalls am Stauende lieber, wenn ein Gigaliner mit modernster technischer Ausstattung (wie z. B.ein Abstandsradar mit Wecker) hinter mir ist, als ein alter 40 Tonner mit dösendem Fahrer, den nichts und niemand aufweckt, bevor der mir ins Heck knallt.
Ich sehe bei dem Einsatz dieser LKW jedenfalls die Chance, modernste Sicherheitstechnik verpflichtend einzusetzen. Dazu kommt das Potential, enorme Mengen Treibstoff einzusparen, was in Anbetracht der Klimaverpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, woanders nicht mehr gemacht werden muss. Und evtl. Mehrkosten für den Strassenbau kann man über die Mautgebühren ganz elegant auf die Verursacher umlegen.
Und letztlich steht dem gegenüber, dass die Chance, dass an der Auffahrt überhaupt ein LKW vorbeikommt, um ein Drittel niedriger ist, wenn das konsequent umgesetzt würde.
kater: "ch kann es nicht wirklich nachvollziehen, die Achslast ist geringer und ich könnte mir auch eine Regelung vorstellen, nach der Gigaliner mindestens 200m Abstand zueinander halten müssen. "
Nach dem, was ich gehört habe zählt bei Brücken nicht die Achslast, sondern die Meterlast, also Gewicht pro Länge und die steigt natürlich. Deswegen sind in NRW(?) bei den Testfahrten die EuroKombis auf 44 Tonnen beschränkt.
Partei, Frank: "Abgesehen davon, dass die Aufprallenergie eines 60-Tonners etwa auf einen Stau um einiges höher ist als die eines 40-Tonners"
Das finde ich viel zu kurzsichtig. Wie der geneigte Physiker weiß, errechnet sich die Aufprallenergie aus E = 1/2 m v² und wie bei Wikipedia nachzulesen ist, ist die Bremskraft eines EC 20% höher. Geht man also von gleicher Bremszeit aus, hat der EuroCombi zwar 33% mehr Masse, aber eine 20% geringere Geschwindigkeit. Aus dieser vereinfachten Betrachtung ergibt sich somit eine Aufprallenergie von nur 92,6% verglichen mit einem herkömmlichen LKW - und dabei sind die neuen Sicherheitssysteme, die man vorschreiben kann - die Dinger sind ja dann alles Neuproduktionen - noch garnicht berücksichtigt.
FW:
Ganz gestorben ist das Projekt aber nicht, denn die Erkenntnisse aus den Feldversuchen sollen jetzt ausgewertet werden. Es gibt also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Diskussion irgendwann wieder aufgenommen wird.
"Was ist daran interessant?"
Man muss natürlich voraussetzen, dass die niedrigeren Kosten in irgendeiner Form an die Volkswirtschaft weitergegeben werden, etwa durch höhere Löhne oder niedrigere Preise.