derzeit bietet sich dem betrachter in der bundespolitik ein groteskes schauspiel: union und fdp liefern sich einen wettbewerb: welche regierungspartei stellt das jüngste und unfähigste kabinettsmitglied? seit gestern führt wieder die union mit der beförderung von kristina köhler zur familienministerin.
die überfliegerin (promovierte soziologin nach nur 12 jahren studium!) ist bestens qualifiziert für das amt: sie ist ledig und kinderlos. außerdem fand sie schon als 12jährige helmut kohl toll, ihrem mentor roland koch ist sie treu ergeben.
auch ihr abstimmungsverhalten im parlament spricht für frau köhler:
08.11.05: Sind Sie für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan (OEF)? - JA
19.05.06: Sind Sie dafür, dass Hedgefonds weiterhin zugelassen werden? - JA
22.06.06: Soll die Förderung für Integrationskurse von Zuwanderern erhöht werden? - NEIN
09.03.07: Soll das Rentenalter auf 67 Jahre heraufgesetzt werden? - JA
14.06.07: Soll es eine Härtefallklausel bei den aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der EU geben? - NEIN
17.10.08: Sind Sie für mehr parlamentarische Kontrolle beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz? - NEIN
27.11.08: Sind Sie für die Bereitstellung von 2,5 Mrd Euro für die Renovierung von Krankenhäusern? - NEIN
28.05.09: Rentenangleichung Ost-West - Sind Sie für eine angemessene Altersversorgung für übernommene Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes? - NEIN
02.07.09: Sind Sie dagegen das Schonvermögen im Alter für ALG II-Bezieher zu erhöhen? - JA
es ist zu vermuten, dass die fdp bald kontern und wirtschaftsminister brüderle gegen einen jurastudenten im dritten semester auswechseln wird. die union wird dann wahrscheinlich ein mitglied der schüler-union ins kabinett schicken...
"Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen. Wer nicht einmal im Leben Lust gehabt hat, auf diese Weise mit dem derzeit bestehenden elenden Prinzip der Erniedrigung und Verdummung aufzuräumen - der gehört eindeutig selbst in diese Menge und hat den Wanst ständig in Schusshöhe." ~André Breton
Es stimmt schon, diese Regierung legt einen miesen Start hin. Das Innerkoalitions-Gezänk zu den Kernthemen wie Steuern, Gesundheit und Familie, dann peinliche Lobbygesetze die nichts bringen aber im Chaos münden wie die ermäßigte Mehrwertsteuer für Hotels und nun die nicht zu übersehenden Inkompetenzen im Kabinett, ummalt vom Postengeschacher.
Das erinnert irgendwie an die ersten Schröder-Jahre, wo auch u.a. ein unfähiger Verteidigungsminister gehen musste. Die Häme, die damals von seiten der Konservativen kam, müsste sie nun fairerweise selber treffen.
Aber deine endlose Abstimmhistorie von Frau Köhler kannst du dir sparen Mirk, die Frau stimmte halt so ab, wie es Linie ihrer Fraktion war. Das ist ja nun wirklich nichts bemerkenswertes.
Ganz ehrlich: ich kann mir bisher kein objektives Urteil bilden. Die Online Gazetten versteifen sich darauf, Opposition zu spielen und die Regierung madig zu machen. Das wäre an sich begrüssenswert, leider passiert das aber kaum substanziell inhaltlich. Meist kommt eine Schlagzeile und dahinter nichtssagende Blubberei, geziert mit einem Merkel Bild, auf dem sie gerade sehr doof aussieht. Die Botschaft lautet dann dramatisch, dass sich die CDU nun massiv gegen Merkel auflehnt oder bei der Linken ohne Lafontaine alles zerfällt oder die Katholiken sowas wie eine gegen CDU eröffnen oder sonstwo ein Riesendesaster droht. Nach 3 Tagen - kein Wort mehr davon, alle Wogen geglättet. Mal ein Beispiel: Da stürzt sich gerade alles was schreiben kann auf Roland Koch, weil er den ZDF Brender gestürzt habe. Das wird medien- und geisteshaltungsübergreifend als Machtdemonstration der CDU gegenüber den Medien gewertet. Dass das ZDF ein gebührenverschlingendes Monstrum ist, dessen Qualität und Relevanz stetig abnimmt und mittlerweile praktisch nur noch unter Ausschluss der Generation bis 65 wahrgenommen wird fällt hier niemandem auf. Vielleicht ist das ja Brenders Schuld nicht, aber wo soll man denn da sonst ansetzen? Ob sich durch die Neuberufung eines blickigen Chefredakteuers etwas ändert sehen wir in etwa einem Jahr. Dann kann man auch den Start der Bundesregierung beurteilen, nämlich am Outcome ihrer Taten.
