Der sächsische Landtag hat den Weg für eine Anklage gegen den NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel wegen Verunglimpfung des Staates freigemacht und dessen Immunität als Abgeordneten aufgehoben. Warum? Er hat im Internet gegen die Deutsche Justiz gehetzt und sie 'Hure der antideutschen Politik' genannt. Damit verunglimpfte er aus Sicht der Anklagebehörde die verfassungsmäßige Ordnung und die Gewaltenteilung in der Bundesrepublik.
Hallo? Wenn hier jemand die Gewaltenteilung verunglimpft dann der sächsische Landtag, der eine politische Meinung nutzt um gegen einen Abgeordneten juristisch vorzugehen.
Nicht nur der Fall, auch das neuerlich aufkommende Begehren gegen die Nazis zeigt, wie ratlos die deutsche Politik gegenüber der politischen Extremen ist.
Nicht nur der Fall, auch das neuerlich aufkommende Begehren gegen die Nazis zeigt, wie ratlos die deutsche Politik gegenüber der politischen Extremen ist.
Soweit sind wir uns einig. Man würde die NPD am liebsten verbieten, traut sich aber nicht, weil viele fürchten, wie beim letzten mal vor dem Verfassungsgericht zu scheitern. Und ob ein NPD-Verbot das Phänomen des wiedererstarkenden Rechtsradikalismus beheben würde ist dann noch eine weitere Frage.
Was die Aufhebung der Immunität betrifft, liegst du falsch. Der Landtag (alle, auch der Bundestag) hebt routinemässig die Immunität auf, wenn gegen einen Abgeordneten ermittelt wird und Anklage erhoben werden soll. Mir ist kein Fall bekannt, in dem das abgelehnt worden wäre. Das ist kein juristisches Vorgehen, sondern parlamentarische Routine. Das ist nicht einmal eine Vorverurteilung. Das Urteil fällt das Gericht, vor dem die Anklage verhandelt wird.
Wozu brauchen Abgeordnete dann Immunität, wenn sie routinemäßig aufgehoben wird? Oder braucht man sie nicht gerade dann, wenn Abgeordnete vor Mißbrauch der Justisdiction gegen sie geschützt werden müssen? Dann wäre die Aufhebung im vorliegenden Fall kritisch zu beurteilen, da offensichtlich die Justiz Ziel der Anschuldigungen des Abgeordneten war. Das liest sich nicht sehr sauber im Sinne der Gewaltenteilung.
F-W schrieb am 06.05.2008 17:23
Das ist kein juristisches Vorgehen, sondern parlamentarische Routine.
Nur, dass die juristische Konsequenz zeitigende 'parlamentarische Routine', eine politische Aktion betrifft. Der Abgeordnete hat niemanden umgebracht oder bedroht, er hat sich verbal mit dem politischen System auseinandergesetzt und seiner Oppositionsrolle gemäss scharf attackiert. Wer sich so missliebige Gegner vom Hals schafft muss sich fragen lassen, wieweit es hier mit der Gewaltenteilung bestellt ist.
MartiS2 schrieb am 06.05.2008 18:23
Wozu brauchen Abgeordnete dann Immunität, wenn sie routinemäßig aufgehoben wird? Oder braucht man sie nicht gerade dann, wenn Abgeordnete vor Mißbrauch der Justisdiction gegen sie geschützt werden müssen? Dann wäre die Aufhebung im vorliegenden Fall kritisch zu beurteilen, da offensichtlich die Justiz Ziel der Anschuldigungen des Abgeordneten war. Das liest sich nicht sehr sauber im Sinne der Gewaltenteilung.
Gruß, Martin
Die Immunität soll Abgeordnete vor Repressionen schützen, die mit der Ausübung ihres Mandates im Zusammenhang stehen. Sie soll ihnen aber nicht Unangreifbarkeit für kriminelle Aktionen gewähren, die mit seinem Amt nichts zu tun haben. Es hat, auch im sächsischen Landtag, mal grosse Aufregung wegen nicht genehmer Äusserungen eines NPD-Abgeordneten vor dem Plenum gegeben. Auch da wollte man ihn belangen. Ging aber nicht, er war durch seine Immunität geschützt. Das Landtagspräsidium sah auch keine Möglichkeit sie aufzuheben.
