Ich finde es interessant das Thema, dass sich aus einer Boardy-Diskussion entwickelt hat, weiter zu führen.
Wenn noch jemand Lust hat...
Ich habe meinen letzten Beitrag aus "Hamburger Innensenator fordert Verbot von Scientology" kopiert.
Zitat:Flecki2 schrieb:
Hallo Moby,
schön, dass du deinen Atheismus-Vorwurf etwas präzisierst. Ich versuche mal, darauf zu antworten, auch wenn es deinen Beitrag dabei sehr zerstückelt. Mir fällt nix Besseres ein als das.
Zitat:moby schrieb:
...
Atheisten ist nichts heilig und das ist gefährlich.
Nur so war der Nationalsozialismus und der Stalinismus möglich.
Das sind zunächst Behauptungen, und zwar sehr gewagte. Adolf war ein Fanatiker mit zwei Grundsätzen (1. Die Deutschen brauchen die Weltherrschaft, 2. Die Juden müssen ausgerottet werden.). Wenn ich böse sein wollte, so könnte ich das auch unter "Religion" einordnen, nur dass es natürlich nicht katholisch und nicht protestantisch ist. Adolf hat sich einfach alles einverleibt, was zu seinen beiden Grundsätzen passte, z.B. die Swastika der Hindus. Das ist aber weit weg vom Atheismus.
Zitat:Die Erkenntnis, dass Menschen eine Würde haben, wurde schon in der Antike erkannt.
In der Antike liegen die Wurzeln der Menschenrechte.
Du hast eine recht nostalgische Vorstellung von der in Wirklichkeit barbarischen Antike. Da galten die so schön entwickelten Menschenrechte nämlich nur für die "richtigen" Menschen.
Zitat:Und im Christentum.
Das Christentum hatte seine ups and downs.
Zitat:Kant hat das nochmal betont, indem er sagte, dass Menschen eine Würde und keinen Wert haben.
Immer wieder verblüffen solche hingeworfenen "Zitate": Der Kant hat jede Menge daher gelabert. Wenn ich mich recht erinnere, so ist das Gesamtwerk Kants irgendwo im www zu lesen (gutenberg.de?). Vielleicht kannst du da deine Aussage für uns noch mal im Zusammenhang darstellen. Also in dem Zusammenhang, in dem Kant diese Aussage gemacht hat.
Zitat:...
Das sind Verrohungen, die aus einem meistens vulgären Atheismus entstehen.Ich habe jedenfalls noch nichts über philosophische Grundlagen hier gelesen.
Der Atheismus, wie ich ihn kenne, benötigt keine philosophischen Grundlagen. Die Philosophen haben sich doch gerade an den Religionen und ihren Deutungen aufgerieben, und diese z.T. deutlich in Frage gestellt. Weshalb sollte der Atheist die Religionen also nochmal in Frage stellen? Es steht doch schon bei den althergebrachten Philosophen.
Zitat:Für Atheisten sind Begriffe wie Nächstenliebe, Fremdenliebe, Mitgefühl oder Respekt jedenfalls oft lächerlich.
Da gilt: Survival for the Fittest.
Diese Begriffe kommen aus der humanistischen Tradition heraus, und der folgen die Atheisten sehr wohl.
Zitat:...
Was wahrscheinlich vielen auch nicht gefällt, ist die Tatsache, dass praktisch alle Religionen darauf aufmerksam gemacht haben, dass Leben Leiden bedeutet.
Das ist ja auch viel zu stark verallgemeinert. Nur, wenn man an eine bestimmte Religion gebunden ist, so bedeutet Leben auch Leiden. Im Alltag hat aber Leben nichts mit Leiden zu tun, eher erratisch. Viele Leute können ganz gut leben ohne zu leiden.
Zitat:Die klassische Musik ist ohne das Christentum undenkbar.
Das gilt auch für andere Künste.
Klöster waren Orte der Wissenschaft usw.
Da hast du recht.
Zitat:Ein derartiges Nichtwissen-Wollen ist schon lustig.
Auch das Verwechseln zwischen dem Handeln von Menschen und der Religion an sich.
...
Das Handeln der Menschen im Vergleich zu deren Religion an sich können den Atheisten in der Tat ganz schön verwirren.
MfG, Flecki
PS: Deinen Beitrag habe ich jetzt sehr zerstückelt; wo es nicht sinngemäß passt: hau mir auf die Glocke.
Hallo Flecki,
natürlich gibt es überwiegend den "unechten" Atheismus, den FW skizziert:
indifferente und unreflektierte Gedanken-, Kenntnis- und Interesselosigkeit in religiösen Dingen
Da werden sich viele freiwillig dazu bekennen.
Viele bekennen sich zu humanistischen Werten.
