Der Zweite Senat des BVG entschied mit sechs zu zwei Stimmen, dass die Streichung der Pauschale für Nahpendler bis 20 Kilometer "mangels verfassungsrechtlich tragfähiger Begründung" mit dem Gleichheitssatzes des Grundgesetzes nicht vereinbar ist.
Die Einführung des sogenannten Werkstorprinzips, nach dem allein die räumliche Entfernung zum Arbeitsplatz entscheidend für die Abzugsfähigkeit der Kosten sei, stelle eine „singuläre Ausnahme“ innerhalb des geltenden Einkommensteuersystems dar. Solche Ausnahmen müssen nach Ansicht der Karlsruher Richter „hinreichend begründet“ werden - und zwar mit Förderungs- und Lenkungszielen. Das im Gesetzgebungsverfahren fast ausschließlich genannte Ziel der Haushaltskonsolidierung könne „trotz aller auch verfassungsrechtlichen Dringlichkeit für sich genommen die Neuregelung nicht rechtfertigen“ - schließlich gehe es um die gerechte Verteilung von Steuerlasten.
Dem BVG geht es also um die Gerechtigkeit vor dem Herrn. Ich finde das edel, dass sich das BVG um die allgemeine Steuergerechtigkeit bemüht. Dass die eine Gerechtigkeit viele weitere Ungerechtigkeiten kreiert, denn die 3,5mrd Euro Steuerausfall müssen ja nun anderweitig gespart werden, muss das Gericht nicht tangieren.
Hat sich das BVG früher damit begügt in die Politik reinzuschwatzen geriert es sich heuer als Moralapostel. Die Politik ist aber selber schuld. Wer den Kindern zu Weihnachten eine Trmmel kauft darf sich über Lärm nicht beschweren.
Die Entscheidung des BVG war m.E. zu erwarten und entspricht der bisherigen Regelung der "Werbungskosten". Dieses Prinzip aus rein haushaltstechnischen Gründen für eine Einzelne Maßnahme aufzugeben - da sagt das BVG völlig zu Recht, dass die Begründung nicht ausreichend ist.
Der Gesetzgeber setzt nun mal seine eigenen Standards, wenn er sie dann eigenhändig verbiegt, dann muss er es zumindest gut begründen, sonst wird ihm halt vom BVG gegebenenfalls auf die Finger geklopft.
Ach ja, auf dem Flughafen in Washington/DC ist ein Andenkenladen, der alle möglichen US-Souvenirs verkauft, u.a. ein Tshirt mit der schönen Aufschrift: "I love my country - it's the Government I am afraid of." Mit deutscher Fahne verziert würd ich auch eins tragen.
> Der Zweite Senat des BVG entschied mit sechs zu zwei Stimmen, dass die Streichung der Pauschale für Nahpendler bis 20 Kilometer "mangels verfassungsrechtlich tragfähiger Begründung" mit dem Gleichheitssatzes des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. ... Wer den Kindern zu Weihnachten eine Trmmel kauft darf sich über Lärm nicht beschweren.
Wenn etwas gegen unser Grundgesetz verstoeszt, verstoeszt es halt dagegen. Das BVG wegen der Feststellung und Abschaffung des Verstoszes mit nervenden Trommelkids zu vergleichen, ist schon seltsam.
Die Streichung der "Nahpendlerpauschale" war umweltpolitisch, verkehrspolitisch, oekologisch und oekonomisch eh unlogisch und vorn Arsch.
WRL007 schrieb am 09.12.2008 14:06
Ach ja, auf dem Flughafen in Washington/DC ist ein Andenkenladen, der alle möglichen US-Souvenirs verkauft, u.a. ein Tshirt mit der schönen Aufschrift: "I love my country - it's the Government I am afraid of." Mit deutscher Fahne verziert würd ich auch eins tragen.
"The nine most frightening words on earth: I'm from the government and I'm here to help."
Ich bedanke mich kurzsichtigerweise beim BVG, hat es doch meine Sicht der mangelnden Begründung bestätigt und mir ein paar Euro Rückzahlung beschert. Da dem Finanzministerium unter Eichel und Steinbrück die Arroganz und Selbstherrlichkeit aus allen Ritzen troff, ist so ein kleiner Schuss vor den Bug Balsam auf Volkes Seele.
Zu früh gefreut: Die machen das beim nächsten Mal halt etwas sauberer, die Ministerialbeamten wissen jetzt, dass sie nicht mehr so einfach schlampern können. Aber die Kohle werden sie weiter mit hoher Energie aus unseren Taschen ziehen.
Wurde/wird jetzt nicht auch die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung deutlich verlängert? Wer geglaubt hat, er wäre jetzt so langsam über die Runden, der hat sich getäuscht. Lebenslang für mehrfachen Mord ist heutzutage kein 'lebenslang' mehr, die Verfolgung der Steuerhinterziehung dagegen bald schon. Da sehe ich schon bald 80-jährige auf der Anklagebank sitzen und ihre Sünden aus grauer Vorzeit beichten . Jedenfalls werde ich jetzt die Aufbewahrungsfrist meiner alten Unterlagen verlängern und meinen Archivplatz verdoppeln.
kater_5 schrieb am 09.12.2008 13:53
"Dem BVG geht es also um die Gerechtigkeit vor dem Herrn. Ich finde das edel, dass sich das BVG um die allgemeine Steuergerechtigkeit bemüht."