F-W schrieb am 06.05.2008 20:58
Die Immunität soll Abgeordnete vor Repressionen schützen, die mit der Ausübung ihres Mandates im Zusammenhang stehen. Sie soll ihnen aber nicht Unangreifbarkeit für kriminelle Aktionen gewähren, die mit seinem Amt nichts zu tun haben. Es hat, auch im sächsischen Landtag, mal grosse Aufregung wegen nicht genehmer Äusserungen eines NPD-Abgeordneten vor dem Plenum gegeben. Auch da wollte man ihn belangen. Ging aber nicht, er war durch seine Immunität geschützt. Das Landtagspräsidium sah auch keine Möglichkeit sie aufzuheben.
FW
FW,
Abgeordnete dürfen ja grundsätzlich nicht wegen Meinungsäußerungen im Parlament oder bei mit ihrem Amt verknüpften Tätigkeiten bestraft werden. Wenn die in einem Internetportal gemachten Äußerungen auch im Rahmen seiner parlamentarischen Tätigkeit gefallen sind, dann dürften sie kaum als 'kriminell' eingestuft werden können.
Trotzdem sieht der Fall reichlich konstruiert aus. Wir haben nach wie vor eine links-rechts Asymmetrie.
"Trotzdem sieht der Fall reichlich konstruiert aus. Wir haben nach wie vor eine links-rechts Asymmetrie."
Das mit der Asymmetrie will ich ja garnicht bestreiten, ob aber seine Internet-Äußerungen in den vom GG geschaffenen geschützten Bereich fallen, bezweifle ich. Er hat das Rechtssystem hier doch deutlich "unter der Gürtellinie" angegriffen.
WRL007 schrieb am 06.05.2008 23:37
"Trotzdem sieht der Fall reichlich konstruiert aus. Wir haben nach wie vor eine links-rechts Asymmetrie."
Das mit der Asymmetrie will ich ja garnicht bestreiten, ob aber seine Internet-Äußerungen in den vom GG geschaffenen geschützten Bereich fallen, bezweifle ich. Er hat das Rechtssystem hier doch deutlich "unter der Gürtellinie" angegriffen.
Gruß
WRL
Da wäre ja mal interessant, zusammenzutragen, welche Verbalattacken zu RAF-Zeiten auf das deutsche Justizsystem von heute prominenten Grünen und Linken gefahren worden waren, ohne das von Staatsanwaltschaften über eine Klage wegen 'Verunglimpfung' der Gewaltenteilung nachgedacht worden ist.
MartiS2 schrieb am 07.05.2008 05:10
Da wäre ja mal interessant, zusammenzutragen, welche Verbalattacken zu RAF-Zeiten auf das deutsche Justizsystem von heute prominenten Grünen und Linken gefahren worden waren, ohne das von Staatsanwaltschaften über eine Klage wegen 'Verunglimpfung' der Gewaltenteilung nachgedacht worden ist.
Gruß, Martin
Naja, vermutlich sind die Deutschen diesbezüglich im Laufe der Zeit etwas hellhöriger geworden (insbesondere was das rechte Ohr angeht).
MartiS2 schrieb am 07.05.2008 05:10
Da wäre ja mal interessant, zusammenzutragen, welche Verbalattacken zu RAF-Zeiten auf das deutsche Justizsystem von heute prominenten Grünen und Linken gefahren worden waren, ohne das von Staatsanwaltschaften über eine Klage wegen 'Verunglimpfung' der Gewaltenteilung nachgedacht worden ist.
Gruß, Martin
Naja, vermutlich sind die Deutschen diesbezüglich im Laufe der Zeit etwas hellhöriger geworden (insbesondere was das rechte Ohr angeht).