DP: - Der Entwicklungshilfeminister Niebel wollte sein Ministerium vor der Wahl noch abschaffen. - Jung, der im VM keine gute Figur gemacht hat, bekommt ein völlig neues Ressort - Arbeitsministerium. - Westerwelle hat kein Ministerium bekommen, für das er als Jurist und Wirtschaftsexperte prädestiniert wäre, sondern das AM. - Zu Guttenberg wird vom WiMi abgezogen, in dem er so beliebt geworden ist, um Jung im VM zu ersetzen.
Dann fällt der erste m.E. schlecht aufgestellt Minister Jung. - Von der Leyen wird von ihrem Ministerium, in dem sie gute Arbeit geleistet hat, abgezogen und zur Arbeitsministerin befördert bzw. abgeschoben.
Das sind alles Personalentscheidungen, die um es vorsichtig auszudrücken, bei mir Kopfzerbrechen verursachen. Unvorsichtig ausgedrückt würde ich sagen, es ging nicht um Kompetenz, sondern um Parteipolitik. Das ist in meinen Augen ein Armutszeugnis für diese Koalition.
Die wichtigste politische Entscheidung, das Steuerpaket, wird dagegen stur weiter getragen, obwohl das Fundament immer mehr bröckelt. Am Ende fehlt vermutlich die Mehrheit im Bundesrat. In der Familienpolitik, die eigentlich essentiell wichtig ist, dürfte nach dem Leyen-Abzug dagegen Chaos herrschen.
Lexx: "- Der Entwicklungshilfeminister Niebel wollte sein Ministerium vor der Wahl noch abschaffen." Na und, soll er es doch, wäre eine gute Tat. Nur muss man dazu erstmal in der Lage sein - miss ihn doch bei der nächsten Wahl daran, ob es dieses Ministerium dann noch gibt.
"- Jung, der im VM keine gute Figur gemacht hat, bekommt ein völlig neues Ressort - Arbeitsministerium." Ja, es wäre besser gewesen, den Jung erst garnicht Minister werden zu lassen.
"- Westerwelle hat kein Ministerium bekommen, für das er als Jurist und Wirtschaftsexperte prädestiniert wäre, sondern das AM." Na ja, er hat das Ministerium bekommen, das er unbedingt wollte. Sollte Merkel ihm ein anderes Ministerium aufschwatzen oder extra seinetwegen ein Superministerium kreieren?
"- Zu Guttenberg wird vom WiMi abgezogen, in dem er so beliebt geworden ist, um Jung im VM zu ersetzen." Ich persönlich halte das für einen guten Schachzug, aber da gestehe ich Dir gerne eine andere Meinung zu...
"...bei mir Kopfzerbrechen verursachen. Unvorsichtig ausgedrückt würde ich sagen, es ging nicht um Kompetenz, sondern um Parteipolitik. Das ist in meinen Augen ein Armutszeugnis für diese Koalition."
Nimm Aspirin. Am Besten Du kaufst Dir gleich eine Anstaltspackung, denn es wird mit der Politik erstmal so weitergehen. Was glaubst Du denn, machen Parteien für eine Politik? Es gab noch nicht eine einzige Bundesregierung seit 1958 (und ich vermute mal, davor auch nicht) bei deren Installation es nicht um Parteipolitik und -Proporz ging, nicht eine einzige! Und wird es auch nicht geben. Und wenn dann zufällig die Minister auch noch gut sind, dann haben wir alle miteinander Glück gehabt.
