Die gute Nachricht vorweg: Es gibt eine Einigung beim Grundlagenvertrag für die EU.
Diese Einigung hat allerdings einen faden Beigeschmack: Während das Zugeständnis an Italien, auch künftig gleichauf mit Frankreich und Großbritannien zu sein noch verstehbar ist und wenig gravierend, stößt einem insbesondere Polens quasi-Totalerfolg bei den Verhandlungen bitter auf:
Die Ioannina-Klausel wird in den Vertrag aufgenommen, so wie es aussieht unbefristet. die Verzägerungsmöglichkeiten werden nicht explizit befristet, damit könnten wichtige Entscheidungen per Veto um Jahre verzögert werden bzw. durch diese Drohung verändert.
Jena-Claude Juncker dazu:
[i]"Es dürfe nicht so sein, dass durch die «Ioannina-Hintertür» de facto wieder die Einstimmigkeit eingeführt werde, die in vielen Bereichen durch eine qualifizierte Mehrheit abgeschafft werden solle. «Wenn diese Ioannina-Tür zu oft geöffnet wird, dann würde es Durchzug in der europäischen Küche geben, und das tut den Köchen nicht gut.»"[/i]
Im Siegestaumel hat Kaczinsky denn auch gleich noch angekündigt, dass es polnische Nachforderungen bezüglich der Sitzverteilung geben könnte, die erst im Dezember entschieden wird. Da weiß man doch, warum mit Terroristen nicht verhandelt wird: gibt man ihnen einmal nach...... mit Polen scheint das jetzt genauso zu sein.
Deswegen bin ich enttäuscht von dem Ergebnis. Ich hätte mir eine kämpferischere Verhandlung gewünscht, wie bei der Frage um den Verteilungsschlüssel, wo Polen am Ende abgeblitzt ist. So hat die EU sich bereits im Grundsatz wieder einen Stolperstein in alle zukünftigen Abstimmungswege gelegt.
Ich hatte gelesen, dass diese Ioannina-Klausel eben nicht in den Vertrag aufgenommen wird sondern nur in einer Deklaration.
Ich weiss nicht, ob das alles etwas kälter gegessen als es gekocht wird. Selbst die Ioannina-Klausel ist keine Polen Klausel, es kann genauso sein, dass Polen von anderen kleinen Ländern hier mal ausgebremst wird.
Ich frage mich zunehmend, ob sich die EU mit der Aufnahme der letzten Staaten nicht massiv übernommen hat. All diese Dinge hätte man regeln müssen, bevor man die aufgenommen hat, jetzt ist eine Lösung faktisch nicht mehr möglich.
Denn auch diese Verträge müssen nun in allen Mitgliedsländern ratifiziert werden, ich denke die Chancen dazu stehen eher schlecht.
Langfristig denke ich, dass es auf einen Kern hinauslaufen wird und der Rest in einer Art erweiterten Wirtschaftsraum bleibt.
Oder wir haben zufällig irgendwann eine Kombination charimatischer europäisch denkender Politiker in den verschiedenen Staaten, die das Gebilde mal wieder substanziell nach vorne bringen. Aber derzeit sehe ich das nicht, und da ist Polen nicht einmal das grösste Problem.
Wobei das, was da als Verfassung oder Verträge läuft, mir sowieso viel zu WischiWaschi ist. Sowas passt entweder in ein kleines Taschenbuch oder man sollte es vergessen.
kater_5 schrieb am 19.10.2007 09:35
Oder wir haben zufällig irgendwann eine Kombination charimatischer europäisch denkender Politiker in den verschiedenen Staaten, die das Gebilde mal wieder substanziell nach vorne bringen.
Und was soll das sein? Die EU funktioniert doch prächtig. Nicht politisch dafür wirtschaftlich. Mehr muss doch gar nicht sein. Ich hab gar keine Lust auf ambitionierte europäische Politiker, die im Handstreich Dinge durchsetzen, die die einzelnen Länder vielleicht gar nicht wollen. Je weniger Macht die haben desto besser. Vielleicht werden wir das dem Kczynski nochmal danken, dass er die Revisionsklausel protegiert hat, die schnelle Entscheide der Mehrheit auf die lange Bank schiebt.
Der Vertrag ist ein neoliberales, antidemokratisches und militaristisches Machwerk. Ein schwarzer Tag für Europa.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
DP:
Ja die Nachrichten waren gestern Widersprüchlich und sind heute auch noch nicht ganz klar. Offenbar wird die Ioannina-Klausel in ein Zusatzprotokoll aufgenommen..... mehr als eine Erklärung aber weniger als direkt im Vertrag.
Was das letztendlich bewirkt werden wir sehen müssen. Laut einem "Hintergründe"-Artikel (war es tagesschau.de?) wurde die Klausel bisher nie angewandt - aber Großbritannien hat mit der Drohung ihrer Anwendung eine Einigung erreicht. Genau das befürchte ich hier auch.
Allerdings hat sich meine Enttäuschung etwas gelegt, da die Klausel immerhin nur bis 2017 haltbar ist und jederzeit (mit einem anderen polnischen Staatsoberhaupt) einstimmig wieder abgeschafft werden kann. Kaczynski hat also keinen nachhaltigen Schaden angerichtet.
Meine Antipathie ihm gegenüber hat es natürlich verstärkt, insbesondere wegen der Ankündigung, es könne noch Nachforderungen geben......
Ich hoffe inständig, dass er die nächste Wahl verliert!
kater:
"All diese Dinge hätte man regeln müssen, bevor man die aufgenommen hat"
Das sehe ich ganz genauso, aber das war gewollt. Man hat die neuen länder ja schon VOR ihrer Aufnahme in die Entwicklung einer Verfassung eingebunden. Ich dachte mir auch, dass man das besser gelassen hätte. Wenn die Besitmmungen Vorher gemacht werden, kann man sie jedem Kandidaten aufdrücken. Wenn man sie hinterher macht, muss man auf jeden Kandidaten Rücksicht nehmen - so wie jetzt.
Ich denke, wenn die EU nicht als Institution zwischen ganz wenigen Staaten angefangen hätte, dann gäbe es sie in ihrer heutigen Form garnicht.
Nunja, wenn die Kartoffel aus ihrer Extrawurst bei der EU was gelernt hat dann einfach störrisch zu sein und den Modus auf 'haben wollen' stellen. Nun versucht die übriggebliebene Kartoffel dasselbe im polnischen Parlament. Mutti EU hat das Kind verzogen und Bruder Sejm kann das nun auslöffeln. Bleibt nur zu hoffen, dass das dumme Kind wenn der Spuk vorüber ist wieder in den Keller gesperrt wird.
Immerhin dürfte auch die EU gelernt haben, was für ein Mist einstimmige Entscheidungen sind. Ich hoffe, dass die Beobachter in Polen recht behalten und die Abgeordneten nicht wegen einem bockigen Kind die eigene Regierung sabotieren.