Wir scheinen vergessen zu haben, daß die Sowjetunion bzw. Rußland seit der Zeit der Wende in Osteuropa bereits ungeheuere Konzessionen gemacht hat! Rußland befindet sich in einem Trauma wie Deutschland nach Versailles. Es ist heute auf die Grenzen des Zwangsfriedens von Brest-Litowsk von 1917 zurückgedrängt – historisch eine Stunde der tiefsten Erniedrigung für die Russen.
Wie damals hat man heute wieder die Ukraine verloren – dabei ist Kiew die Mutter aller russischen Städte. Wären die amerikanisch-europäischen Winkelzüge gelungen, wäre auch Weißrußland vollständig aus der russischen Sphäre herausgebrochen worden, dann stünde die Nato heute wie weiland die Wehrmacht gar bei Smolensk.
Was wir im Westen vergessen, ist, daß sich Rußland seit den neunziger Jahren um fast 1.000 Kilometer zurückgezogen hat – und zum Dank dafür vom Westen noch enger „belagert“ wird. Die Frage der Stationierung von US-Raketen in Polen wird als Provokation empfunden. Das hätte die deutsche Presse ruhig einmal beim Namen nennen können. Man fragt sich: Wozu das Ganze?
Wozu etwa einen Putsch in Georgien anstiften, der eine so dubiose Figur wie Micheil Saakaschwili an die Macht bringt, der jetzt mit dem Ausnahmezustand regieren muß und eine ähnliche Diktatur ausübt wie Eduard Schewardnadse zuvor. Wozu einen Putsch in Kirgisien einfädeln, der zu nichts weiter führt, als das Land an den Abgrund eines neuen Bürgerkrieges zu bringen? Diese Politik ist mit völlig unverständlich, und daß Berlin das kritiklos mitmacht, noch mehr.
Wir sollten aufhören mit der ewigen deutschen Angst vor Rußland. Moskau plant kein militärisches Vorgehen im Westen. Es widersetzt sich nur dem weiteren Vordringen der Nato nach Osten.
Ich habe bei meinen Rußland-Reisen nicht nur Putin, sondern auch den Ex-Verteidigungsminister Sergej Iwanow getroffen. Der hat es auf den Punkt gebracht: Rußland wird sich nie wieder dem Irrsinn der ehemaligen Sowjetunion hingeben und vierzig Prozent seines Budgets für Rüstung verpulvern.
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Nach seiner Pleite als Nahost-Experte (keine Vorhersage eingetroffen) versucht sich PSL jetzt als Russland-Kenner? Oh je.
Aber alles, was er schreibt, kann für den rationalen Beobachter nur heissen: keine Investitionen nach Russland. Keine Abhängigkeit von Russlands Rohstoffen.
Rußland wird sich nie wieder dem Irrsinn der ehemaligen Sowjetunion hingeben und vierzig Prozent seines Budgets für Rüstung verpulvern.
Die Welt hat sich seit dem kalten Krieg stark verändert. Russland kann mit seinen Rohstoffexporten bei steigenden Preisen auf die Weltmärkte einiges an Rüstungsbudget aufbauen und außerdem die Exporte als Waffe benutzen. Das ist ja nicht mal eine Prognose, sondern schon Realität.
Im Gegensatz zum kalten Krieg mit einer Supermacht ergeben sich heute auch ganz andere (lokalere?) Rüstungsszenarien mit anderer Technik und sicher auch anderen Kosten.
Also, nicht an den Worten sondern an den Taten soll man sie messen.
SteffenHuber schrieb am 30.11.2007 04:15
Aber alles, was er schreibt, kann für den rationalen Beobachter nur heissen: keine Investitionen nach Russland. Keine Abhängigkeit von Russlands Rohstoffen.
Steffen
Das ist ein ausgetraeumter Traum. Deutschland ist auf sehr lange Sicht von Russland und von Russland's Rohstoffen abhaengig.
Von der westlichen Welt hat sich Deutschland weitgehend militaerisch und politisch geloest. Solche Dinge sieht man klar von ausserhalb. In Deutschland wird noch der grosse Traum der deutschen-USA Partnerschaft getrauemt.
