DP schrieb am 27.03.2008 13:32
Realistische Schätzungen gehen heute von 1m getöteten Kurden im Irak allein durch Giftgasattacken Saddams aus. Ohne Einmischung des Westens, beginnend mit dem durch die UNO kontrollierten Überflugverbotes über das Kurdengebiet, wären von den 5 Millionen Kurden heute höchstens noch die Hälfte übrig.
Saddam hat sicher Giftgas gegen Kurden eingesetzt.
Dabei kamen etwa 5.000 Menschen ums Leben.
Schlimm genug, aber keine Million.
Im Irankrieg hat er auch Giftgas eingesetzt.
Genaue Opferzahlen gibt es nicht; es sollen aber Hunderttausende sein.
Das Überflugverbot war meines Wissens nicht über dem Kurdengebiet; sondern über dem Süden, zum Schutz der Schiiten.
Was mich ziemlich erstaunt, ist die Kosten-Nutzen-Rechnung, die manche hier aufmachen; also ganz cool die Frage stellen, hat es (die toten, jungen Soldaten und toten Iraker) was gebracht?
Oder die ähnliche Rechnung, wonach durch die bisherigen Toten der US-Intervention angeblich viel mehr Menschen vor Saddam gerettet werden konnten.
Auch so eine Art Wirtschaftlichkeitsrechnung. Was unterscheidet solch ein Denken von dem Denken Saddams?
Und wieso hat niemand, auch die USA nicht, interveniert, als Hunderttausende durch den Einsatz von Giftgas während des Iran-Krieges starben?
Und, ist es nicht ziemlich obszön, wenn junge Soldaten kein Bier trinken, aber sterben dürfen?
Auch noch mal ohne nachzukarten:
Es gab keinen Grund, den Irak anzugreifen.
Alle vorgebrachten Gründe waren erstunken und erlogen.
Erstaunlicherweise ist Martin der einzige, wenn ich das richtig sehe, der sagt, es hat sich nicht gelohnt.
Lexx hat sich auch in dieser Richtung geäußert.
Es geht mir nicht um pazifistisches Gedöns.
Aber die Frage ist schon wichtig, was rechtfertigt das bewusste Opfern von Menschen, um irgendwas angeblich Gutes zu erreichen (Saddam aufhängen) und wie unterscheidet man sich von den Saddams und Bin Ladens?
Auch wenn kaum einer hier an die Zusammenhänge von karmischem Handeln "glaubt".
Diese ganzen bodycount-Spielchen sind schon fragwürdig genug. Aber die Nonchanlance, mit der die zahllosen Opfer der Bombenattentate im Irak den Amis zugerechnet werden lässt schon tief blicken. Dass sich ein Volk oder auch nur radikale Gruppierungen desselben mit Gewalt gegen Besatzer wehren kann man ja nachvollziehen. Aber den hunderttausendfachen Massenmord an den eigenen Landsleuten den Amis in die Schuhe zu schieben ist einfach nur abgedreht.
Hätte, wäre, wenn ist keine seriöse Geschichtsbetrachtung. Die Opfer des realen Geschichtsverlaufs sind nun mal da, die dadurch evtl. vermiedenen bleiben fiktiv und sind nicht gegenzurechnen, weil niemand weiss, wie die Geschichte anders verlaufen wäre. Vielleicht wäre ja der Messias herabgestiegen und hätte aus den Irakern Friedensengel gemacht.
Sicher ist nur, dass der Irak unter Saddam mit Gewalt zusammengehalten wurde, was pro Jahr zig-tausende Opfer politischer Gewalt gefordert hat. Dazu kam noch der 1. Golfkrieg gegen den Iran mit weit über 1 Mio Opfern.
Eine Fortdauer des Saddam-Regimes hätte eine Fortschreibung der politischen Gewalt im innern bedeutet, der weiter tatenlos zuzuschauen zumindest problematisch gewesen wäre.
Was passiert wäre, wenn irgendwann auf andere Weise der Deckel Saddam vom Dampftopf Irak genommen worden wäre, und sei es nur durch natürliches Ableben, kann sich jeder selbst ausmalen. Die Annhame, dass sich der Irak dann nicht viel anders als heute darstellen würde ist nicht gewagt. Aber da bin ich schon wieder bei hätte, wäre, wenn.
Kodo schrieb am 27.03.2008 18:06
Das Überflugverbot war meines Wissens nicht über dem Kurdengebiet; sondern über dem Süden, zum Schutz der Schiiten.
Es gab 2 Verbotszonen, im Süden und im Norden, die jeweils etwa 1/3 der Landesfläche ausmachten. Nur deswegen hatten die Kurden dann einigermassen Ruhe vor Saddam, vor allem auch vor seiner Luftwaffe.
Kodo schrieb am 27.03.2008 18:06
Erstaunlicherweise ist Martin der einzige, wenn ich das richtig sehe, der sagt, es hat sich nicht gelohnt.
Lexx hat sich auch in dieser Richtung geäußert.
