Spiegel online überfällt den Leser mit einem Aufmacher auf der Startseite, der das schlimmste befürchten lässt. Dahinter ein spiegeltypischer, langatmiger 2 Seiten Artikel.
Nun denn, muss man denken. Da ist aber bald Land unter.
Dann habe ich mich durch 9 andere online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften geklickt (Zeit, Welt, FTD, SZ, FR, Tagesspiegel, taz, FAZ und Focus). Keine erwähnte die Schweiz auf der Start/Titelseite und auch nur 3 von denen nahmen das Thema Schweiz unter der Rubrik Politik bzw. Europa, also quasi auf Seite 2 auf (Zeit, taz, FTD). Wobei letztere es bei einem bodycount der letzten Polizeieinsätze beliess.
Ist das nun wirklich wichtig, oder bläst der Spiegel die Händel eines kleinen Bergvölkchens zu einem Ereignis von internationalem Rang auf?
Der spiegel online hat zwar eine ungeheure Medienmacht, aber die Qualität der Artikel ist unterirdisch. Wenn man alle Fülsel und emotionalen Apelle wegstreicht, bleiben mal gerade ein Dutzend Wörter mit Sachinformation übrig.
"Das erklärte Ziel ist die "konservative Revolution", will heißen: weniger Steuern, weniger Staat, weniger Ausländer. "
Unterstellen wir mal, diese Behauptung von SPON stimme (inzwischen muss man den Internetmedien ja leider regelmässig bescheinigen, das Blaue vom Himmel zu lügen). Was genau ist an "weniger Steuern" oder "weniger Staat" eigentlich ein Verbrechen gegen die Menschheit? Es ist eine sehr merkwürdige Zeit, wenn bereits die Forderung nach weniger Steuern oder mehr Liberalität ausreichen sollte, jemanden als Fast-Nazi abzustempeln. Bliebe also nur noch die Forderung nach weniger Ausländern. Und auch in diesem Fall frage ich ganz offen: was genau macht die Forderung undemokratisch? Mal ganz abgesehen von der Sachdiskussion - es gibt für mich nachvollziehbare Gründe, warum insbesondere zahlenmäßig kleine Länder den Zuzug oder die Einbürgerung in Grenzen halten wollen.
Aber selbst abseits dieser Sachebene: die politische Forderung nach einer Begrenzung der Ausländerzahlen verstößt offensichtlich gegen kein Grundgesetz. Damit ist diese Foderung genau so legitim wie die Forderung nach Luxussteuern für Besserverdienende, Schutzklauseln gegen Heuschreckenkapitalisten, Subventionen für Tabak und "Öko"raps oder das Verbot von Kreuzen in bayerischen Schulen.
Leider stelle ich immer wieder fest, dass es eine bestimmte politische Klasse gibt, die neben dem Grundgesetz oder den Menschenrechten noch eine zusätzliche Verbotsinstanz gegen unliebsame politische Forderungen installieren möchte. So im Sinne von:
"OK, dummerweise hast du das Recht, diese Meinung zu vertreten. Aber es ist einfach ungehörig, dieses Recht auch in Anspruch zu nehmen, wenn wir nicht vorher die Meinungen und Forderungen einzeln abgenickt haben."
Seit Jahren schon versucht der linke Arm der deutschen Presselandschaft (also fast alle), der SVP ans Bein zu pinkeln und sie mitsamt ihrem Scheffe Blocher in die rechtsextreme Ecke zu stellen.
Jeder, der ein wenig die liberalen bis konservativen Positionen der SVP kennt, kann darüber natürlich nur lachen. Aber es erinnert doch stark an die Anti-Bush-Stimmungsmache vor den letzten beiden US-Präsidentschaftswahlen - da hatte man ja auch den Eindruck, dass die heiligen Demokraten mit großem Vorsprung gewinnen werden.
Deshalb gehe ich davon aus, dass die SVP klarer Wahlsieger wird ;-)
Der grösste Fehler des Spiegels ist, dass er die politischen Verhältnisse der Schweiz wie als den kleinen deutschen Ableger darstellt. Sicher würde eine SVP in Deutschland als Nazi Partei dargestellt, deren Konservatismus lediglich eine legale Maske ist für ihre rechtsradikalen Ansichten.
Die Schweiz ist aber nicht Deutschland im Kleinen. In der Schweiz sind Parlamentswahlen nämlich unerheblich für das politische Leben. Die wichtigen Entscheidungen kommen alle Nase lang, also zwischen 15 und 30 mal im Jahr, vors Volk. Die Parlamentarier arbeiten zumeist hauptberuflich woanders und kommen nur zu Abstimmungen zusammen. Wer über 'konservative Revolutionen' schreibt mit dem Ziel von Steuerverringerungen muss wissen, dass der Anteil der Bundessteuern bei etwa 15% liegt. Der Rest sind Kantons- und Gemeindesteuern. Die SVP kann also, im Rahmen ihrer Entscheidungsgewalt, über 15% der Steuerlast befinden, natürlich immer in Abstimmung mit den anderen Parteien.
Zur Ausländerproblematik; Ich habe von den konservativen Parteien (SVP etwa 27%, FDP etwa 15% und EVP, Schweizer Demokraten etc. etwa je 2%) nicht ein einziges mal gehört, dass der Zuzug oder die Anzahl von Ausländern begrenzt werden soll. Das ist nämlich nach der Ratifizierung der Bilateralen II und dem Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen nicht möglich.
Es geht im Wahlkampf allein (!) um die Möglichkeit, kriminelle Ausländer aus der Schweiz auszuschaffen. Darauf legt es ja auch das 'Schäfchenplakat' an.
Natürlich hat das auch immer etwas demagogisches, tendenziell rassistisches, weil ja mit den kriminellen Ausländern auch nicht alle Ausländer gemeint sind sondern nur die Leute aus dem Balkan, die ähnlich wie in D die Türken hier in der Schweiz überproportional vorhanden sind und in den Kriminalitäts (Arbeitslosen-, Unfall,-) statistiken auch ganz oben liegen.
Dazu kommt, dass es in der Schweiz eine ganz andere Art der political correctness gibt als in D, quasi eine von der Vergangenheit unbelastetere und deshalb auch schonungslosere.
Die SVP ist eine Partei, die mit Themen wie unerwünschte Ausländer, Überfremdung, Kriminalität, EU = Pfui Bah und letztlich einem verquasten Nationalismus hauptsächlich die Landbevölkerung anzieht.
Durch die permanente Polarisierung passt sie eigentlich nicht in das Konkordanzsystem.
Vor allem, weil ihr Chef Blocher an vorderster Front dem populistischen Affen Zucker gibt.
Eigentlich erstaunlich, dass eine an sich inhaltlich leere Partei in der Schweiz durch Deppenkampagnen so erfolgreich ist.
Kodo schrieb am 13.10.2007 17:34
Die SVP ist eine Partei, die mit Themen (...) hauptsächlich die Landbevölkerung anzieht.
Was wunder, das ist ja die frühere Bauernpartei
Zitat:
Durch die permanente Polarisierung passt sie eigentlich nicht in das Konkordanzsystem.
Vor allem, weil ihr Chef Blocher an vorderster Front dem populistischen Affen Zucker gibt.
Eigentlich erstaunlich, dass eine an sich inhaltlich leere Partei in der Schweiz durch Deppenkampagnen so erfolgreich ist.
Konkordanzzsystem bedeutet ja gerade, dass sämtliche politischen Strömungen in der Regierung paritätisch vertreten sind und am Problemlösungsprozess teilhaben.