Mit Blick auf die EU-Kandidatur der Türkei stellt sich diese Frage durchaus, wenn man das hier liest: "http://www.tagesschau.de/ausland/kopftuchgesetz4.html"
...oder wenigstens die Überschrift.
Der Inhalt in Kürze:
Das oberste Gericht der Türkei hat Erdogans Gesetztesänderung einkassiert, die Kopftücher an türkischen Hochschulen erlaubt hat. Damit gilt wieder das Kopftuchverbot.
Das Gericht beruft sich auf die in der Verfassung festgelegte Säkularität und den Laizismus.
Das Argument des religiösen Freiheitsrecht hat damit verloren.
Sollte die Regierung sich also ein Beispiel an der Argumentation der Richter nehmen?
Möglicherweise bekommt sie dazu nicht mehr die Gelegenheit, denn der Schluss des Artikels deutet darauf hin, dass Erdogans Partei vielleicht ebenfalls verboten wird.
Sollte die Regierung sich also ein Beispiel an der Argumentation der Richter nehmen?
Möglicherweise bekommt sie dazu nicht mehr die Gelegenheit, denn der Schluss des Artikels deutet darauf hin, dass Erdogans Partei vielleicht ebenfalls verboten wird.
Was ja dann entgegen deiner zuerst aufgestellten These wäre, dass das türkische VG in der EU Frage weiter wäre. Die hat nämlich absolut nichts gegen ein Kopftuchzulassung an Hochschulen, so wie es in allen Appeasment Staaten (Rocky) wie Deutschland üblich ist, sondern erklärte, dass die Absetzung der islamistischen AKP die Einfrierung des Aufnahmegesuches zur Folge hätte.
Zumindest für eine Woche oder so.
DP:
Was die EU sagt und was die EU denkt, sind wie üblich in der Politik zwei verschiedene Dinge. Ich bin mir sicher die Mehrheit der Politiker begrüßt die Wiedereinführung des Verbots. Multikulti-Spinner natürlich nicht.
Ein säkulares und nach unseren Maßstäben rechtsstaatliches Rechtssystem ist schließlich eines der Schlüsselprobleme (der Türkentum-Paragraph zum Beispiel). Dafür ist natürlich der Gesetzgeber zuständig.
Das Kopftuchverbot ist ja auch nicht das Problem. Aber es gibt Stimmen die meinen, dies wäre der Auftakt zum Verbot der AKP. Das hiesse; die mit absoluter Mehrheit gewählte Regierungspartei wird durch die Jurikative abgesetzt. Die Regierung entmachtet. Der Staatspräsident abgesetzt. Die EU kann gar nicht anders als hier die Reissleine zu ziehen.
Aber ok, das wäre der Türkei dann wohl geringstes Problem.
DP schrieb am 05.06.2008 21:42
Das Kopftuchverbot ist ja auch nicht das Problem. Aber es gibt Stimmen die meinen, dies wäre der Auftakt zum Verbot der AKP. Das hiesse; die mit absoluter Mehrheit gewählte Regierungspartei wird durch die Jurikative abgesetzt. Die Regierung entmachtet. Der Staatspräsident abgesetzt. Die EU kann gar nicht anders als hier die Reissleine zu ziehen.
Da bin ich aber gar nicht so sicher.
Mit absoluter Mehrheit gewählt oder nicht, wenn die Judikative feststellt, daß es sich dabei um eine, im Sinne der geltenden türkischen Verfassung, verfassungswidrige Organisation handelt, dann können die Verfassungsrichter gar nicht anders, als diese Partei zu verbieten. Es sei denn, der Souverän (also das Volk) veranlaßt (per Wahl, Volksentscheid oder sonstwelche, in der Verfassung vorgesehenen Mittel) die Legislative, die Verfassung in diesem Punkt zu ändern. Dann hat die Judikative einen neuen Fall zu verhandeln.
Ich gehe mal davon aus, daß das den Spielregeln eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens entspricht, das die Türkei zu sein ja für sich in Anspruch nimmt. Insofern sollte sich das "Reißleine ziehen" seitens der EU hier in ziemlich engen Grenzen bewegen müssen.
Wir reden hier nicht von der Absetzung des Gemeinderates von Posemuckel. Die AKP führt seit Jahren eine stabile Regierung. Es war diese Regierung, die den Reformprozess einleitete und als Bürge für deren Einhaltung gegenüber der EU steht. Diese Regierung verantwortet einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung und durch ihre Erfolge hat sie sogar das Militär weitgehend unter Kontrolle.
Das wäre dann also beendet. Wir sprechen hier nicht einfach von Neuwahlen. Wir sprechen von einer drohenden Finanz- und Wirtschaftskrise, einem Wiedererstarken der politischen Macht der Generäle, einer allgemeinen Schwächung der Politik und der Regierung in der Gesellschaft und wohl mit dem irreversiblen Ende des Reformprozesses, an dessen Ende ja mal sowas wie eine EU Konformität stand.
Ich sags nochmal; wie sich die EU selbst dazu stellt ist für die Türken das geringste Übel.
Du verlangst vom türkischen Verfassungsgericht, die politischen und wirtschaftlichen Nachteile ins Kalkül zu ziehen, die ein Verbot der AKP nach ziehen würde, also nach politischer Opportunität zu entscheiden.
