Wie die FAZ darlegt, sind die Australier ziemlich rigoros in ihren Einwanderungsbestimmungen. Um nicht zu sagen utilitaristisch wird rein nach dem Nutzenprinzip geurteilt.
Sicher ein extremer Ansatz, der freilich, wie auch in diesem Falle zu ethischen Fragen führt. Aber deshalb im Grundsatz falsch?
Jedes Land hat das Recht, sich auszusuchen, wer als Einwanderer ins Land kommt und wer nicht, also die Kriterien für eine Einwanderung von Ausländern festzulegen. Hier überwog offensichtlich bei der Abwägung: Vater gegen den Ärztemangel - Sohn ist behindert, die Behinderung des Sohnes, und damit war das Einwanderungsgesuch abgelehnt. Basta!
Ich wünschte mir, hierzulande würde man ähnlich rigoros entscheiden.
Wurde das Kind in Australien geboren ?
Wenn ja, ist es ein Unding jetzt auszuweisen.
Wenn nein, hätte man schon bei der Einwanderung nein sagen sollen.
Bei einem armen Einwanderer könnte ich diese "Kosten-Nutzen-Rechnung" ja noch verstehen. Aber bei diesem Arzt scheint eher der australische Staat der entsprechenden Gemeinde gehörig ins Bein zu schießen.
dewo schrieb am 31.10.2008 16:47
> "Aber deshalb im Grundsatz falsch?"
> Nein.
> Jedes Land hat das Recht, sich auszusuchen, wer als Einwanderer ins Land kommt
> ...
> Ich wünschte mir, hierzulande würde man ähnlich rigoros entscheiden.
dewo schrieb am 31.10.2008 16:47
"Aber deshalb im Grundsatz falsch?"
Nein.
Jedes Land hat das Recht, sich auszusuchen, wer als Einwanderer ins Land kommt und wer nicht, also die Kriterien für eine Einwanderung von Ausländern festzulegen. Hier überwog offensichtlich bei der Abwägung: Vater gegen den Ärztemangel - Sohn ist behindert, die Behinderung des Sohnes, und damit war das Einwanderungsgesuch abgelehnt. Basta!
Ich wünschte mir, hierzulande würde man ähnlich rigoros entscheiden.
Konsequent weitergedacht führt diese rein utilitaristische Denke geradewegs in die Euthanasie unwerten Lebens.
"Konsequent weitergedacht führt diese rein utilitaristische Denke geradewegs in die Euthanasie unwerten Lebens."
Dann muss man aber schon sehr weit über den geschilderten Fall hinausdenken.
Ist es nicht so, dass Australien (und ein paar andere Staaten) einem potentiellen Einwanderer nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung gibt und der p.E. es a) weiß und sich b) darauf eingelassen hat.
Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist, dass hier, wenn ich das richtig verstanden habe, die örtliche Einwanderungsbehörde die möglichen Kosten für die Förderung/Unterbringung etc eines geistig behinderten Menschen gegen den "Nutzen" des Vaters abwägt und eine Entscheidung getroffen hat. Offensichtlich ist die übergeordnete Behörde bzw. der dieser Behörde Vorstehende anderer Meinung - das wird jetzt auszutragen sein.
Da darf man durchaus hoffen, dass die Entscheidung dann revidiert wird zugunsten des behinderten Jungen.
Die Kosten für die Betreuung eines mongoloiden Menschen sind langfristig sehr erheblich, dies sollte jedem klar sein. Wohnheim und Arbeitsplatz in einer beschützenden Werkstatt kosten in D zwischen 100 und 200 € pro Tag (der Schnitt wird wohl so bei 150 bis 170 € liegen) - in Australien dürfte es auf die lokale Kaufkraft bezogen nicht wesentlich anders sein. Ein Sachbearbeiter hat also schon über eine Menge Geld zu entscheiden, da will er vielleicht auf Nr. Sicher gehen, wer weiß. Daß die Eltern darüber alles andere als erfreut sind, ist klar, aber sie protestieren ja auch, wenn ich die Aussage des entsprechenden Ministers richtig verstanden habe, erfolgreich.