Wie stellst Du Dir eine Koalitionsverhandlung denn vor - da sitzen 3 Gruppierungen da, die (wie die anderen Parteien auch) vor der Wahl das Blaue vom Himmel runter versprochen haben und von denen jede meint, sie könnten alleine die Regierung stellen. Nur mittlerweile haben alle 3 gelernt, dass das blöde Volk sich doch tatsächlich nach der Wahl noch daran erinnert was vor der Wahl versprochen wurde. Und weil jede der 3 ein bißchen was anderes versprochen hat, muss man das irgendwie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen - das endet meistens damit dass im Zähler eine dicke fette Null steht und sich für den Nenner niemand mehr interessieren muss. Erschwert wird das auch noch dadurch, dass man während der Koalitionsverhandlungen versucht hat, alles bis ins Detail zu lösen und daran gescheitert ist; was natürlich dazu geführt hat dass man sich auf Formulierungen geeinigt hat die so wachsweich sind, dass jeder seine Meinung bestärkt sieht. Siehe z.B. die Praxisgebühr, die jetzt abgeschafft werden soll oder nur "auf den Prüfstand gestellt werden soll" oder was auch immer. Erleichtert wurde das Ganze auch nicht durch jede Menge Leute, die während der Verhandlungen das rhetorische Wasser nicht halten konnten und jeweils ihre Wünsche als Verhandlungsergebnis hinausposaunt hatten.
Koalitionsverhandlungen bestehen wohl tatsächlich im abwechselnden Schlucken dicker fetter Kröten - was soll da hinten anderes raus kommen als Kröten-Mist? :-)
Gute Regierungen waren übrigens schon immer mindestens 15 Jahre Vergangenheit - gewöhn Dich langsam an den Satz: "Ich kann mir garnicht vorstellen dass man in einigen Jahren von heute als "der guten alten Zeit" sprechen wird."
Ich finde übrigens Aspirin plus C (als Brausetabletten) schmecken ganz gut.
Schönen Tag noch WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
WRL: Ich habe noch nie Aspirin in meinem Leben genommen und auch erst zweimal überhaupt eine Kopfschmerztablette. Dabei bleibe ich vorerst ;)
Wenn Westerwelle das AM wollte, OK.
Was mich nicht wundert ist, dass Parteipolitik eine Rolle bei der Postenvergabe spielt, sondern dass sie offenbar wider jedweden Verstand stattfindet. Das bezieht sich insbesondere auf Von der Leyens Postenwechsel.
Aber auch die momentane Politik finde ich irgendwie Schizophren. Die Koalition rennt wahrscheinlich sehenden Auges ins Verderben, um ein Wahlversprechen umzusetzen, das ihnen im Wahlkampf schon kaum einer geglaubt hat und das jetzt die Mehrheit der Deutschen weder(!) befürwortet noch erwartet. Das wirkt wie ein trotziges Kind, das auf dem Boden aufstampft und sagt "ich will aber" und die Realität nicht einsehen will.
Dafür werden an anderer Stelle Wahlversprechen gebrochen (wie "Niebel und das BMZ", "Merkel und die Zustimmung zu Steinbach") oder Themen vernachlässigt, weil sich die Politik wie ein Junkie nurnoch um das Wirtschaftswachstum kümmert.
"Wie stellst Du Dir eine Koalitionsverhandlung denn vor"
Wenn wir schon dabei sind, was ich mir vorstelle.....wenn es nach mir ginge, gäbe es Parteien in dieser Form überhaupt nicht. Zumindest wären Abstimmungen immer Geheim und Minister würden gewählt oder zumindest dem Parlament zur Wahl vorgeschlagen.
Und wer jetzt sagt, dass das der Regierbarkeit schaden würde... in der Schweiz klappt das doch auch, dass Gesetze über geheime Abstimmungen verabschiedet werden.
Na, ich persönlich fand Frau von der Leyen nicht so prickelnd, deswegen stört mich der Postenwechsel von der Seite nicht. Was mich mit ein paar Fragezeichen füllt ist dass eine junge Frau Nachfolferin von ihr wird, die wohl durch ihre Herkunft "Hessen" hinreichend qualifiziert erscheint - hoffentlich ist sie das denn auch.
"Dafür werden an anderer Stelle Wahlversprechen gebrochen (wie "Niebel und das BMZ", "Merkel und die Zustimmung zu Steinbach") oder Themen vernachlässigt, weil sich die Politik wie ein Junkie nurnoch um das Wirtschaftswachstum kümmert."
Na, das sind jetzt zwei Punkte, bei denen die Parteien schon vor der Wahl auseinander lagen - da muss ja eine davon das Wahlversprechen brechen. Und bei dem Herrn Niebel, wart es mal ab, vielleicht kommt er ja noch dazu, dass er seines hält.
"..wenn es nach mir ginge, gäbe es Parteien in dieser Form überhaupt nicht."