Ich sage auch, es hat sich nicht gelohnt. Allerdings hält sich mein Mitgefühl für die gefallenen amerikanischen Soldaten in überschaubaren Grenzen. Von denen hatten alle Zugang zum Internet. Hätten sie die Augen nicht vor der Realität verschlossen hätten sie gewußt, von welcher korrupten Mischpoke sie in den Krieg gelogen wurden. Mir geht es vor allem um die irakischen Opfer.
He's five foot two and he's six feet four
He fights with missiles and with spears
He's all of thirty-one
And he's only seventeen
He's been a soldier for a thousand years
He's a Catholic, a Hindu, an atheist, a Jain
A Buddhist and a Baptist and a Jew
He knows he shouldn't kill
But he knows he always will
Kill you, my friend, for me and me for you
He's fighting for Canada, he's fighting for France
He's fighting for the USA
He's fighting for the Russians
And he's fighting for Japan
And he thinks he'll put an end to war that way
He's fighting for democracy, he's fighting for the Reds
He says it's for the peace of all
He's the one who must decide
Who's to live and who's to die
But he never sees the writing on the wall
But without him how would Hitler have condemned them at Dachau
Without him Caesar would have stood alone
He's the one who gives his body
As the weapon of the war
And without him all this killing can't go on
He's the universal soldier and he really is to blame
His orders come from far away no more
They come from him, and you, and me
And brother, can't you see
This is not the way to put an end to war...
~Donovan, Universal Soldier
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„Manchen Völkern genügt eine Katastrophe, sie zur Besinnung zu bringen. Deutschen, so scheint es, bedarf es des Untergangs.” --Arthur Moeller van den Bruck
„Wenn man so darüber nachdenkt ist es eigentlich erschreckend, wie wenig Politiker aufgeknüpft werden.” --G. K. Chesterton
„Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen.” --Mark Twain
Eine Fortdauer des Saddam-Regimes hätte eine Fortschreibung der politischen Gewalt im innern bedeutet, der weiter tatenlos zuzuschauen zumindest problematisch gewesen wäre.
FW
Saddam war immer Saddam.
Auch in den Zeiten, als er "Verbündeter" der USA war.
Die 5000 toten GIs und die 90.000 toten Iraker sind genau so tot, wie die Toten Saddams.
Wo ist der Unterschied?
Was verändert solche Kriege im Bewusstsein des Westens?
Nun, ich denke zu dem "IST" gehören auch die Hoffnungen und Erwartungen, die man jetzt hat.
Und wenn man die Frage stellt "ob es das wert war" stellt sich leider natürlich die Frage nach den Zahlen, wenn auch nicht ausschliesslich und vielleicht nicht einmal vorrangig. Andererseits war bei der Fragestellung explizit auf die 4000:90000 Opfer hingewiesen worden.
Allerdings würde ich sagen, dass es für eine Bewertung schlicht zu früh ist.
kater:
Gut, Hoffnung mag man als Verbesserung der Lage in die Bewertung des Jetzt hineinnehmen. Aber das ist dann einer der volatilsten Punkte und kann sich morgen schon ins Gegenteil verkehren.
Die potentiellen Opfer des Saddam Regimes können schlecht im Nachhinein als Rechtfertigung herhalten, ein darauf basierender militärischer Eingriff wäre völkerrechtlich ja doch ein bisschen problematisch gewesen, und China wäre dann wohl das nächste auserwählte Land.
Das offizielle Ziel war die Beseitigung der atomaren Gefahr. Deren Nichtexistenz war wohl schnell geklärt. Dann haben sich erst UN und die Kriegsparteien auf den Irak gestürzt, um dort gute Demokratie einzuführen. Der Affe blieb an den Amerikanern hängen, nachdem die andern mehr oder weniger schnell wieder davongelaufen sind. Da ich den Amerikanern durchaus nicht so viel Uneigennützigkeit zutraue, nehme ich mal an, dass noch andere strategische Ziele eine Rolle gespielt haben. Da diese nicht offiziell kommuniziert sind, ist es schwierig, die Erfolgsbilanz der Amerikaner zu bestimmen. Nichtsdestotrotz habe ich den Verdacht, dass diese negativ ausfällt.
Kodo schrieb am 27.03.2008 18:06
Aber die Frage ist schon wichtig, was rechtfertigt das bewusste Opfern von Menschen, um irgendwas angeblich Gutes zu erreichen (Saddam aufhängen) und wie unterscheidet man sich von den Saddams und Bin Ladens?
Wie?!
Indem man es tut.
Indem man sich von ihnen - den anderen - unterscheidet.
Man definiert sich als gut, richtig, positiv u.ae. und die Gegenseite eben als boese, schlecht, negativ, falsch u.ae.
Je nach Sichtweise, Perspektive, Einstellung, Ansicht, Konditionierung, usw. - insofern (fast immer*) relativ.
Gute (Kern)Frage uebrigens.
wh
* gibts irgendwelche prinzipiell immer korrekten Definitionen von Gut und Boese?
