Dies ist meine Version; Gysi sei nach eigenen Angaben damals schon so souverän wie heute. Das heisst im Klartext; die gleiche Selbstverliebtheit, Gerechtigkeitsgefühl und Brillanz hat ihn damals verführt mit der Stasi deals zu verabreden, deals, die ihm nicht schadeten, weil er natürlich so clever war, nichts kompromittierendes zu unterschreiben (zweifellos nicht, weil er Angst hatte vor der Wende sondern um seinen Einfluss gegenüber der Stasi zu demonstrieren), die letzlich hilfreich waren für seine Mandanten. Zwei mittelbare Zeitzeugen meldeten sich je zu Wort, die Söhne von Rudolf Bahro und Robert Havemann bezeugen, dass Gysi im Sinne ihres Vaters handelten. Davon bin ich überzeugt. Was genau ist denn Gysi vorzuwerfen? Die Kompensation für die deals waren Internas seiner Mandanten und wie wir anhand der Akten jetzt wissen waren diese Informationen adäquat dem Material gewöhnlicher IM Spitzel.
Aber die Sache hat auch ein Geschmäckle. Die stets in diesen Fällen vorgebrachten Verschwörungstheorien der Linken, der Staat in Gestalt von Frau Birthler und ihrer Behörde, wird politisch instrumentalisiert, ist wohl nicht vollends zu entkräften. Es gibt wohl keinen Fall, der so intensiv rekonstruiert wird wie der Fall Gysi. So entsteht der Eindruck, der Staat verwendet öffentliche Gelder um die Exponenten der LP zu diskreditieren, wobei eh zu vermuten bleibt, dass sich das kontraproduktiv auswirken wird.
Das ist genau das Problem. Gysi hat jeden, der Informationen zu seinen Handlungen damals veröffentlichen wollte nach Strich und Faden verklagt. Man muss zwar zugestehen, dass er diese Prozesse gewonnen hat, das muss aber nicht daran liegen, dass die Informationen falsch oder nicht belastend wahren.
Somit ist die Frage schon interessant.
Vielleicht sollte Gysi seine Akten einfach mal offenlegen. Dann müsste er sich auch nicht immer gegen Gerüchte zur Wehr setzen.
Nach der neuen Aktenlage sieht es aber weit konkreter und klarer danach aus, dass es eine Zusammenarbeit gegeben haben muss. Gysi hat dagegen nur sein Wort sowie Indizien, z.B. die, nachder das MfS 1986 einschätzte, dass Gysi als IM ungeeignet wäre.
Es ist ziemlich uninteressant, ob Gysi IM war oder nicht.
Er war Teil des Systems, der Führungsebene.
Im Grunde durch Geburt.
Später durch aktives Handeln.
Hat sich Gysi denn nicht recht offen zu seiner exquisit exklusiven Rolle gegenüber dem DDR-Regime bekannt? Was denn mehr? Für seine Wähler dürfte es doch kaum noch Zweifel über seine Rolle gegeben haben.
Wird der Mann trotzdem gewählt, dann ist das doch Demokratie. Oder gibt es eine Zulassungsprüfung für Abgeordnete?
Es macht eben schon einen Unterschied, wenn Gysi hinter dem Rücken seiner Mandanten der Stasi Informationen zuspielte.
Natürlich nicht mehr bei seinen Wählern.
Insbesondere Freiheitsstrafen sehen einen (zeitweisen) Entzug des passiven Wahlrechts vor. Und eine Stasi-Tätigkeit ist zumindest moralisch mit einer entsprechenden Straftat durchaus zu vergleichen. Natürlich sind etwaige Stasi-Tätigkeiten in dieser Hinsicht längst verjährt, aber die Moral spielt in der Politik mitunter eine größere Rolle als das Recht.
"Bundeskanzlerin Merkel war glühende Jungkommunistin", "weil sie FDJ Sekretärin war".
Wer sowas erzählt kann eigentlich nur aus dem Westen kommen. FDJ Sekretär sagt über die politische Gesinnung gar nichts aus und bedeutet in etwa heute Klassensprecher.