Das Beamte nach dem Motto entscheiden "im Zweifel für den Steuersäckel" ist ja nicht nur in Australien so.
Was nichts daran ändert, das ich persönlich die derzeitige Entscheidung für menschlich sehr fragwürdig halte.
Die buchhalterische Denke einiger Foristen erstaunt mich nicht wirklich, weil sie sich nicht zum ersten Mal meldet.
Läst mich aber trotzdem mal wieder etwas frösteln.
Was das kostet...
DP schrieb am 03.11.2008 14:12:
Konsequent weitergedacht führt diese rein utilitaristische Denke geradewegs in die Euthanasie unwerten Lebens.
***
Das ist aus zwei Gründen falsch.
1. Australien hat, wie jede westliche Demokratie, eine verfassungsmäßige Einschränkung des wirtschaftlichen und demokratischen Handelns. Die Demokratie westlicher Prägung ist gerade NICHT eine Demokratie nach griechischem Vorbild, wo schlicht ALLES disponibel war.
Sondern: es gibt Grundwerte und Grundrechte, die dem Zugriff sowohl des Tagesgeschäftes als auch dem Zugriff der Wähler entzogen sind.
Zu diesen Grundrechten gehört unter anderem das Leben selbst (weswegen ja auch die Todesstrafe in westlichen Demokratien weitgehend abgelehnt wird). Der Staat darf also weder direkt noch indirekt an Tötungen beteiligt sein.
Wer jetzt sophistisch sein möchte, der fängt an über das Exektuvrecht des Staates zu philosophieren: wieso "darf" der Staat Menschen erschießen ("Finale Rettungsschuss")? Nun, die Begründung dafür ist, dass in diesem Fall eine Abwägung gleich starker Grundrechte erfolgt (Leben gegen Leben).
Wird dagegen ein Leben gegen Geld abgewogen, dann sind das nicht gleich starke Grundrechte, weil das Leben über dem Besitz steht.
2. Ob etwas "geradewegs" irgendwohin führt, hängt nicht von philosophischen Traumwelten, sondern von real handelnden Menschen ab.
In meinen Traumwelten führt nämlich jede Entscheidung "geradewegs" entweder zu Mord und Totschlag oder zum Einzug ins Paradies - gerade, wie es mir in meiner Traumwelt beliebt. "Geradewegs" führt sogar die Produktion von Messern zu Verlusten an Menschenleben, da jedes Jahr dutzende Menschen allein in Deutschland erstochen werden.
"Geradewegs" ist also nicht anderes als eine Umschreibung der Tatsache, dass alles mit allem verwoben ist und man die Zukunft nicht kennt. Diese Aussage ist zwar unbestreitbar wahr, aber trotzdem hohl und nutzlos.
Ob also wirtschaftliche Erwägungen "geradewegs" zur Euthanasie führen, hängt nicht von den Ausgangsbedingungen, sondern von den Menschen ab, diesen Weg gehen - oder eben nicht. Und da habe ich in die Bürger Australiens mehr Vertrauen als beispielsweise in manche afrikanischen Stammesgesellschaften oder manche ultrareligiösen Gesellschaften.
Es ist nach meiner Meinung nämlich so, dass jede Gesellschaft in der Summe ihrer Bürger eine Art "Stimmung" hat, eben die lokale Kultur. Millionen Einzelhandlungen, die ARt und Weise wie man seine Kinder erzieht, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht (soziale Rückkopplung) usw - das alles führt dazu, dass in dem einen Gebiet von heute auf Morgen 500.000 Menschen mit Knüppeln erschlagen werden (Hutus gegen Tutsis) und im anderen Land eben nicht.
Schon klar, ich habe mit meinem polemischen Einwurf eben nicht das australische Einwanderungssystem gemeint sondern dewos "Grundsatz", dass jedes Land bar jeder ethischen Regeln* nach rein utilitaristischen Gesichtspunkten frei ist seine Gesetze festzulegen.