Nehme ich mal unser Bundesvefassungsgericht als Masstab, dann dürfte all das keine Rolle spielen, sondern nur, ob diese Partei die Verbotsvoraussetzungen erfüllt. Siehe die Entscheidung zum NPD-Verbot.
Und es geht nicht um irgendeinen diktatorischen Idiotenkram wie Verstoss gegen das Türkentum, sondern um die Verletzung des Laizismus, also der Trennung von "Kirche" und Staat. Dieses Verffassungsgebot steht nicht in der Kritik der EU, auch in Frankreich z.B. ist es unveräusserlicher Grundbestand der Verfassung.
Ein evtl. Verbotsurteil wird sicher auch auf internationaler Ebene bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, aber letztenendes wird man an der Rechtsstaatlichkeit nicht rütteln können. Im Gegensatz zu einem Putsch der Militärs.
Die AKP jedenfalls nimmt die Bedrohung sehr ernst und trifft schon Vorbereitungen für die "Zeit danach".
Die EU und die internationale Gemeinschaft werden offiziell nicht mehr tun können als das Urteil zur Kenntnis zu nehmen und hinterher politische Schadensbegrezung betreiben.
F-W schrieb am 06.06.2008 09:56
Ein evtl. Verbotsurteil wird sicher auch auf internationaler Ebene bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, aber letztenendes wird man an der Rechtsstaatlichkeit nicht rütteln können. Im Gegensatz zu einem Putsch der Militärs.
FW
Komisch, jeder hier geht von einem rechtsstaatlichen Verfahren aus.
Wieso eigentlich?
F-W schrieb am 06.06.2008 09:56
Du verlangst vom türkischen Verfassungsgericht, die politischen und wirtschaftlichen Nachteile ins Kalkül zu ziehen, die ein Verbot der AKP nach ziehen würde, also nach politischer Opportunität zu entscheiden.
Nehme ich mal unser Bundesvefassungsgericht als Masstab, dann dürfte all das keine Rolle spielen, sondern nur, ob diese Partei die Verbotsvoraussetzungen erfüllt. Siehe die Entscheidung zum NPD-Verbot.
Und es geht nicht um irgendeinen diktatorischen Idiotenkram wie Verstoss gegen das Türkentum, sondern um die Verletzung des Laizismus, also der Trennung von "Kirche" und Staat. Dieses Verffassungsgebot steht nicht in der Kritik der EU, auch in Frankreich z.B. ist es unveräusserlicher Grundbestand der Verfassung.
Ein evtl. Verbotsurteil wird sicher auch auf internationaler Ebene bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, aber letztenendes wird man an der Rechtsstaatlichkeit nicht rütteln können. Im Gegensatz zu einem Putsch der Militärs.
Die AKP jedenfalls nimmt die Bedrohung sehr ernst und trifft schon Vorbereitungen für die "Zeit danach".
Die EU und die internationale Gemeinschaft werden offiziell nicht mehr tun können als das Urteil zur Kenntnis zu nehmen und hinterher politische Schadensbegrezung betreiben.
FW
FW, natürlich erwarte ich von dem VG, dass es die politischen Konsequenzen einkalkuliert bei ihrem Entscheid, ist ja absurd das in Abrede stellen zu wollen oder zu können, angesichts des Stellenwertes der Partei und Regierung. Die wirtschaftlichen - nun die wird man eh schwer abschätzen können, aber sie stehen im Kontext mit dem allgemeinen Zustand der Gesellschaft.
Dein Beispiel des BVG in Ehren, aber hier liegen doch Welten dazwischen. Lieber sollte man sich fragen, was das für Konsequenzen in der Auffassung der Rechtsstaatlichkeit der Türken hätte. Ein Beispiel; Seit etwa 5 Jahren ist man dabei, die wilden, also ohne Grundstücksbesitz und ohne Architekt gebauten Häuser an der Peripherie Istanbuls zu kanonisieren, also den Mist abzureissen und was zu gebrauchen ist zu legalisieren. Ein äusserst schmerzhafter Prozess. Sind 10 Gebäude begradigt werden 3 neu wild gebaut. Der Staat, den das lange nicht gekümmert hat, ist aber auf dem Vormarsch und in etwa 20 Jahren wird das Ganze bereinigt werden. Dieser Respekt vor der Autorität des Staates muss sich hart erkämpft werden. Früher wurde das mit Geld und Brutalität durchgesetzt.
Und mit Verlaub, die Trennung von Staat und Kirche wird in der Türkei mitnichten wieder aufgehoben, wenn Schülerinnen an der Universität ein Kopftuch tragen dürfen. Hier zieht die Türkei nur nach was im Westen gang und gäbe ist. Natürlich ist das auch bedenklich, aber he, das hat eine Partei durchgesetzt, die nach demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln ihre Interessen durchsetzt. So what.
Es gibt und gab nie einen Laizismus in der Türkei.
Das ist eine rein ideologische, aber leere Behauptung der Militärs und der bedeutungslosen, kemalistischen Parteien.
Der Islam ist faktisch Staatsreligion.
Bei uns werden auch immer wieder Gesetze vom BVG kassiert, die von den demokratisch legitimierten regierenden Parteien in demokratischer Abstimmung im Parlament durchgesetzt wurden.