Ich auch.
Ähm, naja, nicht, dass ich nicht für Steuergerechtigkeit wäre*, aber ist nicht die Regierung gewählt um sie angesichts des Haushaltes zu gestalten? Ob das nun toll begründet ist oder nicht (dann wirds eben nächstes mal besser begründet, so'n Schwachsinn) das ist doch nicht ihr Bier.
* Die gibt es m.M nach wirklich, nämlich in der subsidiaren Steuerautonomie; sprich wenn Bund, Länder/Kantone und Städte/Gemeinden die Hoheit über ihre Steuern haben und es zu einem Wettbewerb kommt. Dann kann sich jeder mit dem Wohnort seine Steuern selber aussuchen resp. diese mittels eigenem Voting erhöhen oder verringern.
" aber ist nicht die Regierung gewählt um sie angesichts des Haushaltes zu gestalten?"
Das sollte man glauben, allerdings macht die Masse an Klagen und Urteilen deutlich, dass die Regierungen nicht dazu neigen, das Grundgesetz bzw. dessen Auslegung durch das BVG zu verstehen oder gar umzusetzen. Auch ist die wählende Mehrheit natürlich schnell dabei, Minderheiten zu benachteiligen. Letzlich ist es Aufgabe des BVG dafür zu sorgen, dass die Regierung diese Grenzen des Grundgesetzes auch einhält.
Ob man jetzt die Pendlerpauschale für gerecht oder ungerecht hält, ist meiner Meinung nach erstmal zweitrangig, aber man sollte schon eine gewisse Konsequenz dabei an den Tag legen. Also entweder ist alles ausserhalb der Werktore Privatsache oder eben nicht.
Das BVG hat aber gar nichts gegen den Murks sondern es befand nur, dass der Murks nicht gut genug begründet wurde. Die Bundesregierung muss dasselbe Gesetz nur mit ein bisschen Gesülze verzieren dann wird es durchgewunken, das haben die Richter ja beim Urteil gleich hinterhergeliefert. Toll.
"Das BVG hat aber gar nichts gegen den Murks sondern es befand nur, dass der Murks nicht gut genug begründet wurde."
Woraus folgerst Du das ?
Aus dem Urteil des BVG kann ich das jedenfalls nur mit viel Mühe rauslesen. So am Anfang der Begründung. Da haben sie durchaus geschrieben, das mit der Argument der Sanierung der Finanzen nichts zu holen ist.
Danach haben die sich aber viel Mühe damit gegeben, darzulegen, warum andere Argumente auch nicht ziehen würden und kamen dann zu dem Urteil, dass das so gar nicht geht. Die derzeitige Lösung, mit der Absetzbarkeit ab dem 21 km wurde jedenfalls ziemlich runtergemacht.
In der Begründung hiess es, dass die Regelung eine Ausnahme darstelle, die einer "hinreichenden Begründung" bedarf - und zwar mit Förderungs- und Lenkungszielen. Damit ist doch schon alles gesagt. Die Ausnahme wäre ok wenn man sie mit ein bisschen Glamour garniert hätte. So wie beispielsweise Eichel bei der EU die hohe Neuverschuldung der rot-grünen BR mit allerlei Gesülze (Wiedervereinigung etc.) begründete und durch bekam.
Zum Schluss wies der Vorsitzende des Zweiten Senats expressis verbis darauf hin, "dass der Gesetzgeber aufgrund der vorliegenden Entscheidung nicht verpflichtet ist, die Pendlerpauschale in ihrer alten Reform wieder einzuführen." Man erwartet also regelrecht dasselbe nochmal in Grün, einfach nur nebst Kniefall der Bundesregierung vor dem BVG mit einer ausführlichen Begründung, drapiert mit feinen Wendungen, in denen die Finanzkrise, die Globalisierung, die Wiedervereinigung und die Herausvorderungen in einer Zeit, in der der Weltimperialismus und die Bonner Ultras... ach so nee das war ja Honecker. Naja sowas in der Art.
Das BVG fordert den Gesetzgeber auf zu begründen, warum der Nahpendler keine Cent aus der Pauschale sieht, Pendeln ab 21 Kilometer Entfernung hingegen auf einmal der besonderen Förderung bedarf. Diese Begründung zu liefern, dürfte in der Tat schwerfallen. Auch die Kläger zielten ja auf die Ungleichbehandlung ab, die nicht zu rechtfertigen ist.
Das haben wir doch aber auch schon längst durchgekaut. Nahpendler mit Steuergeschenken zu versehen während City Anwohner für ihre hohen Mietkosten keine "Entschädigungen" vom Staat erhalten kreiert nicht mehr Gerechtigkeit sondern nur ein anderes Ausmass von Ungerechtigkeit. Ebenso generiert der Einnahmensausfall von 3,5mrd Euro neue Ungerechtigkeiten, denn der Staat wird weiter überschuldet und Investitionen werden nicht getätigt. Natürlich wäre es polemisch jetzt zu behaupten das kommt zulasten von Bildung und Infrastruktur aber am Ende des Tages sehen wir ja immer wieder, dass an die konsumptiven Ausgaben wie Rente oder Sozialhilfe nicht gegangen wird, also wird es wohl doch wieder die wichtigen und nötigen Investitionen treffen. Das ist dem BVG natürlich egal. Es suhlt sich in seiner Gerechtigkeitswonne.