Testerpressungen, und die Nicht-Reaktion der USA hat es schon einige gegeben.
Der moment of truth wird auch in Deutschland einsinken, allerdings erst im ersten halben Jahr 2009.
PSL reiht sich mit Schröder und der ehemaligen ARD-Russlandskorrespondnetin Krone-Schmalz ein in Plädoyers für Russland. Ob uneigenützig oder von russischen Freunden angestiftet, es dürfte die Sicht der Russen ungefähr wiedergeben.
In einem FAZ-Auszug aus seinem Buch hat auch Kohl die Zeit der Verhandlungen mit Gorbatschow eindrucksvoll geschildert. Während er sich über Genschers vom Parlament nicht gedeckten Zugeständnisse ärgerlich ausgelassen hat, hat Wiedervereinigung Deutschlands lt. Kohl davon profitiert, dass Gorbatschow Deutschland unautorisiert Zugeständnisse gemacht hat. Demnach muss Gorbatschow zuhause heftig Prügel bezogen haben, auch wenn seine Zugeständnisse nicht mehr zurückgenommen wurden.
Das ist wohl der Ausgangspunkt dessen, was sich heute in Russland abspielt. Was auch immer am Ende dabei herauskommen mag, es schadet nicht, die Sicht Russlands zu verstehen. Deutschland ist aber sicher gut beraten, sich nicht von einer 'wunden russischen Seele' abhängig zu machen.
SteffenHuber schrieb am 30.11.2007 12:15
Aber alles, was er schreibt, kann für den rationalen Beobachter nur heissen: keine Investitionen nach Russland.
Das sieht man innerhalb der Industrie aber wohl ganz anders. Wenn ich daran denke, womit ich gerade beschäftigt bin...
Zitat:
Gerd schrieb:
Von der westlichen Welt hat sich Deutschland weitgehend militaerisch und politisch geloest. Solche Dinge sieht man klar von ausserhalb.
Solche Dinge sieht WER von WO außerhalb? Innerhalb der EU wird das, nicht zuletzt angesichts der Gespräche innerhalb der Kommission bezüglich der Energieversorgung wohl eher etwas differenziert betrachtet. Ob sich bei Chinesen, Indern, Australiern, Brasilianern oder Südafrikanern eine Karheit solcher Betrachtungsweise eingestellt hat, erschließt sich mir beim Durchsehen der Nachrichten von dort nicht unmittelbar. Ich habe eher das Gefühl, die haben andere Sorgen.
Zitat:
In Deutschland wird noch der grosse Traum der deutschen-USA Partnerschaft getrauemt.
Sagt WER? - Ich habe eher den Eindruck, daß man in Europa eine Partnerschaft mit den USA eher distanziert-freundlich betrachtet. In Deutschland ist das nicht anders, eher ist das distanzierende Element dort noch größer als anderswo.
dewo schrieb am 30.11.2007 05:50
Sagt WER? - Ich habe eher den Eindruck, daß man in Europa eine Partnerschaft mit den USA eher distanziert-freundlich betrachtet. In Deutschland ist das nicht anders, eher ist das distanzierende Element dort noch größer als anderswo.
Das distanzierende Element ist in der USA gegenueber Deutschland. Deutschland hat das Verhaeltnis nicht mehr unter Kontrolle.
Wir brauchen uns nicht zu streiten, Dewo. Das ist ein Punkt, der durch Abwarten von weniger als zwei Jahren klar wird.
Mit der Merkel in Crawford war gesunder Menschenverstand und rationales Denken, insbesondere in bezug auf Iran.
Bei der Merkel daheim ist twisted thinking und irrationales Geplapper, insbesondere ueber Iran, wenn sie's ueberhaupt erwaehnt.
Das heisst nicht, die Merkel wuerde an Schizophrenie leiden. Im Gegenteil, sie weiss genau , was sie ihren Landsleuten nicht mehr zumuten kann: die Realitaet.