Wobei zu gelten scheint, dass der Widerstand gegen die Nazis mit dem zeitlichen Abstand zu dritten Reich zu steigen scheint, was merkwürdigerweise für die Leidtragenden des DDR-Regimes im Verhältnis zu Honni und Nachfolger nicht zuzutreffen scheint.
"Wobei zu gelten scheint, dass der Widerstand gegen die Nazis mit dem zeitlichen Abstand zu dritten Reich zu steigen scheint, was merkwürdigerweise für die Leidtragenden des DDR-Regimes im Verhältnis zu Honni und Nachfolger nicht zuzutreffen scheint."
Vielleicht kommt das noch mit zunehmendem Abstand.
Mein Eindruck ist allerdings ein anderer - mit zunehmendem Abstand werden die ex-DDR-Verhältnisse eher verklärt. Aber wenn ich meinen Schwiegervater betrachte, so geht mir das bei ihm mit den ex-3.Reich-Verhältnissen ebenso.
ich meinte nicht den individuellen Widerstand, sondern den der dominierenden politischen Parteien und der staatlichen Administration. Mir fallen Meldungen auf, wie
- weil eine NPD? Organisation in einem erworbenen Haus eine Parteizentrale einrichten will, wird die ganze Straße zu einem reinen Wohngebiet erklärt, um dies zu verhindern
- eingetragenen Vereinen mit rechtsgerichteten Tendenzen (nicht linksgerichteten) soll die Gemeinnützigkeit aberkannt werden (per Gesetzesänderung / kam gestern in 'Frontal')
- Verhinderung von Anmietung von Versammlungsräumen für Treffen durch rechte Parteien durch alle denkbaren administrativen Tricks.
Nicht, dass ich irgendwelche Sympathien für diese Parteien hege, aber ein Staat, in der Exekutive und Legislative derart parteiisch eingesetzt wird, ist keine Demokratie, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung dies so hinnimmt. Für die Vertreter der anderen Parteien ist es ein Armutszeugnis, wenn sie kein Vertrauen in eigene bessere Argumente und den Wähler haben.
Es sei daran erinnert, dass auch Hitler mit Hilfe der Exekutive (Verhaftung missliebiger Abgeordneter) dafür gesorgt hat, dass sich der Reichstag selbst entmachtet hat (interessant im Zusammenhang mit der Immunität von Abgeordneten).
WRL007 schrieb am 06.05.2008 23:37
ob aber seine Internet-Äußerungen in den vom GG geschaffenen geschützten Bereich fallen, bezweifle ich. Er hat das Rechtssystem hier doch deutlich "unter der Gürtellinie" angegriffen.
Lafontaine quatscht doch jeden Tag sowas in die Mikrophone. Da ist dann von "Schande" und "skandalösen deutschen Verhältnissen" die Rede, ohne dass der Bundestag umgehend dessen Immunität aufhebt, um die längst fällige Einweisung in die Klappsmühle zu vollziehen.
DP schrieb am 06.05.2008 18:36
Der Abgeordnete hat niemanden umgebracht oder bedroht, er hat sich verbal mit dem politischen System auseinandergesetzt und seiner Oppositionsrolle gemäss scharf attackiert. Wer sich so missliebige Gegner vom Hals schafft muss sich fragen lassen, wieweit es hier mit der Gewaltenteilung bestellt ist.
*zustimm*
Zitat:
F-W schrieb am 06.05.2008 17:23
Man würde die NPD am liebsten verbieten, traut sich aber nicht, weil viele fürchten, wie beim letzten mal vor dem Verfassungsgericht zu scheitern.
Oder weil manche fuerchten, nicht zu scheitern und damit die Anhaenger in den Untergrund zu treiben, wo sie schlechter zu orten sind.
Zitat:
Und ob ein NPD-Verbot das Phänomen des wiedererstarkenden Rechtsradikalismus beheben würde ist dann noch eine weitere Frage.
Man wuerde ggf. sogar das Gegenteil erreichen.
Und Ansichten ueber Gott, die welt und das eigene Umfeld macht man nicht an Parteien fest.
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