Lexx schrieb am 28.03.2008 14:19
Werhamster:
Nein, gibt es nicht, da "gut" und "böse" von sich aus moralische bzw. wertende Begriffe sind.
Man definiert sich als gut, richtig, positiv u.ae. und die Gegenseite eben als boese, schlecht, negativ, falsch"
Das tut die Gegenseite aber genauso und man ist doch wieder gleich. Das kann es also nicht sein.
Du weißt nicht, was Gut und Böse ist?
Das gegenseitige Definieren ist doch so erfolgt.
Obwohl Saddam oder Bin Laden natürlich wirklich böse sind oder waren.
Aber ist Bush gut, weil er 4.000 junge Soldatinnen und Soldaten und ca. 90.000 Iraker/innen "geopfert" hat?
Lexx schrieb am 28.03.2008 14:19 Man definiert sich als gut, richtig, positiv u.ae. und die Gegenseite eben als boese, schlecht, negativ, falsch"
Das tut die Gegenseite aber genauso und man ist doch wieder gleich. Das kann es also nicht sein.
Das ist es aber.
Und man ist ja nicht gleich.
Deshalb bewertet man sich selbst ja als gut und den anderen als boese.
Relevant ist dabei meist nur, wie sehr sich eine Seite gegen die andere durchsetzen kann. So hatten zb die Nazis die Macht, sich als Gute und die Juden als Boese darzustellen - und als sie die Macht nicht mehr hatten, galt die Definition der Gegenseite. Et voila...
Werhamster:
Was ich damit sagen wollte ist, dass das Problem vollkommen symmetrisch ist.
Kodos Frage war: Wie unterscheidet man sich von Hussein und Bin Laden?
Deine Antwort war: Indem man die anderen als böse und sich als gut bewertet.
Mein Einwand: Das tut die Gegenseite genauso, somit wird das Problem symmetrisch und man ist eben genau NICHT anders als die Gegenseite, sondern hat sich im Gegenteil gleich gemacht.
Lexx schrieb am 28.03.2008 14:19 Man definiert sich als gut, richtig, positiv u.ae. und die Gegenseite eben als boese, schlecht, negativ, falsch"
Das tut die Gegenseite aber genauso und man ist doch wieder gleich. Das kann es also nicht sein.
Das ist es aber.
Und man ist ja nicht gleich.
Deshalb bewertet man sich selbst ja als gut und den anderen als boese.
Relevant ist dabei meist nur, wie sehr sich eine Seite gegen die andere durchsetzen kann. So hatten zb die Nazis die Macht, sich als Gute und die Juden als Boese darzustellen - und als sie die Macht nicht mehr hatten, galt die Definition der Gegenseite. Et voila...
wh
Wer ist die Gegenseite?
Gut und Böse ist keine Frage der Definition.
Schon Babys können nach neuesten Untersuchungen zwischen Gut und Böse unterscheiden.
Nur Psychopathen können nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden.
Heikel wird das Problem ist dann, wenn Politiker, wie Bush im Falle des Irak, vorgeben, wer Gut und Böse ist (Achse des Bösen).
Und damit auf einer quasi religiös eingefärbten Ebene versuchen, das natürliche Empfinden für Gut und Böse zu manipulieren.
Das hat Bin Laden auch gemacht; wobei ich Bush nicht mit Bin Laden gleichsetzen will.
Beide wollen aber etwas Positives erreichen, indem sie Leid verursachen.
Die Nazis haben die Vernichtung der Juden mit ihrer Rassenlehre wissentschaftlich begründet.
Ganz interessant, welche Folgen Atheismus und Wissenschaftsgläubigkeit haben können.
Die NS-Rassenlehre war schon immer falsch und krank; unabhängig von ihrer Durchsetzung.
Das Problem ist die Frage, ob man Leiden mit Leiden bekämpfen soll.
Lexx schrieb am 30.03.2008 12:04
Werhamster:
Was ich damit sagen wollte ist, dass das Problem vollkommen symmetrisch ist.
Kodos Frage war: Wie unterscheidet man sich von Hussein und Bin Laden?
Deine Antwort war: Indem man die anderen als böse und sich als gut bewertet.
Mein Einwand: Das tut die Gegenseite genauso, somit wird das Problem symmetrisch und man ist eben genau NICHT anders als die Gegenseite, sondern hat sich im Gegenteil gleich gemacht.
Das Problem mag gleich/symmetrisch sein - aber nicht die beiden Seiten und ihre Definitionen.
Denn auf der einen Seite definieren sich zb schwarze Menschen als Gute, weil schwarz=gut und die weiszen Menschen gegenueber als Boese, weil weisz=boese. Und auf der anderen Seite machen es die weiszen Menschen genau gegenteilig.
Das ist ein gleiches Problem - oder besser Verhalten - aber die Seiten sind ganz und gar nicht gleich, sondern weisz und schwarz und auch ihre Definitionen sind voellig unterschiedlich.
Noch lustiger wird es dann, wenn als dritte Gruppe die Grauen hinzukommen und ihrerseits definieren bzw. von den beiden anderen Gruppen ueberzeugt werden sollen.