Rocky schrieb am 30.11.2007 16:08
Das heisst nicht, die Merkel wuerde an Schizophrenie leiden. Im Gegenteil, sie weiss genau , was sie ihren Landsleuten nicht mehr zumuten kann: die Realitaet.
SteffenHuber schrieb am 30.11.2007 12:15
Aber alles, was er schreibt, kann für den rationalen Beobachter nur heissen: keine Investitionen nach Russland.
Das sieht man innerhalb der Industrie aber wohl ganz anders. Wenn ich daran denke, womit ich gerade beschäftigt bin...
Oh, ich kenne ein paar der Russland-Optimisten in der Industrie. Die sind entweder der Gruppe "Zocker" oder "Großunternehmen" zuzuordnen. Beide Gruppen kennen die erheblichen Risiken, insbesondere was das Rechtssystem angeht.
Aber Du hast schon recht: auch das Eingehen erheblicher Risiken kann natürlich eine rationale Entscheidung sein.
Mein sehr allgemeiner Kommentar zu Russland; wer so von einer Diktatur in die nächste schlittert hats vielleicht nicht anders verdient. Dass die Wirtschaft in so einem Klima nicht gedeiht wissen wir alle (abgesehen von Mirkalf) und also wird man nur bis zur nächsten Krisewarten, z.B. einem nachlassenden Rohstoffbedarf, und Väterchen Russland sitzt wieder hungernd und frierend vor der Blockhütte und säuft sich die Welt schön. Dass die gross angekündigten Investitionen Putins nicht in Bildung und Infrastruktur sondern Rüstung und Konsum gehen verwundert mich nicht. Dass sie hin und wieder zu Drohungen und Erpressungen greifen wird ihren Ruf als Lieferant und Wirtschaftsstandort mehr schaden als der daraus resultierende kurzfristige Gewinn von Nutzen ist.
Angst, da stimme ich PSL zu, muss man vor den Russen nicht haben. Als Russe würde ich machen, dass ich da wegkomme oder wenn das nicht geht, mich schnell zu Tode saufen.
also wird man nur bis zur nächsten Krisewarten, z.B. einem nachlassenden Rohstoffbedarf
Ist denn damit auf absehbare Zeit zu rechnen? Wenn die Weltwirtschaft den nächsten Abschwung kriegt, dürften die Rohstoffpreise fallen, aber das wäre nur temporär und evtl. nicht gravierend genug?!
Die Krise kommt immer. Und dann haben alle extensiven und kaum nachhaltigen Konsumplanwirtschaften ein Problem. Politisch haben diese Krisen dann die Aufgabe, Chaves und Co wegzuspülen. Es gibt nun mal nicht das Töpfchen, aus dem der Brei unerschöpflich herausquillt.
Durch die zunehmende "Globalisierung" werden die Konjunkturzyklen immer synchroner geschaltet. Derzeit kann man gut beobachten wie schnell die US-Hypothekenkrise auf Europa durchschlägt. Es wird künftig immer weniger regional gegenläufige Konjunkturzyklen geben, die sich gegenseitig dämpfen und die Preisspitzen bei Rohstoffen nach oben und unten begrenzen.
Die Aufschwünge werden boomiger, die Abschwünge tiefer. Das gilt auch für die Ölpreise. Ich denke wir werden auch mal wieder dramatische Einbrüche beim Ölpreis sehen. Die Preise werden im wesentlichen nicht vom Gesamtverbrauch, sondern von den Veränderungen der Nachfrage gemacht. Die Spekulation besorgt dann den Rest und kann auch zu den gleichen Übertreibungen nach unten führen wie derzeit nach oben.
Durch die zunehmende "Globalisierung" werden die Konjunkturzyklen immer synchroner geschaltet.
Das ist eine schlüssige These. Es gibt aber auch Leute, die das Gegenteil vertreten. Die sagen, durch die Globalisierung gäbe es auch mehr Puffer, z.B. die riesigen Wirtschaftsräume in Asien, die dämpfend wirken können.
Als Pessimist glaube ich aber auch eher an These 1. Was fundamental nicht da ist, besorgt dann eben die Psychologie und reißt auch die ansich gesunden Märkte mit rein.