Relativ wenige beschäftigen sich mit philosophischen Grundlagen für einen bewusst gelebten Atheismus.
Ansätze von "Ersatzreligionen" hatte der Nationalsozialismus, hat der Faschismus, oder wie auch immer man solche Erscheinungen bezeichnen will und der Marxismus, Leninimus, Stalinismus und alle -ismen.
Eigentlich sind es Quasireligionen.
Allerdings fehlt Ihnen das Heilige.
Auch wenn ein Ersatz für das Heilige geboten wird, wie z.B. im Nationalsozialismus die esoterischen Riten des SS, aber auch die großen Veranstaltungen mit Hitler für die Masse, die den Charakter von kirchlichen Open-Air-Messen hatten.
Hoch interessant dabei ist, dass diese Ersatzreligionen die Leute, wie die "richtigen" Religionen, da abholen, wo sie stehen.
Beim Leiden.
Sie versprechen durch ein bestimmtes Verhalten und die Einhaltung bestimmter Riten sowie die bedingungslose Unterwerfung unter den "Glauben" = den Nationalsozialismus, den Sozialismus, den Kommunismus oder was auch immer, die Befreiung vom Leiden des unterdrückten und ausgebluteten Deutschen, des unterdrückten Werktätigen usw.
Und siehe da, es funktionierte; jedenfalls zeitweise.
Und es funktioniert immer noch in aller Welt.
Gerade aktuell in Venezuela.
Chavez hat, wenn ich mich nicht irre, gerade erreicht oder steht kurz davor, Präsident auf Lebenszeit = "Gott in Venezuela und Südamerika" zu werden.
Leiden ist nicht nur erratisch.
Alle werden irgendwann mehr oder weniger erkennen und erleben, dass sie leiden.
Leiden beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod.
Das Leiden ist unterschiedlich, wie das Leben.
Aber jeder leidet zwangsläufig.
Das heißt nicht, dass man das Leben nicht genießen kann.
Im Gegenteil.
Aber man leidet trotzdem.
Selbst wenn zwischen Geburt und Tod alles super wäre, was so aber allein ein Ideal ist, leidet man.
Denn:
"Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker."
so Philipp Roth in einem Interview des Spiegel
Man leidet aber auch ohne Krankheit.
Wie gesagt, ist das Leben nicht ständig super.
Wäre ja auch nicht auszuhalten.
Man leidet also, in dem man lebt, Begierden hat, unwissend ist, indem man z.B. einem gefährlichen -ismus anhängt, indem man an allem möglich haftet und gleichzeitig weiß, das "man nichts mitnehmen kann".
Enttäuschungen, Verletzungen, körperliche Schmerzen, Kummer, Elend sind Leiden.
Arbeitslose leiden.
Die Nachrichten sind voller Leiden in aller Welt.
Zu Kant.
Ich bekenne, ihn (noch) nicht gelesen zu haben.
Hier und da, aber nicht vollständig gelesen.
Das Zitat ist ein Zitat aus:
"Das Unbedingte oder was macht eine Handlung gut?"
In "Moralische Grundbegriffe", 7.Auflage, 2004, beck´sche Reihe von Robert Spaemann
Lexx:
Die christlichen Religionen, die jüdische Religion und der Islam gehen vom Leiden aus und bieten, was hochinteressant ist, das stellvertretende Leiden, einschließlich Erlösung in unterschiedlicher Form an.
Christus litt und starb für uns...
Im Islam ist die reale Welt, die Welt des Leidens und deshalb nicht so wichtig.
Es wartet wie im Christentum das Paradies.
Die Juden warten auf den Messias und das was damit mit ihm kommt.
Eigentlich einerseits furchtbare Religionen mit den dezidierten Beschreibungen des Leidens.
Konfuzianismus ist eher keine Religion.
Deshalb werden seine Lehren nach langen Jahren der Verfolgung wieder in China zugelassen.
Konfuzianer funktionieren!
Konfuzianismus hat aber auch die wichtige goldene Regel: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu!“
Und ist alleine deshalb schon eine gute Lehre.
Dukkha (Pali: &AM; Sanskrit: &A du%kha; wörtlich „schwer zu ertragen“) ist im Buddhismus als eines der Drei Daseinsmerkmale (ti-lakkhana) und als die erste der „Vier Edlen Wahrheiten“ eine der wichtigsten Lehren.
Im übertragenen Sinne bedeutet dukkha Leiden, Leidunterworfensein, Unzulänglichkeit, Elend, Übel, Schmerz, Verletzung, Unbefriedigtheit: also die spannungsreiche Qualität aller Erfahrungen, die von Verlangen, Anhaften und Ego begleitet werden.
Leiden ist die Ausgangsbasis aller Religionen, auch der "Falschen", weil Leiden Fakt ist.
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