Das wird eine fröhliche Listenaufstellung werden - wie soll denn dann die breite Massse rausfinden, wen sie wählen soll. Ich persönlich würde ein reines Mehrheitswahlrecht bevorzugen a la England, aber das ist sicherlich Geschmacksache. Koalitionen haben doch bisher praktisch immer nur Erich Kästner bestätigt: Getretner Quark wird breit, nicht stark!
Ich bin strikt dagegen, dass Gesetze nur in geheimer Abstimmung verabschiedet werden - ich will schon wissen, ob "mein" Abgeordneter auch so abstimmt wie er redet.
Bonna notte WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
WRL: ►"Und bei dem Herrn Niebel, wart es mal ab, vielleicht kommt er ja noch dazu, dass er seines hält."◄
Dazu müsste er ja seine eigenen Einkünfte und höhere Pensionsansprüche aufgeben. Außerdem würde er Westerwelle schwächen. Nein, ich wette dagegen, dass er das macht.
►"Das wird eine fröhliche Listenaufstellung werden - wie soll denn dann die breite Massse rausfinden, wen sie wählen soll."◄
Ich habe gesagt Parteien "in dieser Form", nicht Parteien generell.
►"Ich bin strikt dagegen, dass Gesetze nur in geheimer Abstimmung verabschiedet werden - ich will schon wissen, ob "mein" Abgeordneter auch so abstimmt wie er redet."◄
Das ist ein starkes Argument. Was ich im Hinterkopf habe ist, den Fraktionszwang auszuhebeln. Was mich an den Parteien stört ist zum einen, dass Personalentscheidungen nach Klüngel, persönlichen Präferenzen der Parteispitze und "Dienstjahren" in der Partei getroffenj werden statt nach Kompetenz. Deswegen sollen Minister dem Parlament zur Wahl vorgeschlagen werden (am besten von einer überparteilichen Instanz). Und Abgeordnete sollen, wie es im Grundgesetz steht, nur ihrem Gewissen verpflichtet sein und nicht einer Parteilinie, daher geheime Abstimmungen wider den Fraktionszwang. Du kannst natürlich gerne einen Vorschlag machen, der eine vergleichbare Wirkung hat und ohne geheime Wahl auskommt.
Nachtrag: Das Mehrheitswahlrecht würde die FDP eliminieren. Auch Grüne und Linke würden massiv an Bedeutung einbüßen. Gemessen an der BTW 2009 und abzüglich der Direktmandate wären 33% aller Stimmen, abgegeben für Grüne, FDP und Linke, unter den Tisch gefallen (ca. 39% der Zweitstimmen, ca. 6% der Direktmandate) - ist das demokratisch?
Die EU hat ein Defizitverfahren gegen Deutschland eingeleitet mit Sparvorgaben ab 2011. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Entlastung bis 2013 von 24 Mrd. € nicht möglich, Steuersenkungen müssten durch Abgabenerhöhungen gegenfinanziert werden.
"Das Mehrheitswahlrecht würde die FDP eliminieren. Auch Grüne und Linke würden massiv an Bedeutung einbüßen."
Sehe ich nicht so dramatisch.
Endlich würde dann nämlich der Direktkandidat nach Persönlichkeit gewählt werden können, dabei würden viele anders abstimmen als jetzt. Wenn man sich die Kandidaten der Parteien anschaut dann sind viele "aussichtslose" Kandidaten die, die man mangels Masse sowieso nicht wählen kann und die auch keinen Wahlkampf führen, sprich ausser von Plakaten mittels retuschierter Fotos runterzugrinsen nichts tun. Außerdem wäre der Einfluss der Parteien deutlich beschnitten, denn ein erfolgreicher Direktkandidat lässt sich wesentlich weniger erpressen als ein Listenkandidat.
Und die Linke und die Grünen wären im Bundestag vertreten, auch die FDP hatte schon Direktkandidaten durchgebracht....
Schönen Abend WRL
"Glückliche Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit!" Marie von Ebner-Eschenbach “Politiker sind wie Windeln. Man muss sie oft wechseln und das aus denselben Gründen.” (Mark Twain)
WRL: "Und die Linke und die Grünen wären im Bundestag vertreten, auch die FDP hatte schon Direktkandidaten durchgebracht...."
Jawohl, mit genau 16 bzw. EINEM Abgeordneten. Die FDP hat 2009 kein Direktmandat gewonnen. Ich denke aber eine Diskussion um Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht artet hier zuviel in OT aus. Es ging ja eigentlich um die Politik der aktuellen Regierung.